Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

II. mittelh. subst. starkes masc. zw. u. dr. decl.
vocalanslautigen schieben im gen. und dat. wein: se, sewes,
sewe; bau, bauwes oder bouwes; doch gilt abwechselnd
der gekürzte dat. se, sne etc.; schuo bekommt h: schuohes.

Starkes masculinum. zweite declination.

beispiel: hirt-epl. hirt-e
hirt-eshirt-e
hirt-ehirt-en
hirt-ehirt-e

befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament-
lich ende (finis) ere (aes) hirse (milium) hirte (custos)
kaese (caseus) pfelle (pallium) rücke (dorsum) wine (ami-
cus) weiße (triticum). 2) viele mit oere, als: sciltaere
(pictor scuti) vischaere (piscator) etc. -- Anmerkungen:
1) in dem an sich seltenen wine (Nib. 3606. 8642.) scheint
das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da
sonst die gekürzte form win mittelhochdeutscher wäre
(Bit. 44b 70a win: hin, sin) vgl. Parc. 54c win: erschin
(? erschine, s. unten vorbem. 1, b zur conjug.). 2) ende
ist häufig neutral, ebenso er (aes) st. ere; vielleicht auch
Wig. 261. (2. 7078.) er statt ere zu setzen? -- 3) hirte
geht häufiger entw. stark nach erster decl. hirt, hirtes
(M. S. 1, 192a) oder schwach hirte, hirten (Parc. 76b troj.
13a 14a). -- 4) einige auf -oere, gehen in -er und da-
mit in die erste decl. über (vgl. oben s. 369.); so stehet
Parc. 38a kochaere (pharetra) in den Nib. meist kocher
(nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und
M. S. 2, 195a. b wanger (cervical) st. wangaere, 2, 196b diener;
häufig ritter, zuweilen riter st. des früheren ritaere (s. 384.).

Starkes masculinum dritte declination.

Trümmer in wenigen wörtern, die -e statt des al-
ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus-
geht und zumahl nach t das stummgewordene -e leicht ab-
zufallen pflegt; es sind: mete (mulsum) schate (umbra) bei
Gottfr. Wirnt; sige (victoria) site (mos) vride (pax) wite
(? lignum, troj. 81a) welche den sg (der pl. wird kaum
eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht
zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit-
ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für
schate wird sich nirgendwo schete finden. Daß snite,
trite, schrite hierher hören, bezweifle ich oben s. 417.
Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig
und nur vride bleibt durchaus; sige, schate gewöhnlich:
met, sit, wit gehen in die erste über, zuweilen schat

II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſc. zw. u. dr. decl.
vocalanslautigen ſchieben im gen. und dat. wein: ſê, ſêwes,
ſêwe; bû, bûwes oder bouwes; doch gilt abwechſelnd
der gekürzte dat. ſê, ſnê etc.; ſchuo bekommt h: ſchuohes.

Starkes maſculinum. zweite declination.

beiſpiel: hirt-epl. hirt-e
hirt-eshirt-e
hirt-ehirt-en
hirt-ehirt-e

befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament-
lich ende (finis) êre (aes) hirſe (milium) hirte (cuſtos)
kæſe (caſeus) pfëlle (pallium) rücke (dorſum) wine (ami-
cus) weiƷe (triticum). 2) viele mit œre, als: ſciltære
(pictor ſcuti) viſchære (piſcator) etc. — Anmerkungen:
1) in dem an ſich ſeltenen wine (Nib. 3606. 8642.) ſcheint
das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da
ſonſt die gekürzte form win mittelhochdeutſcher wäre
(Bit. 44b 70a win: hin, ſin) vgl. Parc. 54c win: erſchin
(? erſchine, ſ. unten vorbem. 1, β zur conjug.). 2) ende
iſt häufig neutral, ebenſo êr (aes) ſt. êre; vielleicht auch
Wig. 261. (2. 7078.) êr ſtatt êre zu ſetzen? — 3) hirte
geht häufiger entw. ſtark nach erſter decl. hirt, hirtes
(M. S. 1, 192a) oder ſchwach hirte, hirten (Parc. 76b troj.
13a 14a). — 4) einige auf -œre, gehen in -er und da-
mit in die erſte decl. über (vgl. oben ſ. 369.); ſo ſtehet
Parc. 38a kochære (pharetra) in den Nib. meiſt kocher
(nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und
M. S. 2, 195a. b wanger (cervical) ſt. wangære, 2, 196b dienèr;
häufig ritter, zuweilen rìter ſt. des früheren ritære (ſ. 384.).

Starkes maſculinum dritte declination.

