Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert. 122.
Der Krautesel. Es war einmal ein junger Jäger, der hatte ein frisches und fröhliches Herz und ging in den Wald auf Anstand, und wie er so ging und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes, häßliches Mütterchen daher, das redete ihn an und sprach: "guten Tag, lieber Jäger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen." Da dauerte den Jäger das arme Mütterchen, daß er in seine Tasche griff und ihr nach seinem Vermögen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an und sprach: "hör an, lieber Jäger, was ich dir sage, für dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, über ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Vögel und raufen sich um einen Mantel. Da leg du deine Büchse an und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Vögeln wird getroffen seyn und todt herabstürzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wünschen, gedacht, vollbracht und du bist dort. Den todten Vogel aber schneid auf und nimm das Herz heraus und verschluck die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert. 122.
Der Krautesel. Es war einmal ein junger Jaͤger, der hatte ein frisches und froͤhliches Herz und ging in den Wald auf Anstand, und wie er so ging und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes, haͤßliches Muͤtterchen daher, das redete ihn an und sprach: „guten Tag, lieber Jaͤger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.“ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen, daß er in seine Tasche griff und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an und sprach: „hoͤr an, lieber Jaͤger, was ich dir sage, fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Voͤgel und raufen sich um einen Mantel. Da leg du deine Buͤchse an und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn und todt herabstuͤrzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen, gedacht, vollbracht und du bist dort. Den todten Vogel aber schneid auf und nimm das Herz heraus und verschluck <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="172"/> die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">122.<lb/> Der Krautesel.</hi> </head><lb/> <p>Es war einmal ein junger Jaͤger, der hatte ein frisches und froͤhliches Herz und ging in den Wald auf Anstand, und wie er so ging und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes, haͤßliches Muͤtterchen daher, das redete ihn an und sprach: „guten Tag, lieber Jaͤger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.“ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen, daß er in seine Tasche griff und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an und sprach: „hoͤr an, lieber Jaͤger, was ich dir sage, fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Voͤgel und raufen sich um einen Mantel. Da leg du deine Buͤchse an und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn und todt herabstuͤrzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen, gedacht, vollbracht und du bist dort. Den todten Vogel aber schneid auf und nimm das Herz heraus und verschluck </p> </div> </body> </text> </TEI> [172/0250]
die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen und Abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.
122.
Der Krautesel.
Es war einmal ein junger Jaͤger, der hatte ein frisches und froͤhliches Herz und ging in den Wald auf Anstand, und wie er so ging und auf dem Blatt pfiff, kam ein altes, haͤßliches Muͤtterchen daher, das redete ihn an und sprach: „guten Tag, lieber Jaͤger, du bist wohl guter Dinge, aber ich leide Hunger und Durst, gib mir doch ein Almosen.“ Da dauerte den Jaͤger das arme Muͤtterchen, daß er in seine Tasche griff und ihr nach seinem Vermoͤgen etwas reichte. Nun wollte er weiter gehen, aber die alte Frau hielt ihn an und sprach: „hoͤr an, lieber Jaͤger, was ich dir sage, fuͤr dein gutes Herz will ich dir ein Geschenk machen, geh nur immer deiner Wege, uͤber ein Weilchen wirst du an einen Baum kommen, darauf sitzen neun Voͤgel und raufen sich um einen Mantel. Da leg du deine Buͤchse an und schieß mitten drunter, den Mantel werden sie dir wohl fallen lassen, aber auch einer von den Voͤgeln wird getroffen seyn und todt herabstuͤrzen. Den Mantel nimm mit dir, es ist ein Wunschmantel, wenn du ihn um die Schultern wirfst, brauchst du dich nur an einen Ort zu wuͤnschen, gedacht, vollbracht und du bist dort. Den todten Vogel aber schneid auf und nimm das Herz heraus und verschluck
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1819/250>, abgerufen am 22.02.2025. |