Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.35. Der Schneider im Himmel. Es trug sich zu, daß ein Schneider starb, der lahm war, und deshalb in den Himmel nicht gegangen sondern gehinkt kam. Er klopfte an die Pforte, der heilige Petrus aber, der dabei die Wache hat, wollte nicht gleich aufthun, sondern fragte 'wer ist da?' 'Ein armer ehrlicher Schneider, der um Einlaß bittet.' 'Ja, ehrlich wie der Dieb am Galgen,' sagte der heilige Petrus 'du hast lange Finger gemacht, und den Leuten das Tuch abgezwickt. Geh in die Hölle, wohin du das Gestohlne doch schon geworfen hast, in den Himmel kommst du nicht.' 'Ach, barmherziger Gott!' rief der Schneider, 'ich hinke, und habe von dem Weg daher Blasen an den Füßen, ich kann unmöglich wieder umkehren. Laßt mich doch hineinschlüpfen, ich will gerne hinter dem Ofen sitzen, und die schlechte Arbeit thun. Jch will die kleinen Kinder halten und reinigen, die Windeln waschen, die Bänke, darauf sie gespielt haben abwischen und säubern, ihre zerrissenen Kleider flicken, laßt mich nur ein.' Der heilige Petrus war mitleidig, ließ sich erweichen, und machte dem lahmen Schneiderlein die Himmelspforte so weit auf daß es hinein schlüpfen konnte. 35. Der Schneider im Himmel. Es trug sich zu, daß ein Schneider starb, der lahm war, und deshalb in den Himmel nicht gegangen sondern gehinkt kam. Er klopfte an die Pforte, der heilige Petrus aber, der dabei die Wache hat, wollte nicht gleich aufthun, sondern fragte ‘wer ist da?’ ‘Ein armer ehrlicher Schneider, der um Einlaß bittet.’ ‘Ja, ehrlich wie der Dieb am Galgen,’ sagte der heilige Petrus ‘du hast lange Finger gemacht, und den Leuten das Tuch abgezwickt. Geh in die Hoͤlle, wohin du das Gestohlne doch schon geworfen hast, in den Himmel kommst du nicht.’ ‘Ach, barmherziger Gott!’ rief der Schneider, ‘ich hinke, und habe von dem Weg daher Blasen an den Fuͤßen, ich kann unmoͤglich wieder umkehren. Laßt mich doch hineinschluͤpfen, ich will gerne hinter dem Ofen sitzen, und die schlechte Arbeit thun. Jch will die kleinen Kinder halten und reinigen, die Windeln waschen, die Baͤnke, darauf sie gespielt haben abwischen und saͤubern, ihre zerrissenen Kleider flicken, laßt mich nur ein.’ Der heilige Petrus war mitleidig, ließ sich erweichen, und machte dem lahmen Schneiderlein die Himmelspforte so weit auf daß es hinein schluͤpfen konnte. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0242" n="211"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">35.<lb/> Der Schneider im Himmel.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s trug sich zu, daß ein Schneider starb, der lahm war, und deshalb in den Himmel nicht gegangen sondern gehinkt kam. Er klopfte an die Pforte, der heilige Petrus aber, der dabei die Wache hat, wollte nicht gleich aufthun, sondern fragte ‘wer ist da?’ ‘Ein armer ehrlicher Schneider, der um Einlaß bittet.’ ‘Ja, ehrlich wie der Dieb am Galgen,’ sagte der heilige Petrus ‘du hast lange Finger gemacht, und den Leuten das Tuch abgezwickt. Geh in die Hoͤlle, wohin du das Gestohlne doch schon geworfen hast, in den Himmel kommst du nicht.’ ‘Ach, barmherziger Gott!’ rief der Schneider, ‘ich hinke, und habe von dem Weg daher Blasen an den Fuͤßen, ich kann unmoͤglich wieder umkehren. Laßt mich doch hineinschluͤpfen, ich will gerne hinter dem Ofen sitzen, und die schlechte Arbeit thun. Jch will die kleinen Kinder halten und reinigen, die Windeln waschen, die Baͤnke, darauf sie gespielt haben abwischen und saͤubern, ihre zerrissenen Kleider flicken, laßt mich nur ein.’ Der heilige Petrus war mitleidig, ließ sich erweichen, und machte dem lahmen Schneiderlein die Himmelspforte so weit auf daß es hinein schluͤpfen konnte.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [211/0242]
35.
Der Schneider im Himmel.
Es trug sich zu, daß ein Schneider starb, der lahm war, und deshalb in den Himmel nicht gegangen sondern gehinkt kam. Er klopfte an die Pforte, der heilige Petrus aber, der dabei die Wache hat, wollte nicht gleich aufthun, sondern fragte ‘wer ist da?’ ‘Ein armer ehrlicher Schneider, der um Einlaß bittet.’ ‘Ja, ehrlich wie der Dieb am Galgen,’ sagte der heilige Petrus ‘du hast lange Finger gemacht, und den Leuten das Tuch abgezwickt. Geh in die Hoͤlle, wohin du das Gestohlne doch schon geworfen hast, in den Himmel kommst du nicht.’ ‘Ach, barmherziger Gott!’ rief der Schneider, ‘ich hinke, und habe von dem Weg daher Blasen an den Fuͤßen, ich kann unmoͤglich wieder umkehren. Laßt mich doch hineinschluͤpfen, ich will gerne hinter dem Ofen sitzen, und die schlechte Arbeit thun. Jch will die kleinen Kinder halten und reinigen, die Windeln waschen, die Baͤnke, darauf sie gespielt haben abwischen und saͤubern, ihre zerrissenen Kleider flicken, laßt mich nur ein.’ Der heilige Petrus war mitleidig, ließ sich erweichen, und machte dem lahmen Schneiderlein die Himmelspforte so weit auf daß es hinein schluͤpfen konnte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |