Es waren zwei Brüder, einer war reich, der andere arm. Der reiche aber gab dem Armen nichts und er mußte sich vom Kornhandel küm- merlich ernähren, da ging es ihm oft so schlecht, daß er für seine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald, da sah er zur Seite einen großen kah- len Berg und weil er den noch nie gesehen hatte, verwunderte er sich, hielt still und betrachtete ihn. Wie er so stand, kamen zwölf wilde große Män- ner, weil er nun glaubte, das wären Räuber, schob er seinen Karren ins Gebüsch und stieg auf einen Baum, und wartete, was da geschehen würde. Die zwölf Männer gingen aber vor den Berg und riefen: "Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich auf." Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von einander und die zwölfe gingen hinein und wie sie drin waren, schloß er sich zu. Ueber eine kleine Weile aber, thät er sich wieder auf und die Männer kamen mit schweren Säcken auf dem Rücken heraus und wie sie alle wieder am Tageslicht waren, sprachen sie: "Berg Semsi! Berg Semsi! thu dich zu!" Da fuhr der Berg zusammen und war kein Eingang mehr an ihm zu sehen, und die Zwölfe gingen fort. Als sie ihm nun ganz aus
den
56. Simeliberg.
Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der andere arm. Der reiche aber gab dem Armen nichts und er mußte ſich vom Kornhandel kuͤm- merlich ernaͤhren, da ging es ihm oft ſo ſchlecht, daß er fuͤr ſeine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit ſeinem Karren durch den Wald, da ſah er zur Seite einen großen kah- len Berg und weil er den noch nie geſehen hatte, verwunderte er ſich, hielt ſtill und betrachtete ihn. Wie er ſo ſtand, kamen zwoͤlf wilde große Maͤn- ner, weil er nun glaubte, das waͤren Raͤuber, ſchob er ſeinen Karren ins Gebuͤſch und ſtieg auf einen Baum, und wartete, was da geſchehen wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner gingen aber vor den Berg und riefen: „Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich auf.“ Alsbald that ſich der kahle Berg in der Mitte von einander und die zwoͤlfe gingen hinein und wie ſie drin waren, ſchloß er ſich zu. Ueber eine kleine Weile aber, thaͤt er ſich wieder auf und die Maͤnner kamen mit ſchweren Saͤcken auf dem Ruͤcken heraus und wie ſie alle wieder am Tageslicht waren, ſprachen ſie: „Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich zu!“ Da fuhr der Berg zuſammen und war kein Eingang mehr an ihm zu ſehen, und die Zwoͤlfe gingen fort. Als ſie ihm nun ganz aus
den
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56.
Simeliberg.
Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der
andere arm. Der reiche aber gab dem Armen
nichts und er mußte ſich vom Kornhandel kuͤm-
merlich ernaͤhren, da ging es ihm oft ſo ſchlecht,
daß er fuͤr ſeine Frau und Kinder kein Brot
hatte. Einmal fuhr er mit ſeinem Karren durch
den Wald, da ſah er zur Seite einen großen kah-
len Berg und weil er den noch nie geſehen hatte,
verwunderte er ſich, hielt ſtill und betrachtete ihn.
Wie er ſo ſtand, kamen zwoͤlf wilde große Maͤn-
ner, weil er nun glaubte, das waͤren Raͤuber,
ſchob er ſeinen Karren ins Gebuͤſch und ſtieg auf
einen Baum, und wartete, was da geſchehen
wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner gingen aber vor den
Berg und riefen: „Berg Semſi! Berg
Semſi! thu dich auf.“ Alsbald that ſich der
kahle Berg in der Mitte von einander und die
zwoͤlfe gingen hinein und wie ſie drin waren,
ſchloß er ſich zu. Ueber eine kleine Weile aber,
thaͤt er ſich wieder auf und die Maͤnner kamen
mit ſchweren Saͤcken auf dem Ruͤcken heraus und
wie ſie alle wieder am Tageslicht waren, ſprachen
ſie: „Berg Semſi! Berg Semſi! thu dich
zu!“ Da fuhr der Berg zuſammen und war
kein Eingang mehr an ihm zu ſehen, und die
Zwoͤlfe gingen fort. Als ſie ihm nun ganz aus
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/293>, abgerufen am 18.12.2024.
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