Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
III. adjectivische eigentliche composition.

4) mit dem insinitiv verbindet sich in den neueren
sprachen gerne der vorausgehende, von ihm regierte ac-
cusativ, zumahl für den substantivischen gebrauch. Wir
sagen nhd.: das athem-holen, luft-schöpfen, wein-trinken,
brot-eßen, theil-nehmen, flachs-spinnen, tag-wählen,
waßer-ziehen u. a. m., wobei aber auch oft eigentliche
composition walten kann (s. 596.). Selten accresciert
wohl auf solche weise der genitiv; statthaft wäre viel-
leicht: das landes-verweisen, nicht aber: das krieges-
fangen.


§. 2. Adjectivische composition (vgl. s. 410.).

Sie zerfällt wiederum in eigentliche und uneigentliche;
allein letztere hat einen ganz beschränkten spielraum und
tritt nur in einzelnen späteren und abnormen fällen ein.
In der regel ist alle adject. zus. setzung eigentlich.

I. adjectivische eigentliche composition.

Einleitung: 1) bindungsmittel ist, wie bei der sub-
stantivischen, der compositionsvocal. Und zwar lautet er
in den ältesten eigennamen wiederum o, von s. 412. ge-
gebnen beispielen gehören hierher: lango-bardi (dem la-
tein näher gebracht: longo-bardi) und vielleicht bucino-
bantes. Ein e (e?) zeigen die erst bei Aurel. Vict. Vo-
piscus u. a. vorkommenden ale-manni. -- Im goth.
herrscht a, nach kurz- und langsilbiger wurzel, vgl. ala-
tharba Luc. 15, 14. fruma-baurs Luc. 2, 7. sama-laud Luc.
6, 34. sama-leiks Luc. 5, 10. arma-hairtei Luc. 1, 50.
fulla-fahjan Marc. 15, 15. fulla-tojis Matth. 5, 48. fulla-
vitans Philipp. 3, 15. jugga-lauths Marc. 14, 51. lausa-
vaurds Tit. 1, 10. (mit der variante lausai-vaurds) galiu-
ga-christjais, galiuga-praufeteis, galiuga-veitvods, silda-
leiks (wenn sich ein adj. silds beweisen läßt). Das ablei-
tende i wird beibehalten: alja-kunja Luc. 17, 18. hrainja-
hairts (homil.) midja-sveipains Luc. 17, 27; das ableitende
u absorbiert den comp. vocal: hardu-hairtei Marc. 10, 5.
Fehlend ist er in folgenden zus. setzungen: all-brunsts
Marc. 12, 33. hauh-hairts Tit. 1, 7. hauh-hairtei Marc. 7,
23. laus-handja Marc. 12, 3. laus-qvithrs Marc. 8, 3. mi-
kil-thuhts Luc. 1, 51. ubil-tojis Joh. 18, 30. -- Ahd. lautet
der comp. vocal gleichfalls a, selten o und erst später
(bei N.) c; er dauert a) nach kurzsilbigen adj. immer;
beispiele: ala-horsc mons. 406. ala-man und viele andere,

III. adjectiviſche eigentliche compoſition.

4) mit dem inſinitiv verbindet ſich in den neueren
ſprachen gerne der vorausgehende, von ihm regierte ac-
cuſativ, zumahl für den ſubſtantiviſchen gebrauch. Wir
ſagen nhd.: das athem-holen, luft-ſchöpfen, wein-trinken,
brot-eßen, theil-nehmen, flachs-ſpinnen, tag-wählen,
waßer-ziehen u. a. m., wobei aber auch oft eigentliche
compoſition walten kann (ſ. 596.). Selten accreſciert
wohl auf ſolche weiſe der genitiv; ſtatthaft wäre viel-
leicht: das landes-verweiſen, nicht aber: das krieges-
fangen.


§. 2. Adjectiviſche compoſition (vgl. ſ. 410.).

Sie zerfällt wiederum in eigentliche und uneigentliche;
allein letztere hat einen ganz beſchränkten ſpielraum und
tritt nur in einzelnen ſpäteren und abnormen fällen ein.
In der regel iſt alle adject. zuſ. ſetzung eigentlich.

