Grosse, Julius: Vetter Isidor. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 20. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 103–236. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zugleich ländlichen Charakter haben und entlang dem Strom eine Menge anmuthiger Einsiedeleien bieten, den Weltmüden ein Asyl, den Kranken eine Erholung und den Ausgestoßenen eine sichere Zuflucht, dahin die bösen Zungen nicht dringen, noch die Laster der Großstadt. II. Und es war wieder an einem Sonntage, und die treffliche Frau Conrectorin saß wieder in ihrem Gartenhäuschen am Wasser, philosophirte über Menschen und Dinge und schälte Aepfel, welche gewelkt werden sollten. Vetter Isidörchen war einen Sonntag ausgeblieben, und das stimmte die gute Frau Conrectorin, die über Alles die regelmäßige Ordnung liebte, ziemlich verdrießlich; sie hatte sich an den wundersamen Pedanten, der von nichts träumte, als von Idealen und Abenteuern, nicht erst seit gestern gewöhnt. Sonderbar -- zuerst war sie gefaßt darauf, den Schwärmer in Folge ihrer Mittheilung schon am nächsten Tage wieder erscheinen zu sehen, denn er hatte freie Zeit genug, und sein Interesse für die schöne Nachbarin war doch sicher kein Strohfeuer gewesen. Sollte sie den empfindlichen alten Junggesellen wirklich beleidigt haben, daß er nun schon vierzehn Tagen hingehen ließ, ohne etwas von sich hören zu lassen oder sich selbst zu zeigen -- oder war ihm ein Unfall zugestoßen, war er krank geworden? Die weichmüthige Frau Conrectorin beschloß zugleich ländlichen Charakter haben und entlang dem Strom eine Menge anmuthiger Einsiedeleien bieten, den Weltmüden ein Asyl, den Kranken eine Erholung und den Ausgestoßenen eine sichere Zuflucht, dahin die bösen Zungen nicht dringen, noch die Laster der Großstadt. II. Und es war wieder an einem Sonntage, und die treffliche Frau Conrectorin saß wieder in ihrem Gartenhäuschen am Wasser, philosophirte über Menschen und Dinge und schälte Aepfel, welche gewelkt werden sollten. Vetter Isidörchen war einen Sonntag ausgeblieben, und das stimmte die gute Frau Conrectorin, die über Alles die regelmäßige Ordnung liebte, ziemlich verdrießlich; sie hatte sich an den wundersamen Pedanten, der von nichts träumte, als von Idealen und Abenteuern, nicht erst seit gestern gewöhnt. Sonderbar — zuerst war sie gefaßt darauf, den Schwärmer in Folge ihrer Mittheilung schon am nächsten Tage wieder erscheinen zu sehen, denn er hatte freie Zeit genug, und sein Interesse für die schöne Nachbarin war doch sicher kein Strohfeuer gewesen. Sollte sie den empfindlichen alten Junggesellen wirklich beleidigt haben, daß er nun schon vierzehn Tagen hingehen ließ, ohne etwas von sich hören zu lassen oder sich selbst zu zeigen — oder war ihm ein Unfall zugestoßen, war er krank geworden? Die weichmüthige Frau Conrectorin beschloß <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0041"/> zugleich ländlichen Charakter haben und entlang dem Strom eine Menge anmuthiger Einsiedeleien bieten, den Weltmüden ein Asyl, den Kranken eine Erholung und den Ausgestoßenen eine sichere Zuflucht, dahin die bösen Zungen nicht dringen, noch die Laster der Großstadt.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head> <p>Und es war wieder an einem Sonntage, und die treffliche Frau Conrectorin saß wieder in ihrem Gartenhäuschen am Wasser, philosophirte über Menschen und Dinge und schälte Aepfel, welche gewelkt werden sollten.</p><lb/> <p>Vetter Isidörchen war einen Sonntag ausgeblieben, und das stimmte die gute Frau Conrectorin, die über Alles die regelmäßige Ordnung liebte, ziemlich verdrießlich; sie hatte sich an den wundersamen Pedanten, der von nichts träumte, als von Idealen und Abenteuern, nicht erst seit gestern gewöhnt.</p><lb/> <p>Sonderbar — zuerst war sie gefaßt darauf, den Schwärmer in Folge ihrer Mittheilung schon am nächsten Tage wieder erscheinen zu sehen, denn er hatte freie Zeit genug, und sein Interesse für die schöne Nachbarin war doch sicher kein Strohfeuer gewesen. Sollte sie den empfindlichen alten Junggesellen wirklich beleidigt haben, daß er nun schon vierzehn Tagen hingehen ließ, ohne etwas von sich hören zu lassen oder sich selbst zu zeigen — oder war ihm ein Unfall zugestoßen, war er krank geworden? Die weichmüthige Frau Conrectorin beschloß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
zugleich ländlichen Charakter haben und entlang dem Strom eine Menge anmuthiger Einsiedeleien bieten, den Weltmüden ein Asyl, den Kranken eine Erholung und den Ausgestoßenen eine sichere Zuflucht, dahin die bösen Zungen nicht dringen, noch die Laster der Großstadt.
II. Und es war wieder an einem Sonntage, und die treffliche Frau Conrectorin saß wieder in ihrem Gartenhäuschen am Wasser, philosophirte über Menschen und Dinge und schälte Aepfel, welche gewelkt werden sollten.
Vetter Isidörchen war einen Sonntag ausgeblieben, und das stimmte die gute Frau Conrectorin, die über Alles die regelmäßige Ordnung liebte, ziemlich verdrießlich; sie hatte sich an den wundersamen Pedanten, der von nichts träumte, als von Idealen und Abenteuern, nicht erst seit gestern gewöhnt.
Sonderbar — zuerst war sie gefaßt darauf, den Schwärmer in Folge ihrer Mittheilung schon am nächsten Tage wieder erscheinen zu sehen, denn er hatte freie Zeit genug, und sein Interesse für die schöne Nachbarin war doch sicher kein Strohfeuer gewesen. Sollte sie den empfindlichen alten Junggesellen wirklich beleidigt haben, daß er nun schon vierzehn Tagen hingehen ließ, ohne etwas von sich hören zu lassen oder sich selbst zu zeigen — oder war ihm ein Unfall zugestoßen, war er krank geworden? Die weichmüthige Frau Conrectorin beschloß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T10:31:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T10:31:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |