Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.54. Der Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein. Es waren einmal drei Brüder, die waren immer tiefer in Armuth gerathen, und endlich war die Noth so groß daß sie Hunger leiden mußten, und nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da sprachen sie 'es kann so nicht bleiben, es ist besser wir gehen in die Welt, und suchen unser Glück.' Sie machten sich also auf, und waren schon weite Wege und über viele Grashälmerchen gegangen, aber das Glück war ihnen noch nicht begegnet. Da gelangten sie eines Tags in einen großen Wald, und mitten darin war ein Berg, und als sie näher kamen, so sahen sie daß der Berg ganz von Silber war. Da sprach der älteste 'nun habe ich das gewünschte Glück gefunden, und verlange kein größeres.' Er nahm von dem Silber so viel er nur tragen konnte, kehrte dann um, und gieng wieder nach Haus. Die beiden andern aber sprachen 'wir verlangen vom Glück noch etwas mehr als bloßes Silber,' rührten es nicht an, und giengen weiter. Nachdem sie abermals ein paar Tage gegangen waren, so kamen sie zu einem Berg, der ganz von Gold war. Der zweite Bruder stand, besann sich, und war ungewiß. 'Was soll ich thun?' sprach er, 'soll ich mir von dem Golde so viel nehmen 54. Der Ranzen, das Huͤtlein und das Hoͤrnlein. Es waren einmal drei Bruͤder, die waren immer tiefer in Armuth gerathen, und endlich war die Noth so groß daß sie Hunger leiden mußten, und nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da sprachen sie ‘es kann so nicht bleiben, es ist besser wir gehen in die Welt, und suchen unser Gluͤck.’ Sie machten sich also auf, und waren schon weite Wege und uͤber viele Grashaͤlmerchen gegangen, aber das Gluͤck war ihnen noch nicht begegnet. Da gelangten sie eines Tags in einen großen Wald, und mitten darin war ein Berg, und als sie naͤher kamen, so sahen sie daß der Berg ganz von Silber war. Da sprach der aͤlteste ‘nun habe ich das gewuͤnschte Gluͤck gefunden, und verlange kein groͤßeres.’ Er nahm von dem Silber so viel er nur tragen konnte, kehrte dann um, und gieng wieder nach Haus. Die beiden andern aber sprachen ‘wir verlangen vom Gluͤck noch etwas mehr als bloßes Silber,’ ruͤhrten es nicht an, und giengen weiter. Nachdem sie abermals ein paar Tage gegangen waren, so kamen sie zu einem Berg, der ganz von Gold war. Der zweite Bruder stand, besann sich, und war ungewiß. ‘Was soll ich thun?’ sprach er, ‘soll ich mir von dem Golde so viel nehmen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0356" n="325"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">54.<lb/> Der Ranzen, das Huͤtlein und das Hoͤrnlein.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s waren einmal drei Bruͤder, die waren immer tiefer in Armuth gerathen, und endlich war die Noth so groß daß sie Hunger leiden mußten, und nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da sprachen sie ‘es kann so nicht bleiben, es ist besser wir gehen in die Welt, und suchen unser Gluͤck.’ Sie machten sich also auf, und waren schon weite Wege und uͤber viele Grashaͤlmerchen gegangen, aber das Gluͤck war ihnen noch nicht begegnet. Da gelangten sie eines Tags in einen großen Wald, und mitten darin war ein Berg, und als sie naͤher kamen, so sahen sie daß der Berg ganz von Silber war. Da sprach der aͤlteste ‘nun habe ich das gewuͤnschte Gluͤck gefunden, und verlange kein groͤßeres.’ Er nahm von dem Silber so viel er nur tragen konnte, kehrte dann um, und gieng wieder nach Haus. Die beiden andern aber sprachen ‘wir verlangen vom Gluͤck noch etwas mehr als bloßes Silber,’ ruͤhrten es nicht an, und giengen weiter. Nachdem sie abermals ein paar Tage gegangen waren, so kamen sie zu einem Berg, der ganz von Gold war. Der zweite Bruder stand, besann sich, und war ungewiß. ‘Was soll ich thun?’ sprach er, ‘soll ich mir von dem Golde so viel nehmen </p> </div> </body> </text> </TEI> [325/0356]
54.
Der Ranzen, das Huͤtlein und das Hoͤrnlein.
Es waren einmal drei Bruͤder, die waren immer tiefer in Armuth gerathen, und endlich war die Noth so groß daß sie Hunger leiden mußten, und nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten. Da sprachen sie ‘es kann so nicht bleiben, es ist besser wir gehen in die Welt, und suchen unser Gluͤck.’ Sie machten sich also auf, und waren schon weite Wege und uͤber viele Grashaͤlmerchen gegangen, aber das Gluͤck war ihnen noch nicht begegnet. Da gelangten sie eines Tags in einen großen Wald, und mitten darin war ein Berg, und als sie naͤher kamen, so sahen sie daß der Berg ganz von Silber war. Da sprach der aͤlteste ‘nun habe ich das gewuͤnschte Gluͤck gefunden, und verlange kein groͤßeres.’ Er nahm von dem Silber so viel er nur tragen konnte, kehrte dann um, und gieng wieder nach Haus. Die beiden andern aber sprachen ‘wir verlangen vom Gluͤck noch etwas mehr als bloßes Silber,’ ruͤhrten es nicht an, und giengen weiter. Nachdem sie abermals ein paar Tage gegangen waren, so kamen sie zu einem Berg, der ganz von Gold war. Der zweite Bruder stand, besann sich, und war ungewiß. ‘Was soll ich thun?’ sprach er, ‘soll ich mir von dem Golde so viel nehmen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |