Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

1.
Der Froschkönig oder der eiserne
Heinrich
.

Es war einmal eine Königstochter, die ging
hinaus in den Wald und setzte sich an einen
kühlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku-
gel, die war ihr liebstes Spielwerk, die warf
sie in die Höhe und fing sie wieder in der Luft
und hatte ihre Lust daran. Einmal war die
Kugel gar hoch geflogen, sie hatte die Hand
schon ausgestreckt und die Finger gekrümmt, um
sie wieder zufangen, da schlug sie neben vorbei
auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in
das Wasser hinein.

Die Königstochter blickte ihr erschrocken
nach, der Brunnen war aber so tief, daß kein
Grund zu sehen war. Da fing sie an jämmer-
lich zu weinen und zu klagen: "ach! wenn ich
meine Kugel wieder hätte, da wollt' ich alles
darum geben, meine Kleider, meine Edelgesteine,
meine Perlen und was es auf der Welt nur
wär'." Wie sie so klagte, steckte ein Frosch

Kindermärchen. A

1.
Der Froſchkoͤnig oder der eiſerne
Heinrich
.

Es war einmal eine Koͤnigstochter, die ging
hinaus in den Wald und ſetzte ſich an einen
kuͤhlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku-
gel, die war ihr liebſtes Spielwerk, die warf
ſie in die Hoͤhe und fing ſie wieder in der Luft
und hatte ihre Luſt daran. Einmal war die
Kugel gar hoch geflogen, ſie hatte die Hand
ſchon ausgeſtreckt und die Finger gekruͤmmt, um
ſie wieder zufangen, da ſchlug ſie neben vorbei
auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in
das Waſſer hinein.

Die Koͤnigstochter blickte ihr erſchrocken
nach, der Brunnen war aber ſo tief, daß kein
Grund zu ſehen war. Da fing ſie an jaͤmmer-
lich zu weinen und zu klagen: „ach! wenn ich
meine Kugel wieder haͤtte, da wollt' ich alles
darum geben, meine Kleider, meine Edelgeſteine,
meine Perlen und was es auf der Welt nur
waͤr'.“ Wie ſie ſo klagte, ſteckte ein Froſch

Kindermärchen. A
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0035" n="[1]"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head>1.<lb/><hi rendition="#g">Der Fro&#x017F;chko&#x0364;nig</hi> oder <hi rendition="#g">der ei&#x017F;erne<lb/>
Heinrich</hi>.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal eine Ko&#x0364;nigstochter, die ging<lb/>
hinaus in den Wald und &#x017F;etzte &#x017F;ich an einen<lb/>
ku&#x0364;hlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku-<lb/>
gel, die war ihr lieb&#x017F;tes Spielwerk, die warf<lb/>
&#x017F;ie in die Ho&#x0364;he und fing &#x017F;ie wieder in der Luft<lb/>
und hatte ihre Lu&#x017F;t daran. Einmal war die<lb/>
Kugel gar hoch geflogen, &#x017F;ie hatte die Hand<lb/>
&#x017F;chon ausge&#x017F;treckt und die Finger gekru&#x0364;mmt, um<lb/>
&#x017F;ie wieder zufangen, da &#x017F;chlug &#x017F;ie neben vorbei<lb/>
auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in<lb/>
das Wa&#x017F;&#x017F;er hinein.</p><lb/>
        <p>Die Ko&#x0364;nigstochter blickte ihr er&#x017F;chrocken<lb/>
nach, der Brunnen war aber &#x017F;o tief, daß kein<lb/>
Grund zu &#x017F;ehen war. Da fing &#x017F;ie an ja&#x0364;mmer-<lb/>
lich zu weinen und zu klagen: &#x201E;ach! wenn ich<lb/>
meine Kugel wieder ha&#x0364;tte, da wollt' ich alles<lb/>
darum geben, meine Kleider, meine Edelge&#x017F;teine,<lb/>
meine Perlen und was es auf der Welt nur<lb/>
wa&#x0364;r'.&#x201C; Wie &#x017F;ie &#x017F;o klagte, &#x017F;teckte ein Fro&#x017F;ch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Kindermärchen. A</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0035] 1. Der Froſchkoͤnig oder der eiſerne Heinrich. Es war einmal eine Koͤnigstochter, die ging hinaus in den Wald und ſetzte ſich an einen kuͤhlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku- gel, die war ihr liebſtes Spielwerk, die warf ſie in die Hoͤhe und fing ſie wieder in der Luft und hatte ihre Luſt daran. Einmal war die Kugel gar hoch geflogen, ſie hatte die Hand ſchon ausgeſtreckt und die Finger gekruͤmmt, um ſie wieder zufangen, da ſchlug ſie neben vorbei auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in das Waſſer hinein. Die Koͤnigstochter blickte ihr erſchrocken nach, der Brunnen war aber ſo tief, daß kein Grund zu ſehen war. Da fing ſie an jaͤmmer- lich zu weinen und zu klagen: „ach! wenn ich meine Kugel wieder haͤtte, da wollt' ich alles darum geben, meine Kleider, meine Edelgeſteine, meine Perlen und was es auf der Welt nur waͤr'.“ Wie ſie ſo klagte, ſteckte ein Froſch Kindermärchen. A

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/35
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/35>, abgerufen am 18.12.2024.