Trümmer in wenigen wörtern, die -e ſtatt des al-
ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus-
geht und zumahl nach t das ſtummgewordene -e leicht ab-
zufallen pflegt; es ſind: mëte (mulſum) ſchate (umbra) bei
Gottfr. Wirnt; ſige (victoria) ſite (mos) vride (pax) wite
(? lignum, troj. 81a) welche den ſg (der pl. wird kaum
eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht
zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit-
ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für
ſchate wird ſich nirgendwo ſchete finden. Daß ſnite,
trite, ſchrite hierher hören, bezweifle ich oben ſ. 417.
Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig
und nur vride bleibt durchaus; ſige, ſchate gewöhnlich:
mët, ſit, wit gehen in die erſte über, zuweilen ſchat

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0696" n="670"/><fw place="top" type="header">II. <hi rendition="#i">mittelh. &#x017F;ub&#x017F;t. &#x017F;tarkes ma&#x017F;c. zw. u. dr. decl.</hi></fw><lb/>
vocalanslautigen &#x017F;chieben im gen. und dat. wein: &#x017F;ê, &#x017F;êwes,<lb/>
&#x017F;êwe; bû, bûwes oder bouwes; doch gilt abwech&#x017F;elnd<lb/>
der gekürzte dat. &#x017F;ê, &#x017F;nê etc.; &#x017F;chuo bekommt h: &#x017F;chuohes.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">Starkes ma&#x017F;culinum. zweite declination.</hi> </head><lb/>
              <table>
                <row>
                  <cell>bei&#x017F;piel: hirt-e</cell>
                  <cell>pl. hirt-e</cell>
                </row>
                <row>
                  <cell>hirt-es</cell>
                  <cell>hirt-e</cell>
                </row>
                <row>
                  <cell>hirt-e</cell>
                  <cell>hirt-en</cell>
                </row>
                <row>
                  <cell>hirt-e</cell>
                  <cell>hirt-e</cell>
                </row><lb/>
              </table>
              <p>befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament-<lb/>
lich ende (finis) êre (aes) hir&#x017F;e (milium) hirte (cu&#x017F;tos)<lb/>&#x017F;e (ca&#x017F;eus) pfëlle (pallium) rücke (dor&#x017F;um) wine (ami-<lb/>
cus) wei&#x01B7;e (triticum). 2) viele mit <hi rendition="#i">&#x0153;re</hi>, als: &#x017F;ciltære<lb/>
(pictor &#x017F;cuti) vi&#x017F;chære (pi&#x017F;cator) etc. &#x2014; <hi rendition="#i">Anmerkungen</hi>:<lb/>
1) in dem an &#x017F;ich &#x017F;eltenen wine (Nib. 3606. 8642.) &#x017F;cheint<lb/>
das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t die gekürzte form win mittelhochdeut&#x017F;cher wäre<lb/>
(Bit. 44<hi rendition="#sup">b</hi> 70<hi rendition="#sup">a</hi> win: hin, &#x017F;in) vgl. Parc. 54<hi rendition="#sup">c</hi> win: er&#x017F;chin<lb/>
(? er&#x017F;chine, &#x017F;. unten vorbem. 1, <hi rendition="#i">&#x03B2;</hi> zur conjug.). 2) ende<lb/>
i&#x017F;t häufig neutral, eben&#x017F;o êr (aes) &#x017F;t. êre; vielleicht auch<lb/>
Wig. 261. (2. 7078.) êr &#x017F;tatt êre zu &#x017F;etzen? &#x2014; 3) hirte<lb/>
geht häufiger entw. &#x017F;tark nach er&#x017F;ter decl. hirt, hirtes<lb/>
(M. S. 1, 192<hi rendition="#sup">a</hi>) oder &#x017F;chwach hirte, hirten (Parc. 76<hi rendition="#sup">b</hi> troj.<lb/>
13<hi rendition="#sup">a</hi> 14<hi rendition="#sup">a</hi>). &#x2014; 4) einige auf <hi rendition="#i">-&#x0153;re</hi>, gehen in <hi rendition="#i">-er</hi> und da-<lb/>
mit in die er&#x017F;te decl. über (vgl. oben &#x017F;. 369.); &#x017F;o &#x017F;tehet<lb/>
Parc. 38<hi rendition="#sup">a</hi> kochære (pharetra) in den Nib. mei&#x017F;t kocher<lb/>
(nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und<lb/>
M. S. 2, 195<hi rendition="#sup">a. b</hi> wanger (cervical) &#x017F;t. wangære, 2, 196<hi rendition="#sup">b</hi> dienèr;<lb/>
häufig ritter, zuweilen rìter &#x017F;t. des früheren ritære (&#x017F;. 384.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">Starkes ma&#x017F;culinum dritte declination.</hi> </head><lb/>
              <p>Trümmer in wenigen wörtern, die -e &#x017F;tatt des al-<lb/>
ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus-<lb/>
geht und zumahl nach t das &#x017F;tummgewordene -e leicht ab-<lb/>
zufallen pflegt; es &#x017F;ind: mëte (mul&#x017F;um) &#x017F;chate (umbra) bei<lb/>
Gottfr. Wirnt; &#x017F;ige (victoria) &#x017F;ite (mos) vride (pax) wite<lb/>
(? lignum, troj. 81<hi rendition="#sup">a</hi>) welche den &#x017F;g (der pl. wird kaum<lb/>
eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht<lb/>
zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit-<lb/>
ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für<lb/>
&#x017F;chate wird &#x017F;ich nirgendwo &#x017F;chete finden. Daß &#x017F;nite,<lb/>
trite, &#x017F;chrite hierher hören, bezweifle ich oben &#x017F;. 417.<lb/>
Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig<lb/>
und nur vride bleibt durchaus; &#x017F;ige, &#x017F;chate gewöhnlich:<lb/>
mët, &#x017F;it, wit gehen in die er&#x017F;te über, zuweilen &#x017F;chat<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[670/0696] II. mittelh. ſubſt. ſtarkes maſc. zw. u. dr. decl. vocalanslautigen ſchieben im gen. und dat. wein: ſê, ſêwes, ſêwe; bû, bûwes oder bouwes; doch gilt abwechſelnd der gekürzte dat. ſê, ſnê etc.; ſchuo bekommt h: ſchuohes. Starkes maſculinum. zweite declination. beiſpiel: hirt-e pl. hirt-e hirt-es hirt-e hirt-e hirt-en hirt-e hirt-e befaßt 1) wenige mit der bloßen bildung -e, nament- lich ende (finis) êre (aes) hirſe (milium) hirte (cuſtos) kæſe (caſeus) pfëlle (pallium) rücke (dorſum) wine (ami- cus) weiƷe (triticum). 2) viele mit œre, als: ſciltære (pictor ſcuti) viſchære (piſcator) etc. — Anmerkungen: 1) in dem an ſich ſeltenen wine (Nib. 3606. 8642.) ſcheint das alte ableitungs -i zu dauern (vgl. die dritte decl.) da ſonſt die gekürzte form win mittelhochdeutſcher wäre (Bit. 44b 70a win: hin, ſin) vgl. Parc. 54c win: erſchin (? erſchine, ſ. unten vorbem. 1, β zur conjug.). 2) ende iſt häufig neutral, ebenſo êr (aes) ſt. êre; vielleicht auch Wig. 261. (2. 7078.) êr ſtatt êre zu ſetzen? — 3) hirte geht häufiger entw. ſtark nach erſter decl. hirt, hirtes (M. S. 1, 192a) oder ſchwach hirte, hirten (Parc. 76b troj. 13a 14a). — 4) einige auf -œre, gehen in -er und da- mit in die erſte decl. über (vgl. oben ſ. 369.); ſo ſtehet Parc. 38a kochære (pharetra) in den Nib. meiſt kocher (nicht unrichtig, vgl. gl. jun. 174. das alth. cohhar (und M. S. 2, 195a. b wanger (cervical) ſt. wangære, 2, 196b dienèr; häufig ritter, zuweilen rìter ſt. des früheren ritære (ſ. 384.). Starkes maſculinum dritte declination. Trümmer in wenigen wörtern, die -e ſtatt des al- ten -u bewahren, unerachtet kurzer wurzelvocal voraus- geht und zumahl nach t das ſtummgewordene -e leicht ab- zufallen pflegt; es ſind: mëte (mulſum) ſchate (umbra) bei Gottfr. Wirnt; ſige (victoria) ſite (mos) vride (pax) wite (? lignum, troj. 81a) welche den ſg (der pl. wird kaum eintreten) ganz nach hirte, wine etc. abwandeln, aber nicht zur zweiten decl gezählt werden können, weil das -e drit- ter keinen umlaut wirkt (d. h. kein altes i war). Für ſchate wird ſich nirgendwo ſchete finden. Daß ſnite, trite, ſchrite hierher hören, bezweifle ich oben ſ. 417. Im verlaufe des 13. jahrh. weicht aber das e allmählig und nur vride bleibt durchaus; ſige, ſchate gewöhnlich: mët, ſit, wit gehen in die erſte über, zuweilen ſchat

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/696
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/696>, abgerufen am 21.11.2024.