Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: "guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?" Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: "o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Mäusejäger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr über hundert Künste!" Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Höhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jäger und der Dachshund spürte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: "ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Künsten stecken geblieben. Hättet ihr herauf kriechen können, wie ich, so wärs nicht um euer Leben geschehen."
75.
Der Fuchs und die Katze.
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: „o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Maͤusejaͤger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr uͤber hundert Kuͤnste!“ Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Hoͤhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jaͤger und der Dachshund spuͤrte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: „ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Kuͤnsten stecken geblieben. Haͤttet ihr herauf kriechen koͤnnen, wie ich, so waͤrs nicht um euer Leben geschehen.“
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75.
Der Fuchs und die Katze.
Es trug sich zu, daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete, und weil sie dachte, er ist gescheidt und wohl erfahren und gilt viel in der Welt, so sprach sie ihm freundlich zu: „guten Tag, lieber Herr Fuchs, wie stehts? wie gehts? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuern Zeit?“ Der Fuchs, alles Hochmuths voll, sah sie an von Kopf bis zu Fuß und wußte lang nicht, ob er etwas antworten sollte. Endlich sprach er: „o du armer, buntscheckiger Wicht, du Hungerleider und Maͤusejaͤger, was kommt dir in den Sinn! fragst, ob mirs wohl gehe und bin Herr uͤber hundert Kuͤnste!“ Die Katze wollte ihm bescheidentlich antworten, aber in dem Augenblick kam ein Dachshund daher gelaufen. Wie der Fuchs ihn sah, machte er, daß er in seine Hoͤhle kam, die Katze aber sprang behend auf eine Buche und setzte sich in den Gipfel, wo Aeste und Laubwerk sie ganz verbargen. Bald kam der Jaͤger und der Dachshund spuͤrte den Fuchs und packte ihn. Wie die Katze das sah, rief sie ihm hinab: „ei, Herr Fuchs, seyd ihr doch mit euern hundert Kuͤnsten stecken geblieben. Haͤttet ihr herauf kriechen koͤnnen, wie ich, so waͤrs nicht um euer Leben geschehen.“
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Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im
Olms-Verlag erschienenen Ausgabe
(ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/455>, abgerufen am 22.02.2025.
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