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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Notschrei aus Südmestafrika

griffen der Massenseele zu Leibe zu gehen, ohne deshalb doch immer das Wesen
der Masse erkannt zu haben. Der Lehrer hat bisher wohl Schülermassen bearbeitet,
aber ausgehend von der Einzelseele und nur äußerlich an einige überlieferte
Pädagogische Vorschriften wie Chorsprechen usw. angelehnt. Dem Arzt wäre not,
massenpsychische Grundlagen von Volksseuchen kennen zu lernen, dein Künstler,
die Massenwirkung eines Kunstwerkes, einer Theateraufführung, eines Konzerts
zu studieren, um der bisherigen, stets allzu persönlichen Kunstkritik ein Gegen¬
gewicht zu bieten, der Reklamefachmann, der Schriftsteller, der Staatsmann, kurz
jeder der politisch und organisatorisch auftreten will, verschaffe sich nicht nur ein
Praktisches Rüstzeug in Rednerkursen oder langjähriger Vereinstätigkeit, sondern
beginne, das Massenproblem zu durchdenken und sich seiner Doppelstellung als
Führer und Massenmensch bewußt zu werden. Gerade unsere Zeit, die auf der
jahrelangen massenseelischen Schulung des Heeres aufbauen kann, die alle Schrecken
des Massenwahns in der Revolution, in Streiks und Pulsader durchgekostet hat,
ist berufen, die Massen in scharfe Disziplin zu nehmen und die Stellung des
Einzelnen zur Masse fest zu umreißen.




Notschrei aus Südwestafrika

Aus Farmerkreisen Südwestafrikas erhalten wir
die nachstehenden Ausführungen, die ein erschrecken¬
des Bild der gesegneten Wirkung der neuen englischen
Verwaltung geben und sich bezüglich Südwestafrikas
würdig der Äußerung Churchills vom 22. Juni
anreihen, "daß während eines oder zweier Jahre
die Verwaltung des Gebietes von Tanganjika
dem Gebiet nicht die gleiche Wohlfahrt werde
geben können, wie sie zur Zeit der deutschen
Die Schriftleitung. Herrschaft bestanden habe."

tu unserem letzten Briefe berichteten wir über die Kämpfe, die wir
mit dem Administrator und Gouverneur unserer Kolonie, sowie
mit der Kapregierung in der Schulfrage ausfechten mußten und
die vorläufig mit einem Siege des Deutschtums insofern endeten,
als wir uns entschlossen haben, die Opfer für eine Weiter¬
führung der Privatschulen selbst zu tragen*).

Die heutigen Zeilen sollen einmal die wirtschaftliche Lage beleuchten, in
die wir deutschen Farmer gebracht werden, indem Südwestafrika mit seinen
Produkten vom südafrikanischen Ochsenmarkte immer mehr verdrängt wird,
ohne daß die Regierung uns tatkräftige Hilfe zuteil werden läßt.



*) Vergl. Grenzboten Heft 26/26 "Deutsche Volksgemeinschaft".
1*
Notschrei aus Südmestafrika

griffen der Massenseele zu Leibe zu gehen, ohne deshalb doch immer das Wesen
der Masse erkannt zu haben. Der Lehrer hat bisher wohl Schülermassen bearbeitet,
aber ausgehend von der Einzelseele und nur äußerlich an einige überlieferte
Pädagogische Vorschriften wie Chorsprechen usw. angelehnt. Dem Arzt wäre not,
massenpsychische Grundlagen von Volksseuchen kennen zu lernen, dein Künstler,
die Massenwirkung eines Kunstwerkes, einer Theateraufführung, eines Konzerts
zu studieren, um der bisherigen, stets allzu persönlichen Kunstkritik ein Gegen¬
gewicht zu bieten, der Reklamefachmann, der Schriftsteller, der Staatsmann, kurz
jeder der politisch und organisatorisch auftreten will, verschaffe sich nicht nur ein
Praktisches Rüstzeug in Rednerkursen oder langjähriger Vereinstätigkeit, sondern
beginne, das Massenproblem zu durchdenken und sich seiner Doppelstellung als
Führer und Massenmensch bewußt zu werden. Gerade unsere Zeit, die auf der
jahrelangen massenseelischen Schulung des Heeres aufbauen kann, die alle Schrecken
des Massenwahns in der Revolution, in Streiks und Pulsader durchgekostet hat,
ist berufen, die Massen in scharfe Disziplin zu nehmen und die Stellung des
Einzelnen zur Masse fest zu umreißen.




Notschrei aus Südwestafrika

Aus Farmerkreisen Südwestafrikas erhalten wir
die nachstehenden Ausführungen, die ein erschrecken¬
des Bild der gesegneten Wirkung der neuen englischen
Verwaltung geben und sich bezüglich Südwestafrikas
würdig der Äußerung Churchills vom 22. Juni
anreihen, „daß während eines oder zweier Jahre
die Verwaltung des Gebietes von Tanganjika
dem Gebiet nicht die gleiche Wohlfahrt werde
geben können, wie sie zur Zeit der deutschen
Die Schriftleitung. Herrschaft bestanden habe."

tu unserem letzten Briefe berichteten wir über die Kämpfe, die wir
mit dem Administrator und Gouverneur unserer Kolonie, sowie
mit der Kapregierung in der Schulfrage ausfechten mußten und
die vorläufig mit einem Siege des Deutschtums insofern endeten,
als wir uns entschlossen haben, die Opfer für eine Weiter¬
führung der Privatschulen selbst zu tragen*).

Die heutigen Zeilen sollen einmal die wirtschaftliche Lage beleuchten, in
die wir deutschen Farmer gebracht werden, indem Südwestafrika mit seinen
Produkten vom südafrikanischen Ochsenmarkte immer mehr verdrängt wird,
ohne daß die Regierung uns tatkräftige Hilfe zuteil werden läßt.



*) Vergl. Grenzboten Heft 26/26 „Deutsche Volksgemeinschaft".
1*
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/17>, abgerufen am 24.07.2024.