Kopf, schenk mir doch etwas, das ich darum binde," da thät es seine Mütze ab und gab sie dem Kind. Und als es noch ein bischen ge- gangen war, da kam wieder ein Kind, und hat- te kein Leibchen an, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin, endlich kam es in Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte: es ist dunkele Nacht, da kannst du wohl dein Hemd wegge- ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, hatte es doch eins an, aber vom allerfeinsten Linnen, da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich für sein Lebtag.
84. Die Schwiegermutter.
Es war ein König und eine Königin, die hatte eine bitterböse Schwiegermutter. Einmal zog der König ins Feld, da ließ die alte Köni- gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen Keller einsperren, und ihre zwei Söhnlein zu ihr. Eines Tags nun sprach sie zu sich selbst: ich hätte so Lust das eine von den Kindern zu essen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter-
Kopf, ſchenk mir doch etwas, das ich darum binde,“ da thaͤt es ſeine Muͤtze ab und gab ſie dem Kind. Und als es noch ein bischen ge- gangen war, da kam wieder ein Kind, und hat- te kein Leibchen an, da gab es ihm ſeins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von ſich hin, endlich kam es in Wald, und es war ſchon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Maͤdchen dachte: es iſt dunkele Nacht, da kannſt du wohl dein Hemd wegge- ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich ſein Hemdlein weggegeben, hatte es doch eins an, aber vom allerfeinſten Linnen, da ſammelte es ſich die Thaler hinein und ward reich fuͤr ſein Lebtag.
84. Die Schwiegermutter.
Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die hatte eine bitterboͤſe Schwiegermutter. Einmal zog der Koͤnig ins Feld, da ließ die alte Koͤni- gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen Keller einſperren, und ihre zwei Soͤhnlein zu ihr. Eines Tags nun ſprach ſie zu ſich ſelbſt: ich haͤtte ſo Luſt das eine von den Kindern zu eſſen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter-
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Kopf, ſchenk mir doch etwas, das ich darum
binde,“ da thaͤt es ſeine Muͤtze ab und gab ſie
dem Kind. Und als es noch ein bischen ge-
gangen war, da kam wieder ein Kind, und hat-
te kein Leibchen an, da gab es ihm ſeins; und
noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das
gab es auch von ſich hin, endlich kam es in
Wald, und es war ſchon dunkel geworden, da
kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und
das fromme Maͤdchen dachte: es iſt dunkele
Nacht, da kannſt du wohl dein Hemd wegge-
ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal
die Sterne vom Himmel und waren lauter
harte, blanke Thaler, und ob es gleich ſein
Hemdlein weggegeben, hatte es doch eins an,
aber vom allerfeinſten Linnen, da ſammelte es
ſich die Thaler hinein und ward reich fuͤr ſein
Lebtag.
84.
Die Schwiegermutter.
Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die
hatte eine bitterboͤſe Schwiegermutter. Einmal
zog der Koͤnig ins Feld, da ließ die alte Koͤni-
gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen
Keller einſperren, und ihre zwei Soͤhnlein zu
ihr. Eines Tags nun ſprach ſie zu ſich ſelbſt:
ich haͤtte ſo Luſt das eine von den Kindern zu
eſſen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/417>, abgerufen am 18.12.2024.
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