Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Kutsche und die sechs Mäuschen zu Pferden. Da stiegen sie in die Kutsche und er küßte sie und brachte sie zu dem König. Seine Brüder kamen auch, die hatten den Dummling so verachtet, daß sie die ersten, besten Bauernweiber genommen und heimgeführt hatten. Da sprach der König: "dem jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod!" Aber die zwei ältesten lärmten von neuem, sprachen, wir könnens nicht zugeben und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen könne, der in dem Saal mitten hing und dachten, die Bauernweiber können das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fräulein springt sich todt. Endlich willigte der König ein. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen. Darauf sprang das schöne Fräulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang ganz leicht durch den Ring und gewann ihm das Reich. Und als der König starb, erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.

64.
Die goldene Gans.

Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling, und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt. Es geschah, daß der älteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schönen, feinen Eierkuchen und eine

zur Kutsche und die sechs Maͤuschen zu Pferden. Da stiegen sie in die Kutsche und er kuͤßte sie und brachte sie zu dem Koͤnig. Seine Bruͤder kamen auch, die hatten den Dummling so verachtet, daß sie die ersten, besten Bauernweiber genommen und heimgefuͤhrt hatten. Da sprach der Koͤnig: „dem juͤngsten gehoͤrt das Reich nach meinem Tod!“ Aber die zwei aͤltesten laͤrmten von neuem, sprachen, wir koͤnnens nicht zugeben und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen koͤnne, der in dem Saal mitten hing und dachten, die Bauernweiber koͤnnen das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fraͤulein springt sich todt. Endlich willigte der Koͤnig ein. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen. Darauf sprang das schoͤne Fraͤulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang ganz leicht durch den Ring und gewann ihm das Reich. Und als der Koͤnig starb, erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.

64.
Die goldene Gans.

Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne, davon hieß der juͤngste der Dummling, und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zuruͤckgesetzt. Es geschah, daß der aͤlteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schoͤnen, feinen Eierkuchen und eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0414" n="350"/>
zur Kutsche und die sechs Ma&#x0364;uschen zu Pferden. Da stiegen sie in die Kutsche und er ku&#x0364;ßte sie und brachte sie zu dem Ko&#x0364;nig. Seine Bru&#x0364;der kamen auch, die hatten den Dummling so verachtet, daß sie die ersten, besten Bauernweiber genommen und heimgefu&#x0364;hrt hatten. Da sprach der Ko&#x0364;nig: &#x201E;dem ju&#x0364;ngsten geho&#x0364;rt das Reich nach meinem Tod!&#x201C; Aber die zwei a&#x0364;ltesten la&#x0364;rmten von neuem, sprachen, wir ko&#x0364;nnens nicht zugeben und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen ko&#x0364;nne, der in dem Saal mitten hing und dachten, die Bauernweiber ko&#x0364;nnen das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fra&#x0364;ulein springt sich todt. Endlich willigte der Ko&#x0364;nig ein. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen. Darauf sprang das scho&#x0364;ne Fra&#x0364;ulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang ganz leicht durch den Ring und gewann ihm das Reich. Und als der Ko&#x0364;nig starb, erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">64.<lb/>
Die goldene Gans.</hi> </head><lb/>
        <p>Es war ein Mann, der hatte drei So&#x0364;hne, davon hieß der ju&#x0364;ngste der <hi rendition="#g">Dummling</hi>, und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zuru&#x0364;ckgesetzt. Es geschah, daß der a&#x0364;lteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen scho&#x0364;nen, feinen Eierkuchen und eine
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0414] zur Kutsche und die sechs Maͤuschen zu Pferden. Da stiegen sie in die Kutsche und er kuͤßte sie und brachte sie zu dem Koͤnig. Seine Bruͤder kamen auch, die hatten den Dummling so verachtet, daß sie die ersten, besten Bauernweiber genommen und heimgefuͤhrt hatten. Da sprach der Koͤnig: „dem juͤngsten gehoͤrt das Reich nach meinem Tod!“ Aber die zwei aͤltesten laͤrmten von neuem, sprachen, wir koͤnnens nicht zugeben und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau durch einen Ring springen koͤnne, der in dem Saal mitten hing und dachten, die Bauernweiber koͤnnen das wohl, die sind stark genug, aber das zarte Fraͤulein springt sich todt. Endlich willigte der Koͤnig ein. Da sprangen die zwei Bauernweiber, sprangen auch durch, waren aber so plump, daß sie fielen und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen. Darauf sprang das schoͤne Fraͤulein, das der Dummling mitgebracht hatte, und sprang ganz leicht durch den Ring und gewann ihm das Reich. Und als der Koͤnig starb, erhielt er die Krone und hat lange in Weisheit geherrscht. 64. Die goldene Gans. Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne, davon hieß der juͤngste der Dummling, und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zuruͤckgesetzt. Es geschah, daß der aͤlteste in den Wald gehen wollte, Holz hauen, und eh er ging, gab ihm noch seine Mutter einen schoͤnen, feinen Eierkuchen und eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/414
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/414>, abgerufen am 21.11.2024.