Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
III. consonantische ableitungen. S.
ableitungen mit S.

Das goth. s geht inlautend über in z: hatis, hatiza; dihs,
dihzam; airzis; doch bleibt auch s: ahs, ahsa; vahsjan;
thaursus; für die ableitung beide gleichviel. In den übri-
gen dialecten hat sich -s häufig in -r geschwächt, wel-
ches -r ich von der organ. liquida (oben s. 121-144.)
sorgsam trenne. Diese verwandlung des s der ableitung
(von dem der wurzel ist hier keine rede) kann eigentlich
nur eintreten, wenn der ableitungsvocal haftet *), also meist
nach i, kaum nach a, welches gewöhnlich schon ausgefallen
ist, von -r (= s) nach u (das dadurch o werden würde)
kenne ich kein beispiel (doch s. lepora). Ausnahme macht
das -s nach organischem r der wurzel, hier fehlt der ab-
leitende vocal und dennoch wandelt es sich in r, d. h.
das goth. r-s wird zu r-r assimiliert. Allein jene schwä-
chung ist auch nach vocalen nicht allenthalben nothwen-
dig, sondern in vielen fällen verbleibt die spirans noch
den späteren dialecten. Nhd. wird -s nach r in mehre-
ren wörtern zu sch. Altn. fällt das n vor s aus, wenn
der ableitungsvocal a war (gas, as = ganas, anas), nicht,
wenn er i war (hoens = honis). Ebenso ags. -- Ablei-
tungsvocale sind dabei: a, i, u, o.

[AS] nur im goth. und ahd., doch selten **), taucht
der vocal vor; in allen übrigen mundarten ist er ganz
verwischt. Gewöhnlich stößt -s an liquida oder h der wur-
zel (l-s, m-s, n-s, r-s, h-s), zuweilen an p, t, k, nie
an b, d, th, g, v, s. Ableitendes -s nach wurzelvoca-
len darf bloß angenommen werden, wo die spirans h
oder die liquida n ausgefallen ist, z. b. altn. lio-s (lux, f.
lioh-s) vgl. 1, 318. ahd. mi-st (stercus) ags. go-s altn.
ga-s (ahd. kan-s), wiewohl verschiedene der von mir
aufgestellten altn. -as, -eis, denen kein ahd. -ans, -ins zur
seite steht, nähere prüfung sordern.

1) substantiva,

a) starke masculina
goth, am-s (humerus) vielleicht auch am-sa schwach, da
nur der acc. pl. am-sans vorkommt; an-s (trabs), pl.
vermuthl. an-zos zum unterschied vom folgenden; an-s
(heros, divus) pl. an-zeis? gefolgert aus Jornandes: Gothi

*) natürlich, ist sie einmahl eingetreten, so besteht das -r,
wenn gleich nachher der ableitungsvocal weggeworfen wird.
**) goth. hlaiv-asna; ahd. ah-ar; dram-afa; op-asa; aß-asi;
doch vgl. ags. ef-ese, engl. eav-es.
III. conſonantiſche ableitungen. S.
ableitungen mit S.

Das goth. s geht inlautend über in z: hatis, hatiza; dihs,
dihzam; aírzis; doch bleibt auch s: ahs, ahſa; vahſjan;
þaúrſus; für die ableitung beide gleichviel. In den übri-
gen dialecten hat ſich -s häufig in -r geſchwächt, wel-
ches -r ich von der organ. liquida (oben ſ. 121-144.)
ſorgſam trenne. Dieſe verwandlung des s der ableitung
(von dem der wurzel iſt hier keine rede) kann eigentlich
nur eintreten, wenn der ableitungsvocal haftet *), alſo meiſt
nach i, kaum nach a, welches gewöhnlich ſchon ausgefallen
iſt, von -r (= ſ) nach u (das dadurch o werden würde)
kenne ich kein beiſpiel (doch ſ. lepora). Ausnahme macht
das -s nach organiſchem r der wurzel, hier fehlt der ab-
leitende vocal und dennoch wandelt es ſich in r, d. h.
das goth. r-s wird zu r-r aſſimiliert. Allein jene ſchwä-
chung iſt auch nach vocalen nicht allenthalben nothwen-
dig, ſondern in vielen fällen verbleibt die ſpirans noch
den ſpäteren dialecten. Nhd. wird -s nach r in mehre-
ren wörtern zu ſch. Altn. fällt das n vor s aus, wenn
der ableitungsvocal a war (gâs, âs = ganas, anas), nicht,
wenn er i war (hœns = hônis). Ebenſo agſ. — Ablei-
tungsvocale ſind dabei: a, i, u, ô.

