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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Aus neuen Büchern

-- die Amerikaner möchten sich ja vor ihnen in Acht nehmen -- ausschalten
lassen könnte. Gleichzeitig wurde der neue amerikanische Gesandte in Paris osten¬
tativ wie ein Messias empfangen und im "Matin" die alte Diplomatie, System
Lloyd George, der auf der Versailler Konferenz bekannlich Wilson zum Opfer
gefallen sei, der neuen, der amerikanischen, die Harding verträte in nicht miszzu-
verstehender Weise gegenübergestellt. Zurückhaltender benahm sich Japan, das,
da es sich gleichfalls noch nicht gerüstet genug fühlt und z. V. erst jetzt wieder in
Frankreich viele Flugzeuge bestellt hat, zwar über die Abrüstung mit sich reden
lassen, alle Korea, Formosa, Mandschurei und Ostsibirien betreffenden Fragen
aber beiseite gelassen wissen wollte. Da England hiergegen wieder nicht viel ein¬
zuwenden haben konnte, und da in Ostasien zurzeit gerade die Franzosen am
stärksten unter dem japanischen Wettbewerb leiden, hatten diese wieder einen
Grund mehr, den Amerikanern ihre diplomatische Hilfe gegen England anzubieten.
Auch sonst hat man Grund, sich auf die Seite Amerikas zu schlagen. Um nämlich
die zum Teil unter englischer Beihilfe verkrachende Kanone industrielle cle Llrine
zu retten, schweben Verhandlungen der französischen Regierung mit Jules Cambon,
der im Verwaltungsrat nicht nur der öanque cke Paris et clef ?a^s Las, sondern
auch der Ltanclarci kranLo-ÄmenLains sitzt, einer Filiale der amerikanischen Standard
Oil. Gehen aber Frankreich und Amerika zusammen, so kann man England
entbehren, und will dieses diplomatische Unterstützung, so ist es auf Frankreichs
Wohlwollen angewiesen. Daher auf einmal die französischen Eigenmächtigkeiten,
die Abberufung der französischen Vertreter in Leipzig, die neue Hetze gegen
Deutschland, die Oberschlesiennote, die verstärkte französische Rüstung in Polen,
der neue Schrei nach dem Ruhrgebiet, der verstärkte Ausbau von Frankreichs
Stellung in den österreichischen Nachfolgerstaaten. Kein Mensch verdenke den
Franzosen, daß sie französische Politik machen, nur daß sie eine versöhnliche, eine
europäische Versöhnungsvolitik treiben, sollte nach den Erfahrungen der letzten
beiden Monate niemand mehr behaupten. Sie hatten eine einzigartige Gelegenheit,
diesen Willen, wenn er vorhanden war, zu bekennen, sie haben die Gelegenheit
vorübergehen lassen. Die Folgen werden sie selbst zu tragen haben. Menenius




Aus neuen Büchern

Tagebnchbliitter eines Monisten. Friedrich Jott. Sein Leben und Wirken. Dar¬
gestellt nach Tagebüchern und Briefen von Margarete Jott. Mit drei Bildnissen.
Stuttgart, Cotta, Geh. M. 22.50, in Halbleinen geb. M. 33.--
'

Dem von der Lebensgenossin verständnisvoll gesichteten und biographisch
verbundenen Rachias; des Geschichtsschreibers der Ethik entnehmen wir einige Aus¬
schnitte, welche die Vielseitigkeit seiner Erlebniswclt andeuten. Die kulturpolitischen
Kämpfe, in denen Jott stand, lassen wir bei dieser Auswahl beiseite) in der
Biographie selbst nehmen sie einen breiten Raum ein und machen das Buch zu
einem Quellenwerk für das Aufklärertum in der letzten Periode des alten Osterreich.
Alles in allem, eine der gehalt- und geschmackvollsten Gelehrtenbiographien unserer
Tage.

