Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.48. Der alte Sultan. Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden, und hatte alle Zähne verloren, so daß er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Hausthüre, und sprach 'den alten Sultan schieß ich morgen todt, der ist zu nichts mehr nütze.' Die Frau, die Mittleid mit dem treuen Thiere hatte, antwortete 'da er uns so lange Jahr gedient hat, und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.' 'Ei was,' sagte der Mann, 'du bist nicht recht gescheidt, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm, er kann jetzt abgehen. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.' Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört, und war traurig daß morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er Abends hinaus in den Wald, und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. 'Höre, Gevatter,' sagte der Wolf, 'sei gutes Muthes, ich will dir aus deiner Noth helfen. Jch habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein 48. Der alte Sultan. Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden, und hatte alle Zähne verloren, so daß er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Hausthüre, und sprach ‘den alten Sultan schieß ich morgen todt, der ist zu nichts mehr nütze.’ Die Frau, die Mittleid mit dem treuen Thiere hatte, antwortete ‘da er uns so lange Jahr gedient hat, und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.’ ‘Ei was,’ sagte der Mann, ‘du bist nicht recht gescheidt, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm, er kann jetzt abgehen. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.’ Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört, und war traurig daß morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er Abends hinaus in den Wald, und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. ‘Höre, Gevatter,’ sagte der Wolf, ‘sei gutes Muthes, ich will dir aus deiner Noth helfen. Jch habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0320" n="282"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">48.<lb/> Der alte Sultan.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden, und hatte alle Zähne verloren, so daß er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Hausthüre, und sprach ‘den alten Sultan schieß ich morgen todt, der ist zu nichts mehr nütze.’ Die Frau, die Mittleid mit dem treuen Thiere hatte, antwortete ‘da er uns so lange Jahr gedient hat, und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.’ ‘Ei was,’ sagte der Mann, ‘du bist nicht recht gescheidt, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm, er kann jetzt abgehen. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.’</p><lb/> <p>Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört, und war traurig daß morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er Abends hinaus in den Wald, und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. ‘Höre, Gevatter,’ sagte der Wolf, ‘sei gutes Muthes, ich will dir aus deiner Noth helfen. Jch habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein </p> </div> </body> </text> </TEI> [282/0320]
48.
Der alte Sultan.
Es hatte ein Bauer einen treuen Hund, der Sultan hieß, der war alt geworden, und hatte alle Zähne verloren, so daß er nichts mehr fest packen konnte. Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Hausthüre, und sprach ‘den alten Sultan schieß ich morgen todt, der ist zu nichts mehr nütze.’ Die Frau, die Mittleid mit dem treuen Thiere hatte, antwortete ‘da er uns so lange Jahr gedient hat, und ehrlich bei uns gehalten, so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben.’ ‘Ei was,’ sagte der Mann, ‘du bist nicht recht gescheidt, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und kein Dieb fürchtet sich vor ihm, er kann jetzt abgehen. Hat er uns gedient, so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt.’
Der arme Hund, der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag, hatte alles mit angehört, und war traurig daß morgen sein letzter Tag sein sollte. Er hatte einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem schlich er Abends hinaus in den Wald, und klagte über das Schicksal, das ihm bevorstände. ‘Höre, Gevatter,’ sagte der Wolf, ‘sei gutes Muthes, ich will dir aus deiner Noth helfen. Jch habe etwas ausgedacht. Morgen in aller Frühe geht dein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |