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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. RN.
ableitungen mit RN.

1) substantiva, meist neutra.

a) masculina; aus dem goth. acc. pl. viduv-airnans
orphanous) Joh. 14, 18. ein subst. viduv-airns oder
viduv-airna zu folgern, ist unsicher, man brauchte
cin bloßes adj. viduv-airns (orbus) anzunehmen?
Masc. scheint mir das ahd. pil-arn (gingiva) pl. pil-arna
(gingivae) mons. 342. (wo die worte tres ordines nicht
das deutsche wort angehen können) flor. 988b, der sg.
pil-ern, pil-ren stehet gl. vind. und trev. 8b, pil-ari (?)
doc. 228b, die heutige oberdeutsche volkssprache hat noch:
bild-ern, bilg-ern, bill-er, vgl. Frisch 1, 97a Stald. 1, 171.
Fischart pill-er-lein Garg. mihi 46a 112a. Ferner ahd.
zuit-arn (hermaphroditus, spurius) jun. 228. doc. 220a, nhd.
zwitt-er, in mundarten aber zwid-arn, zwied-orn, zwied-
arm. Da in der ersten hälfte des wortes offenbar zui-
(lat. bi-) steckt und das folgende t schwer zu deuten ist,
so fragt sich, ob nicht statt zuit-arn ein compos. zui-tarn
anzunehmen sei? das mir jedoch ebenfalls dunkel bleibt.
Das altn. tvei-toli (hermaphroditus) dän. tve-tulle ist in
der that mit tol (instrumentum) ags. tol, engl. tool zu-
sammengesetzt, doch kann in dem hochd. ausdrucke
nicht dasselbe wort liegen, da sonst z stehen müste. Zeiz-
arn, ein eigenname bei Neugart kann auch mit arn
(aquila) componiert sein. Auf -orn weiß ich nur ah-
orn (platanus) trev. 17a blas. 52a, das lat. acer; in andorn
marrubium) blas. 56a jun. 330. lindebr. 997b depandorn
(rhamnus) hrab. 973a steckt dorn?

b) feminina, das ahd. diorna, (puerpera) jun. 246.
traga-diorna (gerula) jun. 208. thiorna (virgo) O. dierena
(puella) W. 6, 5, 8. scheint aus dem einfachen diu, thiu
(ancilla) T. 3, 9. O. I. 5, 129. fortgebildet und eigentlich:
deiuw-arna, dio-arna *). Gleichergestalt erwuchs aus dem
altn. thy (mancipium, ancilla prolifera) therna (famula)
schwed. tärna, dän. tärne. Die bedeutungen virgo, an-
cilla fließen in diesem und ähnlichen wörtern (z. b. ma-
gad) untereinander. Bald wurde die form durch elision
des vocals weiter verkürzt, schon trev. 10a blas. 24a dirna
(puella) und mhd. reimt dirne: gestirne; doch stehet Parc.
62b dieren; mnl. dieren Rein. 1875. Die Angelsachsen
haben in dem worte nicht die ableitung -rn, sondern -n:

*) dionon, mhd. dienen (servire) ist verkürzt aus diuw-inon;
dionust, dienest aus diuw-inust. Ags. theovjan, theovode (servire)
ohne ableitendes -n; das wäre ahd. diuwon.
III. conſonantiſche ableitungen. RN.
ableitungen mit RN.

1) ſubſtantiva, meiſt neutra.

α) maſculina; aus dem goth. acc. pl. viduv-aírnans
ὀρφανούς) Joh. 14, 18. ein ſubſt. viduv-aírns oder
viduv-aírna zu folgern, iſt unſicher, man brauchte
cin bloßes adj. viduv-aírns (orbus) anzunehmen?
Maſc. ſcheint mir das ahd. pil-arn (gingiva) pl. pil-arnâ
(gingivae) monſ. 342. (wo die worte tres ordines nicht
das deutſche wort angehen können) flor. 988b, der ſg.
pil-ern, pil-ren ſtehet gl. vind. und trev. 8b, pil-ari (?)
doc. 228b, die heutige oberdeutſche volksſprache hat noch:
bild-ern, bilg-ern, bill-er, vgl. Friſch 1, 97a Stald. 1, 171.
Fiſchart pill-er-lein Garg. mihi 46a 112a. Ferner ahd.
zuit-arn (hermaphroditus, ſpurius) jun. 228. doc. 220a, nhd.
zwitt-er, in mundarten aber zwid-arn, zwied-orn, zwied-
arm. Da in der erſten hälfte des wortes offenbar zui-
(lat. bi-) ſteckt und das folgende t ſchwer zu deuten iſt,
ſo fragt ſich, ob nicht ſtatt zuit-arn ein compoſ. zui-tarn
anzunehmen ſei? das mir jedoch ebenfalls dunkel bleibt.
Das altn. tvî-tôli (hermaphroditus) dän. tve-tulle iſt in
der that mit tôl (inſtrumentum) agſ. tôl, engl. tool zu-
ſammengeſetzt, doch kann in dem hochd. ausdrucke
nicht daſſelbe wort liegen, da ſonſt z ſtehen müſte. Zeiz-
arn, ein eigenname bei Neugart kann auch mit arn
(aquila) componiert ſein. Auf -orn weiß ich nur ah-
orn (platanus) trev. 17a blaſ. 52a, das lat. acer; in andorn
marrubium) blaſ. 56a jun. 330. lindebr. 997b depandorn
(rhamnus) hrab. 973a ſteckt dorn?

β) feminina, das ahd. diorna, (puerpera) jun. 246.
traga-diorna (gerula) jun. 208. thiorna (virgo) O. dierena
(puella) W. 6, 5, 8. ſcheint aus dem einfachen diu, thiu
(ancilla) T. 3, 9. O. I. 5, 129. fortgebildet und eigentlich:
dîuw-arna, dio-arna *). Gleichergeſtalt erwuchs aus dem
altn. þŷ (mancipium, ancilla prolifera) þërna (famula)
ſchwed. tärna, dän. tärne. Die bedeutungen virgo, an-
cilla fließen in dieſem und ähnlichen wörtern (z. b. ma-
gad) untereinander. Bald wurde die form durch eliſion
des vocals weiter verkürzt, ſchon trev. 10a blaſ. 24a dirna
(puella) und mhd. reimt dirne: geſtirne; doch ſtehet Parc.
62b dieren; mnl. dieren Rein. 1875. Die Angelſachſen
haben in dem worte nicht die ableitung -rn, ſondern -n:

*) dionôn, mhd. dienen (ſervire) iſt verkürzt aus diuw-inôn;
dionuſt, dieneſt aus diuw-inuſt. Agſ. þëóvjan, þëóvôde (ſervire)
ohne ableitendes -n; das wäre ahd. diuwôn.
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[336/0354] III. conſonantiſche ableitungen. RN. ableitungen mit RN. 1) ſubſtantiva, meiſt neutra. α) maſculina; aus dem goth. acc. pl. viduv-aírnans ὀρφανούς) Joh. 14, 18. ein ſubſt. viduv-aírns oder viduv-aírna zu folgern, iſt unſicher, man brauchte cin bloßes adj. viduv-aírns (orbus) anzunehmen? Maſc. ſcheint mir das ahd. pil-arn (gingiva) pl. pil-arnâ (gingivae) monſ. 342. (wo die worte tres ordines nicht das deutſche wort angehen können) flor. 988b, der ſg. pil-ern, pil-ren ſtehet gl. vind. und trev. 8b, pil-ari (?) doc. 228b, die heutige oberdeutſche volksſprache hat noch: bild-ern, bilg-ern, bill-er, vgl. Friſch 1, 97a Stald. 1, 171. Fiſchart pill-er-lein Garg. mihi 46a 112a. Ferner ahd. zuit-arn (hermaphroditus, ſpurius) jun. 228. doc. 220a, nhd. zwitt-er, in mundarten aber zwid-arn, zwied-orn, zwied- arm. Da in der erſten hälfte des wortes offenbar zui- (lat. bi-) ſteckt und das folgende t ſchwer zu deuten iſt, ſo fragt ſich, ob nicht ſtatt zuit-arn ein compoſ. zui-tarn anzunehmen ſei? das mir jedoch ebenfalls dunkel bleibt. Das altn. tvî-tôli (hermaphroditus) dän. tve-tulle iſt in der that mit tôl (inſtrumentum) agſ. tôl, engl. tool zu- ſammengeſetzt, doch kann in dem hochd. ausdrucke nicht daſſelbe wort liegen, da ſonſt z ſtehen müſte. Zeiz- arn, ein eigenname bei Neugart kann auch mit arn (aquila) componiert ſein. Auf -orn weiß ich nur ah- orn (platanus) trev. 17a blaſ. 52a, das lat. acer; in andorn marrubium) blaſ. 56a jun. 330. lindebr. 997b depandorn (rhamnus) hrab. 973a ſteckt dorn? β) feminina, das ahd. diorna, (puerpera) jun. 246. traga-diorna (gerula) jun. 208. thiorna (virgo) O. dierena (puella) W. 6, 5, 8. ſcheint aus dem einfachen diu, thiu (ancilla) T. 3, 9. O. I. 5, 129. fortgebildet und eigentlich: dîuw-arna, dio-arna *). Gleichergeſtalt erwuchs aus dem altn. þŷ (mancipium, ancilla prolifera) þërna (famula) ſchwed. tärna, dän. tärne. Die bedeutungen virgo, an- cilla fließen in dieſem und ähnlichen wörtern (z. b. ma- gad) untereinander. Bald wurde die form durch eliſion des vocals weiter verkürzt, ſchon trev. 10a blaſ. 24a dirna (puella) und mhd. reimt dirne: geſtirne; doch ſtehet Parc. 62b dieren; mnl. dieren Rein. 1875. Die Angelſachſen haben in dem worte nicht die ableitung -rn, ſondern -n: *) dionôn, mhd. dienen (ſervire) iſt verkürzt aus diuw-inôn; dionuſt, dieneſt aus diuw-inuſt. Agſ. þëóvjan, þëóvôde (ſervire) ohne ableitendes -n; das wäre ahd. diuwôn.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/354>, abgerufen am 21.11.2024.