Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.König, und die Zwölfe standen hinter der Thüre und horchten, was er sagen würde. Wie der König nun fragte: "wo haben meine zwölf Töchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?" antwortete er: "mit zwölf Prinzen in einem unterirdischen Schloß," und erzählte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der König seine Töchter und fragte sie, ob der Soldat die Wahrheit gesagt hätte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Läugnen nichts half, erzählten sie alles. Darauf fragte ihn der König, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: "ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die älteste." Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Königs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwünscht, als sie Nächte mit den Zwölfen getanzt hatten. 134.
Die sechs Diener. Vor Zeiten lebte eine alte Königin, die war eine Zauberin und hatte die allerschönste Tochter unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken könnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie, wer ihre Tochter haben wolle, müsse einen Bund (eine Aufgabe) lösen oder sterben. Viele, von der Schönheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie vollbrachten nicht, was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien und das Haupt ward Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre und horchten, was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: „wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?“ antwortete er: „mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,“ und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter und fragte sie, ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.“ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten. 134.
Die sechs Diener. Vor Zeiten lebte eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin und hatte die allerschoͤnste Tochter unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie, wer ihre Tochter haben wolle, muͤsse einen Bund (eine Aufgabe) loͤsen oder sterben. Viele, von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie vollbrachten nicht, was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien und das Haupt ward <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0308" n="230"/> Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre und horchten, was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: „wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?“ antwortete er: „mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,“ und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter und fragte sie, ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.“ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">134.<lb/> Die sechs Diener.</hi> </head><lb/> <p>Vor Zeiten lebte eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin und hatte die allerschoͤnste Tochter unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie, wer ihre Tochter haben wolle, muͤsse einen Bund (eine Aufgabe) loͤsen oder sterben. Viele, von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie vollbrachten nicht, was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien und das Haupt ward </p> </div> </body> </text> </TEI> [230/0308]
Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hinter der Thuͤre und horchten, was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: „wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht vertanzt?“ antwortete er: „mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,“ und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter und fragte sie, ob der Soldat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.“ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit gehalten, und ihm das Reich nach des Koͤnigs Tode versprochen; aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den Zwoͤlfen getanzt hatten.
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Die sechs Diener.
Vor Zeiten lebte eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin und hatte die allerschoͤnste Tochter unter der Sonne. Sie dachte aber nur darauf, wie sie die Menschen ins Verderben locken koͤnnte, und wenn ein Freier kam, so sprach sie, wer ihre Tochter haben wolle, muͤsse einen Bund (eine Aufgabe) loͤsen oder sterben. Viele, von der Schoͤnheit der Jungfrau verblendet, wagten es wohl, aber sie vollbrachten nicht, was die Alte ihnen auflegte, und dann war keine Gnade, sie mußten niederknien und das Haupt ward
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/308>, abgerufen am 22.02.2025. |