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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. consonantische ableitungen. RR. NN.
vernaculus, dili-burro jun. 230); so erklärt sich auch
kilst-irro (tributarius) jun. 229. aus kilst-irjo, kelst-arjo,
vgl. ler-arra (doctores) N. 50, 10. kejiht-erra (martyres)
N. 43, 13. und die mhd. -irre (oben s. 142). Nicht an-
ders die schw. fem. chilp-urra (agna) jun. 193. kilb-irra
blas. 63a aus chilp-urja, kilb-irja; zimp-irra, zimb-irra
(structura) K. 25b N. 101, 17. aus zimp-arja. Zum be-
weis kommt auch die ungeminierende form vor: chilp-
ira zwetl. 111a trev. 10b. Zaturra (meretrix) jun. 225.
nehme ich nicht zat-urra, sondern za-turra = za-turja,
d. h. die za turi, an der thüre sitzt, wie man prostibu-
lum deutete aus ante stabulum; das r ist also wie in purro
wurzelhaft. Wie ist aber chuburra (ratis) jun. 224. zu
verstehen? ich lese es nur an der einen stelle; mehrmabls
chumbirra, chumbarra, chumberra (tribus) jun. 228. N.
67, 28. 71, 17. 85, 16. 107, 8. 121, 4. p. 261b, 9. und zwar
scheint es an einigen dieser stellen als stark. masc. pl. ge-
braucht. Berührt es sich mit dem ags. cumbol (signum
militare) woneben auch cumbor gilt, und setzt es ein
ahd. chumpar (signum, tessera) voraus? Dann könnte
chumparra f. chumparja stehen und distinctio agminum
secundum vexilla, hernach agmen, tribus ausdrücken,
vgl. altn. kuml (cumulus) her-kuml (insigne militum).
Oder wäre es componiert aus chun-burra mit verwand-
lung des n in m durch die folgende labialis? vgl. alts.
kuni-burd (genus, familia).


ableitungen mit NN,

scheinen wiederum unorganisch, im goth. und ags. uner-
hört, haben sich aber im ahd. mhd. ziemlich verbreitet.
Es sind lauter starke feminina, theils auf -unna, theils
-inna (keins auf -anna, bil-anna, gingiva, Hag. denkm.
p. 35. ist zu berichtigen in bil-arna). Von der form
-unna kenne ich nur folgende beispiele; lung-unna (pul-
mo? oder pneumonia, lungensucht?) jun. 221. (gen.);
mist-unnea (sterquilinium) hrab. 975a; pirt-unna (eulo-
gium) mons. 402. (nom. pl.) verdächtig und wohl ver-
derbt; scrund-unna (rima) doc. 234a (gen. pl.) *) wofür
mons. scrunt-ussa haben. Es ist schwer von diesen bil-

*) die form scrundunno (rimarum) f. scrundunnono ist wohl
nicht zu verwerfen, sondern überrest der organ. starken gen. pl.
Auch in den niederd. psalm. 67, 26. timparinno (tympanistarum).

III. conſonantiſche ableitungen. RR. NN.
vernaculus, dili-burro jun. 230); ſo erklärt ſich auch
kilſt-irro (tributarius) jun. 229. aus kilſt-irjo, këlſt-arjo,
vgl. lêr-arrâ (doctores) N. 50, 10. kejiht-errâ (martyres)
N. 43, 13. und die mhd. -irre (oben ſ. 142). Nicht an-
ders die ſchw. fem. chilp-urra (agna) jun. 193. kilb-irra
blaſ. 63a aus chilp-urja, kilb-irja; zimp-irra, zimb-irra
(ſtructura) K. 25b N. 101, 17. aus zimp-arja. Zum be-
weis kommt auch die ungeminierende form vor: chilp-
ira zwetl. 111a trev. 10b. Zaturra (meretrix) jun. 225.
nehme ich nicht zat-urra, ſondern za-turra = za-turja,
d. h. die za turi, an der thüre ſitzt, wie man proſtibu-
lum deutete aus ante ſtabulum; das r iſt alſo wie in purro
wurzelhaft. Wie iſt aber chuburra (ratis) jun. 224. zu
verſtehen? ich leſe es nur an der einen ſtelle; mehrmabls
chumbirra, chumbarra, chumberra (tribus) jun. 228. N.
67, 28. 71, 17. 85, 16. 107, 8. 121, 4. p. 261b, 9. und zwar
ſcheint es an einigen dieſer ſtellen als ſtark. maſc. pl. ge-
braucht. Berührt es ſich mit dem agſ. cumbol (ſignum
militare) woneben auch cumbor gilt, und ſetzt es ein
ahd. chumpar (ſignum, teſſera) voraus? Dann könnte
chumparra f. chumparja ſtehen und diſtinctio agminum
ſecundum vexilla, hernach agmen, tribus ausdrücken,
vgl. altn. kuml (cumulus) her-kuml (inſigne militum).
Oder wäre es componiert aus chun-burra mit verwand-
lung des n in m durch die folgende labialis? vgl. altſ.
kuni-burd (genus, familia).


ableitungen mit NN,

ſcheinen wiederum unorganiſch, im goth. und agſ. uner-
hört, haben ſich aber im ahd. mhd. ziemlich verbreitet.
Es ſind lauter ſtarke feminina, theils auf -unna, theils
-inna (keins auf -anna, bil-anna, gingiva, Hag. denkm.
p. 35. iſt zu berichtigen in bil-arna). Von der form
-unna kenne ich nur folgende beiſpiele; lung-unna (pul-
mo? oder pneumonia, lungenſucht?) jun. 221. (gen.);
miſt-unnëa (ſterquilinium) hrab. 975a; pirt-unna (eulo-
gium) monſ. 402. (nom. pl.) verdächtig und wohl ver-
derbt; ſcrund-unna (rima) doc. 234a (gen. pl.) *) wofür
monſ. ſcrunt-uſſa haben. Es iſt ſchwer von dieſen bil-

*) die form ſcrundunnô (rimarum) f. ſcrundunnônô iſt wohl
nicht zu verwerfen, ſondern überreſt der organ. ſtarken gen. pl.
Auch in den níederd. pſalm. 67, 26. timparinnô (tympaniſtarum).
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[318/0336] III. conſonantiſche ableitungen. RR. NN. vernaculus, dili-burro jun. 230); ſo erklärt ſich auch kilſt-irro (tributarius) jun. 229. aus kilſt-irjo, këlſt-arjo, vgl. lêr-arrâ (doctores) N. 50, 10. kejiht-errâ (martyres) N. 43, 13. und die mhd. -irre (oben ſ. 142). Nicht an- ders die ſchw. fem. chilp-urra (agna) jun. 193. kilb-irra blaſ. 63a aus chilp-urja, kilb-irja; zimp-irra, zimb-irra (ſtructura) K. 25b N. 101, 17. aus zimp-arja. Zum be- weis kommt auch die ungeminierende form vor: chilp- ira zwetl. 111a trev. 10b. Zaturra (meretrix) jun. 225. nehme ich nicht zat-urra, ſondern za-turra = za-turja, d. h. die za turi, an der thüre ſitzt, wie man proſtibu- lum deutete aus ante ſtabulum; das r iſt alſo wie in purro wurzelhaft. Wie iſt aber chuburra (ratis) jun. 224. zu verſtehen? ich leſe es nur an der einen ſtelle; mehrmabls chumbirra, chumbarra, chumberra (tribus) jun. 228. N. 67, 28. 71, 17. 85, 16. 107, 8. 121, 4. p. 261b, 9. und zwar ſcheint es an einigen dieſer ſtellen als ſtark. maſc. pl. ge- braucht. Berührt es ſich mit dem agſ. cumbol (ſignum militare) woneben auch cumbor gilt, und ſetzt es ein ahd. chumpar (ſignum, teſſera) voraus? Dann könnte chumparra f. chumparja ſtehen und diſtinctio agminum ſecundum vexilla, hernach agmen, tribus ausdrücken, vgl. altn. kuml (cumulus) her-kuml (inſigne militum). Oder wäre es componiert aus chun-burra mit verwand- lung des n in m durch die folgende labialis? vgl. altſ. kuni-burd (genus, familia). ableitungen mit NN, ſcheinen wiederum unorganiſch, im goth. und agſ. uner- hört, haben ſich aber im ahd. mhd. ziemlich verbreitet. Es ſind lauter ſtarke feminina, theils auf -unna, theils -inna (keins auf -anna, bil-anna, gingiva, Hag. denkm. p. 35. iſt zu berichtigen in bil-arna). Von der form -unna kenne ich nur folgende beiſpiele; lung-unna (pul- mo? oder pneumonia, lungenſucht?) jun. 221. (gen.); miſt-unnëa (ſterquilinium) hrab. 975a; pirt-unna (eulo- gium) monſ. 402. (nom. pl.) verdächtig und wohl ver- derbt; ſcrund-unna (rima) doc. 234a (gen. pl.) *) wofür monſ. ſcrunt-uſſa haben. Es iſt ſchwer von dieſen bil- *) die form ſcrundunnô (rimarum) f. ſcrundunnônô iſt wohl nicht zu verwerfen, ſondern überreſt der organ. ſtarken gen. pl. Auch in den níederd. pſalm. 67, 26. timparinnô (tympaniſtarum).

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/336>, abgerufen am 21.11.2024.