I. adjectiviſche eigentliche compoſition.

Einleitung: 1) bindungsmittel iſt, wie bei der ſub-
ſtantiviſchen, der compoſitionsvocal. Und zwar lautet er
in den älteſten eigennamen wiederum o, von ſ. 412. ge-
gebnen beiſpielen gehören hierher: lango-bardi (dem la-
tein näher gebracht: longo-bardi) und vielleicht bucino-
bantes. Ein e (ê?) zeigen die erſt bei Aurel. Vict. Vo-
piſcus u. a. vorkommenden ale-manni. — Im goth.
herrſcht a, nach kurz- und langſilbiger wurzel, vgl. ala-
þarba Luc. 15, 14. fruma-baúrs Luc. 2, 7. ſama-láud Luc.
6, 34. ſama-leiks Luc. 5, 10. arma-haírtei Luc. 1, 50.
fulla-fahjan Marc. 15, 15. fulla-tôjis Matth. 5, 48. fulla-
vitans Philipp. 3, 15. jugga-láuþs Marc. 14, 51. láuſa-
vaúrds Tit. 1, 10. (mit der variante láuſái-vaúrds) galiu-
ga-chriſtjáis, galiuga-praúfêteis, galiuga-veitvôds, ſilda-
leiks (wenn ſich ein adj. ſilds beweiſen läßt). Das ablei-
tende i wird beibehalten: alja-kunja Luc. 17, 18. hráinja-
haírts (homil.) midja-ſveipáins Luc. 17, 27; das ableitende
u abſorbiert den comp. vocal: hardu-haírtei Marc. 10, 5.
Fehlend iſt er in folgenden zuſ. ſetzungen: all-brunſts
Marc. 12, 33. haúh-haírts Tit. 1, 7. haúh-haírtei Marc. 7,
23. láus-handja Marc. 12, 3. láus-qviþrs Marc. 8, 3. mi-
kil-þuhts Luc. 1, 51. ubil-tôjis Joh. 18, 30. — Ahd. lautet
der comp. vocal gleichfalls a, ſelten o und erſt ſpäter
(bei N.) c; er dauert α) nach kurzſilbigen adj. immer;
beiſpiele: ala-horſc monſ. 406. ala-man und viele andere,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0642" n="624"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">adjectivi&#x017F;che eigentliche compo&#x017F;ition.</hi></hi> </fw><lb/>
                <p>4) mit dem <hi rendition="#i">in&#x017F;initiv</hi> verbindet &#x017F;ich in den neueren<lb/>
&#x017F;prachen gerne der vorausgehende, von ihm regierte ac-<lb/>
cu&#x017F;ativ, zumahl für den &#x017F;ub&#x017F;tantivi&#x017F;chen gebrauch. Wir<lb/>
&#x017F;agen nhd.: das athem-holen, luft-&#x017F;chöpfen, wein-trinken,<lb/>
brot-eßen, theil-nehmen, flachs-&#x017F;pinnen, tag-wählen,<lb/>
waßer-ziehen u. a. m., wobei aber auch oft eigentliche<lb/>
compo&#x017F;ition walten kann (&#x017F;. 596.). Selten accre&#x017F;ciert<lb/>
wohl auf &#x017F;olche wei&#x017F;e der genitiv; &#x017F;tatthaft wäre viel-<lb/>
leicht: das landes-verwei&#x017F;en, nicht aber: das krieges-<lb/>
fangen.</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head>§. 2. <hi rendition="#i">Adjectivi&#x017F;che compo&#x017F;ition</hi> (vgl. &#x017F;. 410.).</head><lb/>
            <p>Sie zerfällt wiederum in <hi rendition="#i">eigentliche</hi> und <hi rendition="#i">uneigentliche;</hi><lb/>
allein letztere hat einen ganz be&#x017F;chränkten &#x017F;pielraum und<lb/>
tritt nur in einzelnen &#x017F;päteren und abnormen fällen ein.<lb/>
In der regel i&#x017F;t alle adject. zu&#x017F;. &#x017F;etzung eigentlich.</p><lb/>
            <div n="4">
              <head>I. <hi rendition="#i">adjectivi&#x017F;che eigentliche compo&#x017F;ition.</hi></head><lb/>
              <p><hi rendition="#i">Einleitung:</hi> 1) bindungsmittel i&#x017F;t, wie bei der &#x017F;ub-<lb/>
&#x017F;tantivi&#x017F;chen, der <hi rendition="#i">compo&#x017F;itionsvocal</hi>. Und zwar lautet er<lb/>
in den älte&#x017F;ten eigennamen wiederum <hi rendition="#i">o</hi>, von &#x017F;. 412. ge-<lb/>
gebnen bei&#x017F;pielen gehören hierher: lango-bardi (dem la-<lb/>
tein näher gebracht: longo-bardi) und vielleicht bucino-<lb/>
bantes. Ein <hi rendition="#i">e</hi> (ê?) zeigen die er&#x017F;t bei Aurel. Vict. Vo-<lb/>
pi&#x017F;cus u. a. vorkommenden ale-manni. &#x2014; Im goth.<lb/>
herr&#x017F;cht <hi rendition="#i">a</hi>, nach kurz- und lang&#x017F;ilbiger wurzel, vgl. ala-<lb/>
þarba Luc. 15, 14. fruma-baúrs Luc. 2, 7. &#x017F;ama-láud Luc.<lb/>
