und dies in hodn, kodn, wie jädn (ferrum) f. järn. Eigenthümlichkeiten der letzten art bezeichnen gerade das volksmäßige element und ich enthalte mich ihrer mehrere anzuführen. da ich auch die hochd. volksmund- arten aus meiner abhandlung abweisen muste.
Allgemeine vergleichung.
Am schluße dieses ersten buchs wird ein überblick so vielfacher buchstabenverhältnisse diensam seyn und vielleicht durch die zusammenfaßung aller einzelnheiten einige neue ansichten gewäbren.
Die vocale betrachte ich hier außerhalb dem ge- sichtspuncte des ablauts, dessen wichtige verhältnisse erst im zweiten buche dargestellt werden können. Auch ist, wie in der buchstabenlehre, meistentheils nur von dem vocal der wurzeln die rede. Bei der ganzen vo- calreihe gehe ich von dem satze aus, daß die drei kür- zen a, i, u die ursprünglichsten, ältesten aller vocallaute sind. Ihnen allein gebührt eine gewisse durchgreifende stetigkeit. Nicht als hätten sie keine veränderung erlit- ten, da gerade aus ihnen alle übrigen kürzen abzulei- ten sind; gleichwohl ihre organische regel (die formel winnen, wann, wunnen), aller sich durchkreuzenden ausnahmen unerachtet, waltet sichtbar in jedem zweige des deutschen stammes. Es laßen sich einzelne wörter nachweisen, in welchen durch alle zeiten und mundar- ten a und i unwandelbar geblieben sind, z. b. hammer (malleus) fallen (cadere) wille (voluntas) fisch (piscis). Für u ist, man kann sagen zufällig, die völlige durch- führung in keinem worte möglich; hund (canis) dessen u in den meisten dialecten besteht, widerstrebt in dem niederl. hond, engl. hound, so wie full (plenus) im hochd. voll. Dennoch hat man u mit i und a völlig auf eine linie zu stellen, denn in den meisten wörtern begegnen die nämlichen widersprüche ebenwohl bei den zwei letzteren. Alle drei vocale aber, und das ist für jenen satz beweisend, haben wo sie stehen immer die nämliche bedeutung; was im einzelnen der eine dialect trübt, bewährt dafür der andere. Wenn von finden, funden das engl. feind. found abweicht; so stimmt das engl. still, full zu dem schwed. still, full, wie das schwed. finna, funnen zu jenem finden, funden. Das
I. überſicht der kurzen vocale.
und dies in hodn, kodn, wie jädn (ferrum) f. järn. Eigenthümlichkeiten der letzten art bezeichnen gerade das volksmäßige element und ich enthalte mich ihrer mehrere anzuführen. da ich auch die hochd. volksmund- arten aus meiner abhandlung abweiſen muſte.
Allgemeine vergleichung.
Am ſchluße dieſes erſten buchs wird ein überblick ſo vielfacher buchſtabenverhältniſſe dienſam ſeyn und vielleicht durch die zuſammenfaßung aller einzelnheiten einige neue anſichten gewäbren.
Die vocale betrachte ich hier außerhalb dem ge- ſichtspuncte des ablauts, deſſen wichtige verhältniſſe erſt im zweiten buche dargeſtellt werden können. Auch iſt, wie in der buchſtabenlehre, meiſtentheils nur von dem vocal der wurzeln die rede. Bei der ganzen vo- calreihe gehe ich von dem ſatze aus, daß die drei kür- zen a, i, u die urſprünglichſten, älteſten aller vocallaute ſind. Ihnen allein gebührt eine gewiſſe durchgreifende ſtetigkeìt. Nicht als hätten ſie keine veränderung erlit- ten, da gerade aus ihnen alle übrigen kürzen abzulei- ten ſind; gleichwohl ihre organiſche regel (die formel winnen, wann, wunnen), aller ſich durchkreuzenden ausnahmen unerachtet, waltet ſichtbar in jedem zweige des deutſchen ſtammes. Es laßen ſich einzelne wörter nachweiſen, in welchen durch alle zeiten und mundar- ten a und i unwandelbar geblieben ſind, z. b. hammer (malleus) fallen (cadere) wille (voluntas) fiſch (piſcis). Für u iſt, man kann ſagen zufällig, die völlige durch- führung in keinem worte möglich; hund (canis) deſſen u in den meiſten dialecten beſteht, widerſtrebt in dem niederl. hond, engl. hound, ſo wie full (plenus) im hochd. voll. Dennoch hat man u mit i und a völlig auf eine linie zu ſtellen, denn in den meiſten wörtern begegnen die nämlichen widerſprüche ebenwohl bei den zwei letzteren. Alle drei vocale aber, und das iſt für jenen ſatz beweiſend, haben wo ſie ſtehen immer die nämliche bedeutung; was im einzelnen der eine dialect trübt, bewährt dafür der andere. Wenn von finden, funden das engl. fînd. found abweicht; ſo ſtimmt das engl. ſtill, full zu dem ſchwed. ſtill, full, wie das ſchwed. finna, funnen zu jenem finden, funden. Das
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I. überſicht der kurzen vocale.
und dies in hodn, kodn, wie jädn (ferrum) f. järn.
Eigenthümlichkeiten der letzten art bezeichnen gerade
das volksmäßige element und ich enthalte mich ihrer
mehrere anzuführen. da ich auch die hochd. volksmund-
arten aus meiner abhandlung abweiſen muſte.
Allgemeine vergleichung.
Am ſchluße dieſes erſten buchs wird ein überblick
ſo vielfacher buchſtabenverhältniſſe dienſam ſeyn und
vielleicht durch die zuſammenfaßung aller einzelnheiten
einige neue anſichten gewäbren.
Die vocale betrachte ich hier außerhalb dem ge-
ſichtspuncte des ablauts, deſſen wichtige verhältniſſe
erſt im zweiten buche dargeſtellt werden können. Auch
iſt, wie in der buchſtabenlehre, meiſtentheils nur von
dem vocal der wurzeln die rede. Bei der ganzen vo-
calreihe gehe ich von dem ſatze aus, daß die drei kür-
zen a, i, u die urſprünglichſten, älteſten aller vocallaute
ſind. Ihnen allein gebührt eine gewiſſe durchgreifende
ſtetigkeìt. Nicht als hätten ſie keine veränderung erlit-
ten, da gerade aus ihnen alle übrigen kürzen abzulei-
ten ſind; gleichwohl ihre organiſche regel (die formel
winnen, wann, wunnen), aller ſich durchkreuzenden
ausnahmen unerachtet, waltet ſichtbar in jedem zweige
des deutſchen ſtammes. Es laßen ſich einzelne wörter
nachweiſen, in welchen durch alle zeiten und mundar-
ten a und i unwandelbar geblieben ſind, z. b. hammer
(malleus) fallen (cadere) wille (voluntas) fiſch (piſcis).
Für u iſt, man kann ſagen zufällig, die völlige durch-
führung in keinem worte möglich; hund (canis) deſſen
u in den meiſten dialecten beſteht, widerſtrebt in dem
niederl. hond, engl. hound, ſo wie full (plenus) im
hochd. voll. Dennoch hat man u mit i und a völlig
auf eine linie zu ſtellen, denn in den meiſten wörtern
begegnen die nämlichen widerſprüche ebenwohl bei den
zwei letzteren. Alle drei vocale aber, und das iſt für
jenen ſatz beweiſend, haben wo ſie ſtehen immer die
nämliche bedeutung; was im einzelnen der eine dialect
trübt, bewährt dafür der andere. Wenn von finden,
funden das engl. fînd. found abweicht; ſo ſtimmt das
engl. ſtill, full zu dem ſchwed. ſtill, full, wie das
ſchwed. finna, funnen zu jenem finden, funden. Das
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 1. Göttingen, 1822, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik01_1822/597>, abgerufen am 03.12.2024.
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