noch alles ihr Laub!" Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wüstenei, eh' er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll grüner Blätter. Da mußte er seine Schuld fahren lassen stach im Zorn allen übrigen Geisen die Augen aus und setzte ihnen seine eigene ein.
Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebißne Schwänz und er nimmt gern ihre Ge- stalt an.
63. Der Hahnenbalken.
Es war einmal ein Zauberer, der stand mit- ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn einher schreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn, als wär' er federleicht. Nun war aber ein Mädchen, das hatte eben ein vierblättri- ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm beste- hen konnte, und es sah, daß der Balken nichts war, als ein Strohhalm. Da rief es: "Ei, ihr Leute seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da trägt" Als- bald verschwand der Zauber, und die Leute sahen was es war, und jagten den Hexenmeister mit
noch alles ihr Laub!“ Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche ſuchen, irrte ſechs Monate in der Wuͤſtenei, eh’ er ſie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter. Da mußte er ſeine Schuld fahren laſſen ſtach im Zorn allen uͤbrigen Geiſen die Augen aus und ſetzte ihnen ſeine eigene ein.
Darum haben alle Geiſe Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Ge- ſtalt an.
63. Der Hahnenbalken.
Es war einmal ein Zauberer, der ſtand mit- ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte ſeine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn einher ſchreiten, der hob einen ſchweren Balken und trug ihn, als waͤr’ er federleicht. Nun war aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttri- ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, ſo daß kein Blendwerk vor ihm beſte- hen konnte, und es ſah, daß der Balken nichts war, als ein Strohhalm. Da rief es: „Ei, ihr Leute ſeht ihr nicht, das iſt ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da traͤgt“ Als- bald verſchwand der Zauber, und die Leute ſahen was es war, und jagten den Hexenmeiſter mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0311"n="290"/>
noch alles ihr Laub!“ Mit Toben und Fluchen<lb/>
entwich der Teufel und wollte die Eiche ſuchen,<lb/>
irrte ſechs Monate in der Wuͤſtenei, eh’ er ſie<lb/>
befand, und als er wieder kam, waren derweil<lb/>
wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter.<lb/>
Da mußte er ſeine Schuld fahren laſſen ſtach<lb/>
im Zorn allen uͤbrigen Geiſen die Augen aus und<lb/>ſetzte ihnen ſeine eigene ein.</p><lb/><p>Darum haben alle Geiſe Teufelsaugen und<lb/>
abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Ge-<lb/>ſtalt an.</p></div><lb/><divn="1"><head>63.<lb/><hirendition="#g">Der Hahnenbalken</hi>.</head><lb/><p>Es war einmal ein Zauberer, der ſtand mit-<lb/>
ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte<lb/>ſeine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn<lb/>
einher ſchreiten, der hob einen ſchweren Balken<lb/>
und trug ihn, als waͤr’ er federleicht. Nun war<lb/>
aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttri-<lb/>
ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug<lb/>
geworden, ſo daß kein Blendwerk vor ihm beſte-<lb/>
hen konnte, und es ſah, daß der Balken nichts<lb/>
war, als ein Strohhalm. Da rief es: „Ei, ihr<lb/>
Leute ſeht ihr nicht, das iſt ein bloßer Strohhalm<lb/>
und kein Balken, was der Hahn da traͤgt“ Als-<lb/>
bald verſchwand der Zauber, und die Leute ſahen<lb/>
was es war, und jagten den Hexenmeiſter mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290/0311]
noch alles ihr Laub!“ Mit Toben und Fluchen
entwich der Teufel und wollte die Eiche ſuchen,
irrte ſechs Monate in der Wuͤſtenei, eh’ er ſie
befand, und als er wieder kam, waren derweil
wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter.
Da mußte er ſeine Schuld fahren laſſen ſtach
im Zorn allen uͤbrigen Geiſen die Augen aus und
ſetzte ihnen ſeine eigene ein.
Darum haben alle Geiſe Teufelsaugen und
abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Ge-
ſtalt an.
63.
Der Hahnenbalken.
Es war einmal ein Zauberer, der ſtand mit-
ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte
ſeine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn
einher ſchreiten, der hob einen ſchweren Balken
und trug ihn, als waͤr’ er federleicht. Nun war
aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttri-
ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug
geworden, ſo daß kein Blendwerk vor ihm beſte-
hen konnte, und es ſah, daß der Balken nichts
war, als ein Strohhalm. Da rief es: „Ei, ihr
Leute ſeht ihr nicht, das iſt ein bloßer Strohhalm
und kein Balken, was der Hahn da traͤgt“ Als-
bald verſchwand der Zauber, und die Leute ſahen
was es war, und jagten den Hexenmeiſter mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/311>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.