Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.75.
Der Fuchs und die Katze. Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: "guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?" Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: "o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr über hundert Künste!" Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Höhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jäger und der Dachshund spürte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: "ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Künsten stecken geblieben. Hättet ihr herauf kriechen können, wie ich, so wärs nicht um euer Leben geschehen." 75.
Der Fuchs und die Katze. Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: „o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Maͤusejaͤger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr uͤber hundert Kuͤnste!“ Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Hoͤhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jaͤger und der Dachshund spuͤrte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: „ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Kuͤnsten stecken geblieben. Haͤttet ihr herauf kriechen koͤnnen, wie ich, so waͤrs nicht um euer Leben geschehen.“ <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0455" n="391"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">75.<lb/> Der Fuchs und die Katze.</hi> </head><lb/> <p>Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: „o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Maͤusejaͤger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr uͤber hundert Kuͤnste!“ Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Hoͤhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jaͤger und der Dachshund spuͤrte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: „ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Kuͤnsten stecken geblieben. Haͤttet ihr herauf kriechen koͤnnen, wie ich, so waͤrs nicht um euer Leben geschehen.“</p> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [391/0455]
75.
Der Fuchs und die Katze.
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: „o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Maͤusejaͤger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr uͤber hundert Kuͤnste!“ Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Hoͤhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jaͤger und der Dachshund spuͤrte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: „ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Kuͤnsten stecken geblieben. Haͤttet ihr herauf kriechen koͤnnen, wie ich, so waͤrs nicht um euer Leben geschehen.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |