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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Ungarns neue Nationalitätenpolitik

Angelegenheiten des nicht sehr dankbaren Frankreichs besorgt zu haben und nun
die Interessen Italiens und Rußlands zu vertreten. Frankreich und Italien ge¬
hören schon der Vergangenheit an, die persische Frage bezieht sich jedoch auf die
Gegenwart, und die Opposition wird zu beweisen suchen, daß Grey die Interessen
Englands in Südpersien und in Indien zugunsten Rußlands vernachlässigt.

Nicolson hat mir gesagt, der englische Vizekönig in Indien habe geschrieben,
daß die Ereignisse in Persien einen großen Widerhall in der muselmanischen Be¬
völkerung gefunden haben."

Streben nach Weltherrschaft wird Deutschland vorgeworfen. Neuerdings
hat Briand diese Behauptung vor dem französischen Senat in feierlicher Form
wiederholt. Wohin man aber auch blickt, in den ganzen Jahren, die dem Krieg
vorausgingen, war das Bestreben von London, Paris und Petersburg nur daraus
gerichtet, Deutschland überall in den Hintergrund zu drängen. Daß die deutsche
Regierung in Persien keine politischen Ziele verfolgen, den Reichsangehörigen aber
das Recht zu ungehinderter wirtschaftlicher Betätigung offen halten wollte, genügte
den Männer der Entente bereits, um den Deutschen jede nur denkbare Schwierig¬
keit in den Weg zu legen. Wie Nußland die Einfuhr deutscher Ware nach dem
Reiche des Schah verhinderte, so bekämpfte England die deutsche Schiffahrt im
persischen Golf. Jeder, der Persien oder einem anderen orientalischen Lande auch
nur wirtschaftlich helfen wollte, mußte ja ausgeschaltet werden. Ja, die Haupt¬
sorge der Engländer und Russen war sogar die, zu verhindern, daß Persien sich
durch eine Anleihe Geld zur Rückzahlung seiner Schulden an London und Paris
verschaffen könne. Diese beiden Regierungen wünschten Persien finanziell bedrücken
zu können. Die Ironie wollte es, daß französische Bankhäuser eine Anleiheoperation
durchführen wollten. Aber das Hauptgespenst blieb Deutschland, das unter allen
Umständen von der Betätigung in der Welt ferngehalten werden mußte.




Ungarns neue Nationalitätenpolitik
v Matsch Nitsch, Mitglied der ungarischen Nationalversammlung on

besaß unter den Staaten mit fremdsprachigen Völkerschaften
eines der besten Gesetze zu deren Schutz und Förderung. Leider
ß"M^M> W dieses sogenannte Nationalitätengesetz vom Jahre 1808 auch
M mit dem gröbsten Fehler behaftet, mit dem ein Gesetz behaftet sein
H^i^H^^ kann: es wurde nicht entsprechend durchgeführt. Ja noch mehr.
Die neuere Gesetzgebung selbst sprengte da und dort, wo es ihr eben gefiel, einen
Grundpfeiler aus dem ursprünglichen Bau und beraubte diesen durch entstellende
Auslegungen und Erklärungen seiner edlen Struktur und seines wertvollen Gehaltes.


Ungarns neue Nationalitätenpolitik

Angelegenheiten des nicht sehr dankbaren Frankreichs besorgt zu haben und nun
die Interessen Italiens und Rußlands zu vertreten. Frankreich und Italien ge¬
hören schon der Vergangenheit an, die persische Frage bezieht sich jedoch auf die
Gegenwart, und die Opposition wird zu beweisen suchen, daß Grey die Interessen
Englands in Südpersien und in Indien zugunsten Rußlands vernachlässigt.

Nicolson hat mir gesagt, der englische Vizekönig in Indien habe geschrieben,
daß die Ereignisse in Persien einen großen Widerhall in der muselmanischen Be¬
völkerung gefunden haben."

Streben nach Weltherrschaft wird Deutschland vorgeworfen. Neuerdings
hat Briand diese Behauptung vor dem französischen Senat in feierlicher Form
wiederholt. Wohin man aber auch blickt, in den ganzen Jahren, die dem Krieg
vorausgingen, war das Bestreben von London, Paris und Petersburg nur daraus
gerichtet, Deutschland überall in den Hintergrund zu drängen. Daß die deutsche
Regierung in Persien keine politischen Ziele verfolgen, den Reichsangehörigen aber
das Recht zu ungehinderter wirtschaftlicher Betätigung offen halten wollte, genügte
den Männer der Entente bereits, um den Deutschen jede nur denkbare Schwierig¬
keit in den Weg zu legen. Wie Nußland die Einfuhr deutscher Ware nach dem
Reiche des Schah verhinderte, so bekämpfte England die deutsche Schiffahrt im
persischen Golf. Jeder, der Persien oder einem anderen orientalischen Lande auch
nur wirtschaftlich helfen wollte, mußte ja ausgeschaltet werden. Ja, die Haupt¬
sorge der Engländer und Russen war sogar die, zu verhindern, daß Persien sich
durch eine Anleihe Geld zur Rückzahlung seiner Schulden an London und Paris
verschaffen könne. Diese beiden Regierungen wünschten Persien finanziell bedrücken
zu können. Die Ironie wollte es, daß französische Bankhäuser eine Anleiheoperation
durchführen wollten. Aber das Hauptgespenst blieb Deutschland, das unter allen
Umständen von der Betätigung in der Welt ferngehalten werden mußte.