6, 34. &#x017F;ama-leiks Luc. 5, 10. arma-haírtei Luc. 1, 50.<lb/>
fulla-fahjan Marc. 15, 15. fulla-tôjis Matth. 5, 48. fulla-<lb/>
vitans Philipp. 3, 15. jugga-láuþs Marc. 14, 51. láu&#x017F;a-<lb/>
vaúrds Tit. 1, 10. (mit der variante láu&#x017F;ái-vaúrds) galiu-<lb/>
ga-chri&#x017F;tjáis, galiuga-praúfêteis, galiuga-veitvôds, &#x017F;ilda-<lb/>
leiks (wenn &#x017F;ich ein adj. &#x017F;ilds bewei&#x017F;en läßt). Das ablei-<lb/>
tende <hi rendition="#i">i</hi> wird beibehalten: alja-kunja Luc. 17, 18. hráinja-<lb/>
haírts (homil.) midja-&#x017F;veipáins Luc. 17, 27; das ableitende<lb/><hi rendition="#i">u</hi> ab&#x017F;orbiert den comp. vocal: hardu-haírtei Marc. 10, 5.<lb/>
Fehlend i&#x017F;t er in folgenden zu&#x017F;. &#x017F;etzungen: all-brun&#x017F;ts<lb/>
Marc. 12, 33. haúh-haírts Tit. 1, 7. haúh-haírtei Marc. 7,<lb/>
23. láus-handja Marc. 12, 3. láus-qviþrs Marc. 8, 3. mi-<lb/>
kil-þuhts Luc. 1, 51. ubil-tôjis Joh. 18, 30. &#x2014; Ahd. lautet<lb/>
der comp. vocal gleichfalls <hi rendition="#i">a</hi>, &#x017F;elten <hi rendition="#i">o</hi> und er&#x017F;t &#x017F;päter<lb/>
(bei N.) <hi rendition="#i">c;</hi> er dauert <hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) nach kurz&#x017F;ilbigen adj. immer;<lb/>
bei&#x017F;piele: ala-hor&#x017F;c mon&#x017F;. 406. ala-man und viele andere,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[624/0642] III. adjectiviſche eigentliche compoſition. 4) mit dem inſinitiv verbindet ſich in den neueren ſprachen gerne der vorausgehende, von ihm regierte ac- cuſativ, zumahl für den ſubſtantiviſchen gebrauch. Wir ſagen nhd.: das athem-holen, luft-ſchöpfen, wein-trinken, brot-eßen, theil-nehmen, flachs-ſpinnen, tag-wählen, waßer-ziehen u. a. m., wobei aber auch oft eigentliche compoſition walten kann (ſ. 596.). Selten accreſciert wohl auf ſolche weiſe der genitiv; ſtatthaft wäre viel- leicht: das landes-verweiſen, nicht aber: das krieges- fangen. §. 2. Adjectiviſche compoſition (vgl. ſ. 410.). Sie zerfällt wiederum in eigentliche und uneigentliche; allein letztere hat einen ganz beſchränkten ſpielraum und tritt nur in einzelnen ſpäteren und abnormen fällen ein. In der regel iſt alle adject. zuſ. ſetzung eigentlich. I. adjectiviſche eigentliche compoſition. Einleitung: 1) bindungsmittel iſt, wie bei der ſub- ſtantiviſchen, der compoſitionsvocal. Und zwar lautet er in den älteſten eigennamen wiederum o, von ſ. 412. ge- gebnen beiſpielen gehören hierher: lango-bardi (dem la- tein näher gebracht: longo-bardi) und vielleicht bucino- bantes. Ein e (ê?) zeigen die erſt bei Aurel. Vict. Vo- piſcus u. a. vorkommenden ale-manni. — Im goth. herrſcht a, nach kurz- und langſilbiger wurzel, vgl. ala- þarba Luc. 15, 14. fruma-baúrs Luc. 2, 7. ſama-láud Luc. 6, 34. ſama-leiks Luc. 5, 10. arma-haírtei Luc. 1, 50. fulla-fahjan Marc. 15, 15. fulla-tôjis Matth. 5, 48. fulla- vitans Philipp. 3, 15. jugga-láuþs Marc. 14, 51. láuſa- vaúrds Tit. 1, 10. (mit der variante láuſái-vaúrds) galiu- ga-chriſtjáis, galiuga-praúfêteis, galiuga-veitvôds, ſilda- leiks (wenn ſich ein adj. ſilds beweiſen läßt). Das ablei- tende i wird beibehalten: alja-kunja Luc. 17, 18. hráinja- haírts (homil.) midja-ſveipáins Luc. 17, 27; das ableitende u abſorbiert den comp. vocal: hardu-haírtei Marc. 10, 5. Fehlend iſt er in folgenden zuſ. ſetzungen: all-brunſts Marc. 12, 33. haúh-haírts Tit. 1, 7. haúh-haírtei Marc. 7, 23. láus-handja Marc. 12, 3. láus-qviþrs Marc. 8, 3. mi- kil-þuhts Luc. 1, 51. ubil-tôjis Joh. 18, 30. — Ahd. lautet der comp. vocal gleichfalls a, ſelten o und erſt ſpäter (bei N.) c; er dauert α) nach kurzſilbigen adj. immer; beiſpiele: ala-horſc monſ. 406. ala-man und viele andere,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/642
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/642>, abgerufen am 21.11.2024.