S. 33: "Wissenschaft und Leben sind nichts anderes als die ewige Dialektik
des Geistes,- nicht die Ruhe der Vollendung, nicht der Stillstand glücklicher Selbst-


Aus neuen Büchern

— die Amerikaner möchten sich ja vor ihnen in Acht nehmen — ausschalten
lassen könnte. Gleichzeitig wurde der neue amerikanische Gesandte in Paris osten¬
tativ wie ein Messias empfangen und im „Matin" die alte Diplomatie, System
Lloyd George, der auf der Versailler Konferenz bekannlich Wilson zum Opfer
gefallen sei, der neuen, der amerikanischen, die Harding verträte in nicht miszzu-
verstehender Weise gegenübergestellt. Zurückhaltender benahm sich Japan, das,
da es sich gleichfalls noch nicht gerüstet genug fühlt und z. V. erst jetzt wieder in
Frankreich viele Flugzeuge bestellt hat, zwar über die Abrüstung mit sich reden
lassen, alle Korea, Formosa, Mandschurei und Ostsibirien betreffenden Fragen
aber beiseite gelassen wissen wollte. Da England hiergegen wieder nicht viel ein¬
zuwenden haben konnte, und da in Ostasien zurzeit gerade die Franzosen am
stärksten unter dem japanischen Wettbewerb leiden, hatten diese wieder einen
Grund mehr, den Amerikanern ihre diplomatische Hilfe gegen England anzubieten.
Auch sonst hat man Grund, sich auf die Seite Amerikas zu schlagen. Um nämlich
die zum Teil unter englischer Beihilfe verkrachende Kanone industrielle cle Llrine
zu retten, schweben Verhandlungen der französischen Regierung mit Jules Cambon,
der im Verwaltungsrat nicht nur der öanque cke Paris et clef ?a^s Las, sondern
auch der Ltanclarci kranLo-ÄmenLains sitzt, einer Filiale der amerikanischen Standard
Oil. Gehen aber Frankreich und Amerika zusammen, so kann man England
entbehren, und will dieses diplomatische Unterstützung, so ist es auf Frankreichs
Wohlwollen angewiesen. Daher auf einmal die französischen Eigenmächtigkeiten,
die Abberufung der französischen Vertreter in Leipzig, die neue Hetze gegen
Deutschland, die Oberschlesiennote, die verstärkte französische Rüstung in Polen,
der neue Schrei nach dem Ruhrgebiet, der verstärkte Ausbau von Frankreichs
Stellung in den österreichischen Nachfolgerstaaten. Kein Mensch verdenke den
Franzosen, daß sie französische Politik machen, nur daß sie eine versöhnliche, eine
europäische Versöhnungsvolitik treiben, sollte nach den Erfahrungen der letzten
beiden Monate niemand mehr behaupten. Sie hatten eine einzigartige Gelegenheit,
diesen Willen, wenn er vorhanden war, zu bekennen, sie haben die Gelegenheit
vorübergehen lassen. Die Folgen werden sie selbst zu tragen haben. Menenius




Aus neuen Büchern

Tagebnchbliitter eines Monisten. Friedrich Jott. Sein Leben und Wirken. Dar¬
gestellt nach Tagebüchern und Briefen von Margarete Jott. Mit drei Bildnissen.
Stuttgart, Cotta, Geh. M. 22.50, in Halbleinen geb. M. 33.—
'

Dem von der Lebensgenossin verständnisvoll gesichteten und biographisch
verbundenen Rachias; des Geschichtsschreibers der Ethik entnehmen wir einige Aus¬
schnitte, welche die Vielseitigkeit seiner Erlebniswclt andeuten. Die kulturpolitischen
Kämpfe, in denen Jott stand, lassen wir bei dieser Auswahl beiseite) in der
Biographie selbst nehmen sie einen breiten Raum ein und machen das Buch zu
einem Quellenwerk für das Aufklärertum in der letzten Periode des alten Osterreich.
Alles in allem, eine der gehalt- und geschmackvollsten Gelehrtenbiographien unserer
Tage.

S. 33: „Wissenschaft und Leben sind nichts anderes als die ewige Dialektik
des Geistes,- nicht die Ruhe der Vollendung, nicht der Stillstand glücklicher Selbst-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/134>, abgerufen am 22.12.2024.