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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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Von den souverainen Staaten überhaupt,
f] Mosers Beiträge in Friedensz. 1. Th. S. 510.
Ioach. Guil. Weickhmann diß. I. qua civitas Gedanen-
sis neque olim in regni germanici fuiffe, neque hodie
in Imp. R. G. eße potestate ejusque formula conti-
neri vincitur. Viteb.
1766. 4.
*] Neyron nimt noch eine dritte Klasse von europäischen
Staaten an, und rechnet die aus dem alten Hanseebunde
noch übrigen Städte dahin. Au reste, sagt er, il y a
encore une espece de tiers ordre d' Etats ißus de l' anti-
que societe hanseatique L. I. Ch. III. Art. I.
§. 68.
§. 35.
Unnachtheilige Abhängigkeit der Souve-
rainetät
.

Die Souverainetät kan übrigens, unbeschadet dersel-
ben, durch verschiedene gleiche und ungleiche Verbindun-
gen, bey welchen leztern, wie Aristoteles sagt, dem
Mächtigern mehr Ehre, dem Schwächern aber mehr
Hülfe zugestanden wird, auf mancherley Art von einer
auswärtigen Macht, entweder in Ansehung der Maie-
stätsrechte selbst, oder in der Art sie auszuüben abhängig
gemacht und eingeschränkt werden a]. Wenn der Staat
durch einen solchen Vertrag sich nur nicht völlig unter-
wirft, sondern das Recht in einheimischen und auswärti-
gen Verhältnissen sich selbst zu regieren behält, so ist er
dem ungeachtet als ein freier unabhängiger Staat anzu-
sehn und nach den Grundsätzen des Völkerrechts zu beur-
teilen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob man aus
dem Grunde der Unterthänigkeit überhaupt gehorchen
muß, oder ob man nur in einzelnen Fällen etwas beob-
achtet, wozu man sich selbst freiwillig verbindlich gemacht
hat b]. Jeder Staat mag in ausserordentlichen Fällen,
wo die Wohlfarth des Ganzen anders nicht erhalten wer-

den
Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt,
f] Moſers Beitraͤge in Friedensz. 1. Th. S. 510.
Ioach. Guil. Weickhmann diß. I. qua civitas Gedanen-
ſis neque olim in regni germanici fuiffe, neque hodie
in Imp. R. G. eße poteſtate ejusque formula conti-
neri vincitur. Viteb.
1766. 4.
*] Neyron nimt noch eine dritte Klaſſe von europaͤiſchen
Staaten an, und rechnet die aus dem alten Hanſeebunde
noch uͤbrigen Staͤdte dahin. Au reſte, ſagt er, il y a
encore une eſpece de tiers ordre d’ Etats ißus de l’ anti-
que ſocieté hanſéatique L. I. Ch. III. Art. I.
§. 68.
§. 35.
Unnachtheilige Abhaͤngigkeit der Souve-
rainetaͤt
.

Die Souverainetaͤt kan uͤbrigens, unbeſchadet derſel-
ben, durch verſchiedene gleiche und ungleiche Verbindun-
gen, bey welchen leztern, wie Ariſtoteles ſagt, dem
Maͤchtigern mehr Ehre, dem Schwaͤchern aber mehr
Huͤlfe zugeſtanden wird, auf mancherley Art von einer
auswaͤrtigen Macht, entweder in Anſehung der Maie-
ſtaͤtsrechte ſelbſt, oder in der Art ſie auszuuͤben abhaͤngig
gemacht und eingeſchraͤnkt werden a]. Wenn der Staat
durch einen ſolchen Vertrag ſich nur nicht voͤllig unter-
wirft, ſondern das Recht in einheimiſchen und auswaͤrti-
gen Verhaͤltniſſen ſich ſelbſt zu regieren behaͤlt, ſo iſt er
dem ungeachtet als ein freier unabhaͤngiger Staat anzu-
ſehn und nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts zu beur-
teilen. Denn es iſt ein großer Unterſchied, ob man aus
dem Grunde der Unterthaͤnigkeit uͤberhaupt gehorchen
muß, oder ob man nur in einzelnen Faͤllen etwas beob-
achtet, wozu man ſich ſelbſt freiwillig verbindlich gemacht
hat b]. Jeder Staat mag in auſſerordentlichen Faͤllen,
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[130/0156] Von den ſouverainen Staaten uͤberhaupt, f] Moſers Beitraͤge in Friedensz. 1. Th. S. 510. Ioach. Guil. Weickhmann diß. I. qua civitas Gedanen- ſis neque olim in regni germanici fuiffe, neque hodie in Imp. R. G. eße poteſtate ejusque formula conti- neri vincitur. Viteb. 1766. 4. *] Neyron nimt noch eine dritte Klaſſe von europaͤiſchen Staaten an, und rechnet die aus dem alten Hanſeebunde noch uͤbrigen Staͤdte dahin. Au reſte, ſagt er, il y a encore une eſpece de tiers ordre d’ Etats ißus de l’ anti- que ſocieté hanſéatique L. I. Ch. III. Art. I. §. 68. §. 35. Unnachtheilige Abhaͤngigkeit der Souve- rainetaͤt. Die Souverainetaͤt kan uͤbrigens, unbeſchadet derſel- ben, durch verſchiedene gleiche und ungleiche Verbindun- gen, bey welchen leztern, wie Ariſtoteles ſagt, dem Maͤchtigern mehr Ehre, dem Schwaͤchern aber mehr Huͤlfe zugeſtanden wird, auf mancherley Art von einer auswaͤrtigen Macht, entweder in Anſehung der Maie- ſtaͤtsrechte ſelbſt, oder in der Art ſie auszuuͤben abhaͤngig gemacht und eingeſchraͤnkt werden a]. Wenn der Staat durch einen ſolchen Vertrag ſich nur nicht voͤllig unter- wirft, ſondern das Recht in einheimiſchen und auswaͤrti- gen Verhaͤltniſſen ſich ſelbſt zu regieren behaͤlt, ſo iſt er dem ungeachtet als ein freier unabhaͤngiger Staat anzu- ſehn und nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts zu beur- teilen. Denn es iſt ein großer Unterſchied, ob man aus dem Grunde der Unterthaͤnigkeit uͤberhaupt gehorchen muß, oder ob man nur in einzelnen Faͤllen etwas beob- achtet, wozu man ſich ſelbſt freiwillig verbindlich gemacht hat b]. Jeder Staat mag in auſſerordentlichen Faͤllen, wo die Wohlfarth des Ganzen anders nicht erhalten wer- den

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/156>, abgerufen am 21.12.2024.