Ein Schreiner und ein Drechsler sollten ihr Meisterstück machen. Da machte der Schreiner einen Tisch, der konnte von sich selbst schwim- men, der Drechsler Flügel, mit denen man flie- gen konnte. Und alle sagten, daß dem Schrei- ner sein Kunststück besser gelungen wäre, der Drechsler nahm also seine Flügel, that sie an und flog fort aus dem Land, von Morgen bis zu Abend in einem fort.
In dem Land war ein junger Prinz, der sah ihn fliegen, und bat ihn, er möchte ihm doch seine paar Flügel leihen, er wollts ihm gut lohnen. Der Prinz bekam also die Flügel und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet, dabei senkte er sich nieder zur Erde, fragte nach der Ursache und hörte, daß hier die allerschönste Prinzessin der Welt wohnte. Nun wurde er höchst neugierig, und als es Abend wurde, flog er in ein offenes Fenster hinein; wie sie aber nicht lange Zeit beisammen waren, wurde die Sache verrathen, und der Prinz sammt der Prinzessin sollten auf dem Scheiterhaufen sterben.
Der Prinz nahm indessen seine Flügel mit hinauf, und als die Flamme schon zu ihnen
77. Vom Schreiner und Drechsler.
Ein Schreiner und ein Drechsler ſollten ihr Meiſterſtuͤck machen. Da machte der Schreiner einen Tiſch, der konnte von ſich ſelbſt ſchwim- men, der Drechsler Fluͤgel, mit denen man flie- gen konnte. Und alle ſagten, daß dem Schrei- ner ſein Kunſtſtuͤck beſſer gelungen waͤre, der Drechsler nahm alſo ſeine Fluͤgel, that ſie an und flog fort aus dem Land, von Morgen bis zu Abend in einem fort.
In dem Land war ein junger Prinz, der ſah ihn fliegen, und bat ihn, er moͤchte ihm doch ſeine paar Fluͤgel leihen, er wollts ihm gut lohnen. Der Prinz bekam alſo die Fluͤgel und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet, dabei ſenkte er ſich nieder zur Erde, fragte nach der Urſache und hoͤrte, daß hier die allerſchoͤnſte Prinzeſſin der Welt wohnte. Nun wurde er hoͤchſt neugierig, und als es Abend wurde, flog er in ein offenes Fenſter hinein; wie ſie aber nicht lange Zeit beiſammen waren, wurde die Sache verrathen, und der Prinz ſammt der Prinzeſſin ſollten auf dem Scheiterhaufen ſterben.
Der Prinz nahm indeſſen ſeine Fluͤgel mit hinauf, und als die Flamme ſchon zu ihnen
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77.
Vom Schreiner und Drechsler.
Ein Schreiner und ein Drechsler ſollten ihr
Meiſterſtuͤck machen. Da machte der Schreiner
einen Tiſch, der konnte von ſich ſelbſt ſchwim-
men, der Drechsler Fluͤgel, mit denen man flie-
gen konnte. Und alle ſagten, daß dem Schrei-
ner ſein Kunſtſtuͤck beſſer gelungen waͤre, der
Drechsler nahm alſo ſeine Fluͤgel, that ſie an
und flog fort aus dem Land, von Morgen bis
zu Abend in einem fort.
In dem Land war ein junger Prinz, der
ſah ihn fliegen, und bat ihn, er moͤchte ihm
doch ſeine paar Fluͤgel leihen, er wollts ihm
gut lohnen. Der Prinz bekam alſo die Fluͤgel
und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da
war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet,
dabei ſenkte er ſich nieder zur Erde, fragte nach
der Urſache und hoͤrte, daß hier die allerſchoͤnſte
Prinzeſſin der Welt wohnte. Nun wurde er
hoͤchſt neugierig, und als es Abend wurde, flog
er in ein offenes Fenſter hinein; wie ſie aber nicht
lange Zeit beiſammen waren, wurde die Sache
verrathen, und der Prinz ſammt der Prinzeſſin
ſollten auf dem Scheiterhaufen ſterben.
Der Prinz nahm indeſſen ſeine Fluͤgel mit
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/388>, abgerufen am 18.11.2024.
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