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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Französische Kolonialpolitik

General Jeannin, der ehemalige Führer der tschechoslowakischen Legionen in
Sibirien, werden, während als Obcrkommandierendcr der Hauptkräfte der tschechische
General Divic genannt wurde. Durch Übertragung des Kommandos über die
schlesischen Truppen an einen Franzosen sollte ein enges Zusammenwirken mit
den französischen und polnischen Kräften sichergestellt werden. Von tschechischer
Seite ist das Bestehen eines einer Militärkonvention ähnlichen französisch-polnisch¬
tschechischen Vertrages abgestritten worden, an und für sich im Zusammenhang mit
den einwandfrei an der Grenze des Leobschützer Kreises festgestellten tschechischen
Truppenansammlungen der beste Beweis dafür, daß ein solcher Vertrag tatsächlich
besteht.

Das polnische Verhältnis zu Rumänien lag bereits seit dem vorigen Sommer
klar. Die gemeinsame Bolschewistengefahr hatte beide Länder zusammengebracht,
und die ihnen gemeinsame Freundschaft mit Frankreich hatte das übrige dazu
getan. Im Frühjahr kam es im Anschluß an die polnisch-französischen Ver¬
handlungen in.Paris und zweifellos als deren Folge zum Abschluß einer polnisch¬
rumänischen Militärkonvention, die sich angeblich nur gegen den Bolschewismus
richten soll, deren wahrer Charakter jedoch nach einer Äußerung Tale Jonescus,
daß den mitteleuropäischen Staaten eine der russischen ähnliche Gefahr vom
deutschen Imperialismus drohe, ein anderer sein dürfte.

Die französisch-polnische Militärkonvention und ihre Erweiterung durch
den Abschluß von Verträgen mit Tschechen und Rumänen vervollständigt das
Bild der von Frankreich gegen Deutschland betriebenen Einkreisnngs- oder besser
gesagt Angstpolitik. Sie besiegelt endgültig das Vasallentum Polens einerseits
an> die Herrschaft Frankreichs iri Polen anderseits, bestätigt damit im Grunde ge¬
nommen nur einen Zustand, wie er schon seit der Wiederaufrichtung'des polni¬
schen Reiches in Europa besteht.




Französische Aolonialpolitik
v O. G. von lvesendonk on

ter französische Kolonialminister S a r r a u t hat einem Gesetzent¬
wurf über die allgemeine Verwertung der französischen Kolonien
eine dreihundertfünfzig Seiten umfassende Einleitung vorangehen
lassen, in der er sein Programm auseinandersetzt. Die schönen
Gedanken, die darin dargelegt werden, stimmen leider nicht ganz
mit der Praxis überein. Der Kolonialminister spricht von der Zusammenarbeit
mit der einheimischen Bevölkerung und erwähnt den moralischen Einfluß der
Franzosen, der an die Stelle der früheren Ausbeutungsgedanken kommen muß.
Sarrauts Plan läuft darauf hinaus, allmählich französische Dominien zu
schaffen, die verhältnismäßig selbständig sein sollen.


Französische Kolonialpolitik

General Jeannin, der ehemalige Führer der tschechoslowakischen Legionen in
Sibirien, werden, während als Obcrkommandierendcr der Hauptkräfte der tschechische
General Divic genannt wurde. Durch Übertragung des Kommandos über die
schlesischen Truppen an einen Franzosen sollte ein enges Zusammenwirken mit
den französischen und polnischen Kräften sichergestellt werden. Von tschechischer
Seite ist das Bestehen eines einer Militärkonvention ähnlichen französisch-polnisch¬
tschechischen Vertrages abgestritten worden, an und für sich im Zusammenhang mit
den einwandfrei an der Grenze des Leobschützer Kreises festgestellten tschechischen
Truppenansammlungen der beste Beweis dafür, daß ein solcher Vertrag tatsächlich
besteht.

Das polnische Verhältnis zu Rumänien lag bereits seit dem vorigen Sommer
klar. Die gemeinsame Bolschewistengefahr hatte beide Länder zusammengebracht,
und die ihnen gemeinsame Freundschaft mit Frankreich hatte das übrige dazu
getan. Im Frühjahr kam es im Anschluß an die polnisch-französischen Ver¬
handlungen in.Paris und zweifellos als deren Folge zum Abschluß einer polnisch¬
rumänischen Militärkonvention, die sich angeblich nur gegen den Bolschewismus
richten soll, deren wahrer Charakter jedoch nach einer Äußerung Tale Jonescus,
daß den mitteleuropäischen Staaten eine der russischen ähnliche Gefahr vom
deutschen Imperialismus drohe, ein anderer sein dürfte.

Die französisch-polnische Militärkonvention und ihre Erweiterung durch
den Abschluß von Verträgen mit Tschechen und Rumänen vervollständigt das
Bild der von Frankreich gegen Deutschland betriebenen Einkreisnngs- oder besser
gesagt Angstpolitik. Sie besiegelt endgültig das Vasallentum Polens einerseits
an> die Herrschaft Frankreichs iri Polen anderseits, bestätigt damit im Grunde ge¬
nommen nur einen Zustand, wie er schon seit der Wiederaufrichtung'des polni¬
schen Reiches in Europa besteht.




Französische Aolonialpolitik
v O. G. von lvesendonk on

ter französische Kolonialminister S a r r a u t hat einem Gesetzent¬
wurf über die allgemeine Verwertung der französischen Kolonien
eine dreihundertfünfzig Seiten umfassende Einleitung vorangehen
lassen, in der er sein Programm auseinandersetzt. Die schönen
Gedanken, die darin dargelegt werden, stimmen leider nicht ganz
mit der Praxis überein. Der Kolonialminister spricht von der Zusammenarbeit
mit der einheimischen Bevölkerung und erwähnt den moralischen Einfluß der
Franzosen, der an die Stelle der früheren Ausbeutungsgedanken kommen muß.
Sarrauts Plan läuft darauf hinaus, allmählich französische Dominien zu
schaffen, die verhältnismäßig selbständig sein sollen.


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[0340] Französische Kolonialpolitik General Jeannin, der ehemalige Führer der tschechoslowakischen Legionen in Sibirien, werden, während als Obcrkommandierendcr der Hauptkräfte der tschechische General Divic genannt wurde. Durch Übertragung des Kommandos über die schlesischen Truppen an einen Franzosen sollte ein enges Zusammenwirken mit den französischen und polnischen Kräften sichergestellt werden. Von tschechischer Seite ist das Bestehen eines einer Militärkonvention ähnlichen französisch-polnisch¬ tschechischen Vertrages abgestritten worden, an und für sich im Zusammenhang mit den einwandfrei an der Grenze des Leobschützer Kreises festgestellten tschechischen Truppenansammlungen der beste Beweis dafür, daß ein solcher Vertrag tatsächlich besteht. Das polnische Verhältnis zu Rumänien lag bereits seit dem vorigen Sommer klar. Die gemeinsame Bolschewistengefahr hatte beide Länder zusammengebracht, und die ihnen gemeinsame Freundschaft mit Frankreich hatte das übrige dazu getan. Im Frühjahr kam es im Anschluß an die polnisch-französischen Ver¬ handlungen in.Paris und zweifellos als deren Folge zum Abschluß einer polnisch¬ rumänischen Militärkonvention, die sich angeblich nur gegen den Bolschewismus richten soll, deren wahrer Charakter jedoch nach einer Äußerung Tale Jonescus, daß den mitteleuropäischen Staaten eine der russischen ähnliche Gefahr vom deutschen Imperialismus drohe, ein anderer sein dürfte. Die französisch-polnische Militärkonvention und ihre Erweiterung durch den Abschluß von Verträgen mit Tschechen und Rumänen vervollständigt das Bild der von Frankreich gegen Deutschland betriebenen Einkreisnngs- oder besser gesagt Angstpolitik. Sie besiegelt endgültig das Vasallentum Polens einerseits an> die Herrschaft Frankreichs iri Polen anderseits, bestätigt damit im Grunde ge¬ nommen nur einen Zustand, wie er schon seit der Wiederaufrichtung'des polni¬ schen Reiches in Europa besteht. Französische Aolonialpolitik v O. G. von lvesendonk on ter französische Kolonialminister S a r r a u t hat einem Gesetzent¬ wurf über die allgemeine Verwertung der französischen Kolonien eine dreihundertfünfzig Seiten umfassende Einleitung vorangehen lassen, in der er sein Programm auseinandersetzt. Die schönen Gedanken, die darin dargelegt werden, stimmen leider nicht ganz mit der Praxis überein. Der Kolonialminister spricht von der Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung und erwähnt den moralischen Einfluß der Franzosen, der an die Stelle der früheren Ausbeutungsgedanken kommen muß. Sarrauts Plan läuft darauf hinaus, allmählich französische Dominien zu schaffen, die verhältnismäßig selbständig sein sollen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/340>, abgerufen am 22.12.2024.