Ungarns neue Nationalitätenpolitik
v Matsch Nitsch, Mitglied der ungarischen Nationalversammlung on

besaß unter den Staaten mit fremdsprachigen Völkerschaften
eines der besten Gesetze zu deren Schutz und Förderung. Leider
ß»M^M> W dieses sogenannte Nationalitätengesetz vom Jahre 1808 auch
M mit dem gröbsten Fehler behaftet, mit dem ein Gesetz behaftet sein
H^i^H^^ kann: es wurde nicht entsprechend durchgeführt. Ja noch mehr.
Die neuere Gesetzgebung selbst sprengte da und dort, wo es ihr eben gefiel, einen
Grundpfeiler aus dem ursprünglichen Bau und beraubte diesen durch entstellende
Auslegungen und Erklärungen seiner edlen Struktur und seines wertvollen Gehaltes.


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[0078] Ungarns neue Nationalitätenpolitik Angelegenheiten des nicht sehr dankbaren Frankreichs besorgt zu haben und nun die Interessen Italiens und Rußlands zu vertreten. Frankreich und Italien ge¬ hören schon der Vergangenheit an, die persische Frage bezieht sich jedoch auf die Gegenwart, und die Opposition wird zu beweisen suchen, daß Grey die Interessen Englands in Südpersien und in Indien zugunsten Rußlands vernachlässigt. Nicolson hat mir gesagt, der englische Vizekönig in Indien habe geschrieben, daß die Ereignisse in Persien einen großen Widerhall in der muselmanischen Be¬ völkerung gefunden haben." Streben nach Weltherrschaft wird Deutschland vorgeworfen. Neuerdings hat Briand diese Behauptung vor dem französischen Senat in feierlicher Form wiederholt. Wohin man aber auch blickt, in den ganzen Jahren, die dem Krieg vorausgingen, war das Bestreben von London, Paris und Petersburg nur daraus gerichtet, Deutschland überall in den Hintergrund zu drängen. Daß die deutsche Regierung in Persien keine politischen Ziele verfolgen, den Reichsangehörigen aber das Recht zu ungehinderter wirtschaftlicher Betätigung offen halten wollte, genügte den Männer der Entente bereits, um den Deutschen jede nur denkbare Schwierig¬ keit in den Weg zu legen. Wie Nußland die Einfuhr deutscher Ware nach dem Reiche des Schah verhinderte, so bekämpfte England die deutsche Schiffahrt im persischen Golf. Jeder, der Persien oder einem anderen orientalischen Lande auch nur wirtschaftlich helfen wollte, mußte ja ausgeschaltet werden. Ja, die Haupt¬ sorge der Engländer und Russen war sogar die, zu verhindern, daß Persien sich durch eine Anleihe Geld zur Rückzahlung seiner Schulden an London und Paris verschaffen könne. Diese beiden Regierungen wünschten Persien finanziell bedrücken zu können. Die Ironie wollte es, daß französische Bankhäuser eine Anleiheoperation durchführen wollten. Aber das Hauptgespenst blieb Deutschland, das unter allen Umständen von der Betätigung in der Welt ferngehalten werden mußte. Ungarns neue Nationalitätenpolitik v Matsch Nitsch, Mitglied der ungarischen Nationalversammlung on besaß unter den Staaten mit fremdsprachigen Völkerschaften eines der besten Gesetze zu deren Schutz und Förderung. Leider ß»M^M> W dieses sogenannte Nationalitätengesetz vom Jahre 1808 auch M mit dem gröbsten Fehler behaftet, mit dem ein Gesetz behaftet sein H^i^H^^ kann: es wurde nicht entsprechend durchgeführt. Ja noch mehr. Die neuere Gesetzgebung selbst sprengte da und dort, wo es ihr eben gefiel, einen Grundpfeiler aus dem ursprünglichen Bau und beraubte diesen durch entstellende Auslegungen und Erklärungen seiner edlen Struktur und seines wertvollen Gehaltes.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/78>, abgerufen am 22.12.2024.