[AS] nur im goth. und ahd., doch ſelten **), taucht
der vocal vor; in allen übrigen mundarten iſt er ganz
verwiſcht. Gewöhnlich ſtößt -s an liquida oder h der wur-
zel (l-s, m-s, n-s, r-s, h-s), zuweilen an p, t, k, nie
an b, d, þ, g, v, ſ. Ableitendes -s nach wurzelvoca-
len darf bloß angenommen werden, wo die ſpirans h
oder die liquida n ausgefallen iſt, z. b. altn. lió-s (lux, f.
lióh-s) vgl. 1, 318. ahd. mi-ſt (ſtercus) agſ. gô-s altn.
gâ-s (ahd. kan-s), wiewohl verſchiedene der von mir
aufgeſtellten altn. -âs, -îs, denen kein ahd. -ans, -ins zur
ſeite ſteht, nähere prüfung ſordern.

1) ſubſtantiva,

α) ſtarke maſculina
goth, am-s (humerus) vielleicht auch am-ſa ſchwach, da
nur der acc. pl. am-ſans vorkommt; an-s (trabs), pl.
vermuthl. an-zôs zum unterſchied vom folgenden; an-s
(heros, divus) pl. an-zeis? gefolgert aus Jornandes: Gothi

*) natürlich, iſt ſie einmahl eingetreten, ſo beſteht das -r,
wenn gleich nachher der ableitungsvocal weggeworfen wird.
**) goth. hláiv-aſna; ahd. ah-ar; dram-afa; op-aſa; aƷ-aſi;
doch vgl. agſ. ef-eſe, engl. eav-es.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0281" n="263"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. S.</hi></hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">ableitungen mit S.</hi> </head><lb/>
              <p>Das goth. s geht inlautend über in z: hatis, hatiza; dihs,<lb/>
dihzam; aírzis; doch bleibt auch s: ahs, ah&#x017F;a; vah&#x017F;jan;<lb/>
þaúr&#x017F;us; für die ableitung beide gleichviel. In den übri-<lb/>
gen dialecten hat &#x017F;ich -s häufig in -r ge&#x017F;chwächt, wel-<lb/>
ches -r ich von der organ. liquida (oben &#x017F;. 121-144.)<lb/>
&#x017F;org&#x017F;am trenne. Die&#x017F;e verwandlung des s der ableitung<lb/>
(von dem der wurzel i&#x017F;t hier keine rede) <hi rendition="#i">kann</hi> eigentlich<lb/>
nur eintreten, wenn der ableitungsvocal haftet <note place="foot" n="*)">natürlich, i&#x017F;t &#x017F;ie einmahl eingetreten, &#x017F;o be&#x017F;teht das -r,<lb/>
wenn gleich <hi rendition="#i">nachher</hi> der ableitungsvocal weggeworfen wird.</note>, al&#x017F;o mei&#x017F;t<lb/>
nach i, kaum nach a, welches gewöhnlich &#x017F;chon ausgefallen<lb/>
i&#x017F;t, von -r (= &#x017F;) nach u (das dadurch o werden würde)<lb/>
kenne ich kein bei&#x017F;piel (doch &#x017F;. lepora). Ausnahme macht<lb/>
das -s nach organi&#x017F;chem r der wurzel, hier fehlt der ab-<lb/>
leitende vocal und dennoch wandelt es &#x017F;ich in r, d. h.<lb/>
das goth. r-s wird zu r-r a&#x017F;&#x017F;imiliert. Allein jene &#x017F;chwä-<lb/>
chung i&#x017F;t auch nach vocalen nicht allenthalben nothwen-<lb/>
dig, &#x017F;ondern in vielen fällen verbleibt die &#x017F;pirans noch<lb/>
den &#x017F;päteren dialecten. Nhd. wird -s nach r in mehre-<lb/>
ren wörtern zu &#x017F;ch. Altn. fällt das n vor s aus, wenn<lb/>
der ableitungsvocal a war (gâs, âs = ganas, anas), nicht,<lb/>
wenn er i war (h&#x0153;ns = hônis). Eben&#x017F;o ag&#x017F;. &#x2014; Ablei-<lb/>
tungsvocale &#x017F;ind dabei: a, i, u, ô.</p><lb/>
              <p>[AS] nur im goth. und ahd., doch &#x017F;elten <note place="foot" n="**)">goth. hláiv-a&#x017F;na; ahd. ah-ar; dram-afa; op-a&#x017F;a; a&#x01B7;-a&#x017F;i;<lb/>
doch vgl. ag&#x017F;. ef-e&#x017F;e, engl. eav-es.</note>, taucht<lb/>
der vocal vor; in allen übrigen mundarten i&#x017F;t er ganz<lb/>
verwi&#x017F;cht. Gewöhnlich &#x017F;tößt -s an liquida oder h der wur-<lb/>
zel (l-s, m-s, n-s, r-s, h-s), zuweilen an p, t, k, nie<lb/>
an b, d, þ, g, v, &#x017F;. Ableitendes -s nach wurzelvoca-<lb/>
len darf bloß angenommen werden, wo die &#x017F;pirans h<lb/>
oder die liquida n ausgefallen i&#x017F;t, z. b. altn. lió-s (lux, f.<lb/>
lióh-s) vgl. 1, 318. ahd. mi-&#x017F;t (&#x017F;tercus) ag&#x017F;. gô-s altn.<lb/>
gâ-s (ahd. kan-s), wiewohl ver&#x017F;chiedene der von mir<lb/>
aufge&#x017F;tellten altn. -âs, -îs, denen kein ahd. -ans, -ins zur<lb/>
&#x017F;eite &#x017F;teht, nähere prüfung &#x017F;ordern.</p><lb/>
              <p>1) <hi rendition="#i">&#x017F;ub&#x017F;tantiva</hi>,</p><lb/>
              <p><hi rendition="#i">&#x03B1;</hi>) <hi rendition="#i">&#x017F;tarke ma&#x017F;culina</hi><lb/>
goth, am-s (humerus) vielleicht auch am-&#x017F;a &#x017F;chwach, da<lb/>
nur der acc. pl. am-&#x017F;ans vorkommt; an-s (trabs), pl.<lb/>
vermuthl. an-zôs zum unter&#x017F;chied vom folgenden; an-s<lb/>
(heros, divus) pl. an-zeis? gefolgert aus Jornandes: Gothi<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0281] III. conſonantiſche ableitungen. S. ableitungen mit S. Das goth. s geht inlautend über in z: hatis, hatiza; dihs, dihzam; aírzis; doch bleibt auch s: ahs, ahſa; vahſjan; þaúrſus; für die ableitung beide gleichviel. In den übri- gen dialecten hat ſich -s häufig in -r geſchwächt, wel- ches -r ich von der organ. liquida (oben ſ. 121-144.) ſorgſam trenne. Dieſe verwandlung des s der ableitung (von dem der wurzel iſt hier keine rede) kann eigentlich nur eintreten, wenn der ableitungsvocal haftet *), alſo meiſt nach i, kaum nach a, welches gewöhnlich ſchon ausgefallen iſt, von -r (= ſ) nach u (das dadurch o werden würde) kenne ich kein beiſpiel (doch ſ. lepora). Ausnahme macht das -s nach organiſchem r der wurzel, hier fehlt der ab- leitende vocal und dennoch wandelt es ſich in r, d. h. das goth. r-s wird zu r-r aſſimiliert. Allein jene ſchwä- chung iſt auch nach vocalen nicht allenthalben nothwen- dig, ſondern in vielen fällen verbleibt die ſpirans noch den ſpäteren dialecten. Nhd. wird -s nach r in mehre- ren wörtern zu ſch. Altn. fällt das n vor s aus, wenn der ableitungsvocal a war (gâs, âs = ganas, anas), nicht, wenn er i war (hœns = hônis). Ebenſo agſ. — Ablei- tungsvocale ſind dabei: a, i, u, ô. [AS] nur im goth. und ahd., doch ſelten **), taucht der vocal vor; in allen übrigen mundarten iſt er ganz verwiſcht. Gewöhnlich ſtößt -s an liquida oder h der wur- zel (l-s, m-s, n-s, r-s, h-s), zuweilen an p, t, k, nie an b, d, þ, g, v, ſ. Ableitendes -s nach wurzelvoca- len darf bloß angenommen werden, wo die ſpirans h oder die liquida n ausgefallen iſt, z. b. altn. lió-s (lux, f. lióh-s) vgl. 1, 318. ahd. mi-ſt (ſtercus) agſ. gô-s altn. gâ-s (ahd. kan-s), wiewohl verſchiedene der von mir aufgeſtellten altn. -âs, -îs, denen kein ahd. -ans, -ins zur ſeite ſteht, nähere prüfung ſordern. 1) ſubſtantiva, α) ſtarke maſculina goth, am-s (humerus) vielleicht auch am-ſa ſchwach, da nur der acc. pl. am-ſans vorkommt; an-s (trabs), pl. vermuthl. an-zôs zum unterſchied vom folgenden; an-s (heros, divus) pl. an-zeis? gefolgert aus Jornandes: Gothi *) natürlich, iſt ſie einmahl eingetreten, ſo beſteht das -r, wenn gleich nachher der ableitungsvocal weggeworfen wird. **) goth. hláiv-aſna; ahd. ah-ar; dram-afa; op-aſa; aƷ-aſi; doch vgl. agſ. ef-eſe, engl. eav-es.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/281
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/281>, abgerufen am 21.12.2024.