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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Saburorv und die russischen Staatsakte" usw.

^aburow und die russischen Staatsakten über die
russisch-deutschen Beziehungen von ^8?9 bis ^890
Richard Fester Mitgeteilt von
(Schluß aus Heft 10)

Über die Motive der russischen Politik von 1881 hat sich später Giers
ausgesprochen. 22) Saburvw läßt viele Fragen offen, die nur ein Goriainow
beantworten konnte. Mer die Vorgänge im Schoße der russischen Regierung
erfährt man nichts. Auf die Rolle des alten Gortschakow, des Zaren, des Kriegs¬
ministers Miliutin und der anderen Mitspieler am Zarenhofe fällt kein neues
Licht. Der Auftrag Saburows im August 1879 und was seinen Instruktionen
im September 1879 und im März 1880 vorausgegangen ist, bleibt im dunkeln.
Nur aus einem Briefe des Botschafters an Baron Jomini vom 11. November 1880
läßt sich entnehmen, daß dieser Diplomat dem Verzicht Rußlands auf Koalitionen
das Wort redete, während' Saburow damals die Ansicht vertrat, daß Nußland
und Deutschland nur als Verbündete oder als Feinde nebeneinander leben könnten."")
Die Richtung der russischen Politik, die sich aus den inneren Gegensätzen heraus¬
gearbeitet hat, läßt sich aber auch aus dem Memoirenauszug erkennen. Schon
den Zarenbrief vom 15. August 1879 begleitet die Sorge, daß der Draht mit
Berlin abreißen könnte. Deutschland verdankt dem Zweibund, bevor er unter
Dach ist, daß seine Freundschaft von Nußland wieder gesucht wird. Sogar die
zweifelhafte Freundschaft mit Oesterreich wird in Kauf genommen, um sich
Bismarck nicht zum Feinde zu machen. Die Geduld des Wartens kann nicht
größer gedacht werden.

Die Gründe der Wartezeit enthalten weniger die Wiener Akten, die wir
hoffentlich bald durch Pribrcnn kennen lernen, als die noch unberührten Akten
über die parallelen deutsch-englischen Bündnisverhandlungen in Berlin und London.
Vorläufig wissen wir nur, daß Lord Beaeonsfield noch kurz vor seinem Rücktritt,
im April 1880 einen Bündnisentwurf ausgearbeitet hat.^) Saburows Witterung
war richtig, als er im März 1880 sich von dem Regierungswechsel in England
größeres Entgegenkommen in Berlin wie in Wien versprach. Beaeonsfields
Rücktritt hat seinen Schatten lange vorher geworfen. Aus der Wendung der
russisch-deutschen Verhandlungen wird man auf die Länge dieses Schattens und
auf Bismarcks Rechnen mit der Gefahr eines Ministeriums Gladstone schließen
dürfen. Ob Bismarck auf den Gedanken des Dreikaiserbundes verzichtet hätte,
wenn Beaeonsfield länger am Ruder blieb und das Bündnis mit England
zustande kam, darf trotzdem bezweifelt werden. Er hat nur auf den englischen
Trumpf in seinem Spiel gewartet, um, als er ausblieb, den Trumpf des Zwei-





2-) Am 14. September 183".
22) S> fährt a. a, O. fort: "Einen Mittelweg gibt es nicht oder er ist so beschaffen,
daß wir ihn nur durch ein Balcmeierwunder, wie auf der Schneide eines Messers, einhalten
könnten. Ich ziehe meinerseits ein System aufrichtiger Entente vor, wenn es uns in Gegen¬
wart und Zukunft greifbare Vorteile sichert."
2">) H, v, Eckardsiein hat den Entwurf bei Lord Nowton gesehen. Lebenserinnerungen.
2, S. 105 sf.
Saburorv und die russischen Staatsakte» usw.

^aburow und die russischen Staatsakten über die
russisch-deutschen Beziehungen von ^8?9 bis ^890
Richard Fester Mitgeteilt von
(Schluß aus Heft 10)

Über die Motive der russischen Politik von 1881 hat sich später Giers
ausgesprochen. 22) Saburvw läßt viele Fragen offen, die nur ein Goriainow
beantworten konnte. Mer die Vorgänge im Schoße der russischen Regierung
erfährt man nichts. Auf die Rolle des alten Gortschakow, des Zaren, des Kriegs¬
ministers Miliutin und der anderen Mitspieler am Zarenhofe fällt kein neues
Licht. Der Auftrag Saburows im August 1879 und was seinen Instruktionen
im September 1879 und im März 1880 vorausgegangen ist, bleibt im dunkeln.
Nur aus einem Briefe des Botschafters an Baron Jomini vom 11. November 1880
läßt sich entnehmen, daß dieser Diplomat dem Verzicht Rußlands auf Koalitionen
das Wort redete, während' Saburow damals die Ansicht vertrat, daß Nußland
und Deutschland nur als Verbündete oder als Feinde nebeneinander leben könnten.»")
Die Richtung der russischen Politik, die sich aus den inneren Gegensätzen heraus¬
gearbeitet hat, läßt sich aber auch aus dem Memoirenauszug erkennen. Schon
den Zarenbrief vom 15. August 1879 begleitet die Sorge, daß der Draht mit
Berlin abreißen könnte. Deutschland verdankt dem Zweibund, bevor er unter
Dach ist, daß seine Freundschaft von Nußland wieder gesucht wird. Sogar die
zweifelhafte Freundschaft mit Oesterreich wird in Kauf genommen, um sich
Bismarck nicht zum Feinde zu machen. Die Geduld des Wartens kann nicht
größer gedacht werden.

Die Gründe der Wartezeit enthalten weniger die Wiener Akten, die wir
hoffentlich bald durch Pribrcnn kennen lernen, als die noch unberührten Akten
über die parallelen deutsch-englischen Bündnisverhandlungen in Berlin und London.
Vorläufig wissen wir nur, daß Lord Beaeonsfield noch kurz vor seinem Rücktritt,
im April 1880 einen Bündnisentwurf ausgearbeitet hat.^) Saburows Witterung
war richtig, als er im März 1880 sich von dem Regierungswechsel in England
größeres Entgegenkommen in Berlin wie in Wien versprach. Beaeonsfields
Rücktritt hat seinen Schatten lange vorher geworfen. Aus der Wendung der
russisch-deutschen Verhandlungen wird man auf die Länge dieses Schattens und
auf Bismarcks Rechnen mit der Gefahr eines Ministeriums Gladstone schließen
dürfen. Ob Bismarck auf den Gedanken des Dreikaiserbundes verzichtet hätte,
wenn Beaeonsfield länger am Ruder blieb und das Bündnis mit England
zustande kam, darf trotzdem bezweifelt werden. Er hat nur auf den englischen
Trumpf in seinem Spiel gewartet, um, als er ausblieb, den Trumpf des Zwei-





2-) Am 14. September 183«.
22) S> fährt a. a, O. fort: „Einen Mittelweg gibt es nicht oder er ist so beschaffen,
daß wir ihn nur durch ein Balcmeierwunder, wie auf der Schneide eines Messers, einhalten
könnten. Ich ziehe meinerseits ein System aufrichtiger Entente vor, wenn es uns in Gegen¬
wart und Zukunft greifbare Vorteile sichert."
2">) H, v, Eckardsiein hat den Entwurf bei Lord Nowton gesehen. Lebenserinnerungen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/92>, abgerufen am 23.11.2024.