Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr."Die Republik erschafft nicht große und H. v. Sybel. Zum 27. Januar 5925 Geh. R. Professor Dr. Sadi ein an n von KW Grenzboten I 1921 6
„Die Republik erschafft nicht große und H. v. Sybel. Zum 27. Januar 5925 Geh. R. Professor Dr. Sadi ein an n von KW Grenzboten I 1921 6
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338528"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341913_338432/figures/grenzboten_341913_338432_338528_000.jpg"/><lb/> <quote type="epigraph"> „Die Republik erschafft nicht große und<lb/> reine Charaktere, sondern setzt sie als Gemein¬<lb/> gut der souveränen Masse voraus, und da diese<lb/> Voraussetzung nichts als ein holder Zukunfts¬<lb/> traum ist, so weiß die Geschichte bisher nur in<lb/> sehr beschränktem Matze von republikanischen<lb/> Gedeihen zu berichten."</quote><lb/> <note type="bibl"> H. v. Sybel.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zum 27. Januar 5925<lb/><note type="byline"> Geh. R. Professor Dr. Sadi ein an n</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_301" next="#ID_302"> KW<lb/> xDW<lb/> MKleit dem unseligen 9. November 1918 begehen wir zum drittenmal<lb/> in Trauer den Tag, der ein Festtag des deutschen Volkes gewesen<lb/> ist/, seit Kaiser Wilhelm II die schwere Verantwortung überkam, die<lb/> ihm mit der Deutschen Kaiserkrone zufiel. Zum 27. Januar 1915<lb/> Prangte Berlin in einem Flaggenschmuck wie noch nie vorher,'<lb/> kein Haus, auch in der abgelegensten Straße nicht, wollte den augenfälligen<lb/> Ausdruck seiner patriotisch monarchischen Gesinnung sich entgehen lassen.<lb/> Aber schon damals begann eine zunächst im dunkeln schleichende Agitation/<lb/> die, wie der unabhängige Sozialist Vater bekannt hat, als für ihn damit keine<lb/> Gefahr mehr verbunden war, seit dem 25. Januar 1915 den Umsturz systematisch<lb/> vorbereitete. „Wir haben," sagte er in einer Rede, die er 1913 in Magdeburg<lb/> hielt, „unsere Leute, die an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die<lb/> Fahnenflüchtigen haben wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit<lb/> Geld und unterschriftsloscn Papieren versehen. Wir haben diese Leute nach allen<lb/> Himmelsrichtungen, hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Front¬<lb/> soldaten bearbeiten und die Front zermürben sollten. Diese haben die Soldaten<lb/> bestimmt, überzulaufen, und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher, vollzogen."<lb/> Dieser schändliche Hochverrat ist durch eine aus bi-'ßer Angst erlassene Amnestie<lb/> der strafenden Hand der Gerechtigkeit entzogen worden. Herr Vater und seine<lb/> Gesinnungsgenossen und Helfershelfer dürfen sich noch heute mit frecher Stirn<lb/> vor der Öffentlichkeit zeigen und werden ungestraft ins Grab sinken, auf welches</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1921 6</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
[Abbildung]
„Die Republik erschafft nicht große und
reine Charaktere, sondern setzt sie als Gemein¬
gut der souveränen Masse voraus, und da diese
Voraussetzung nichts als ein holder Zukunfts¬
traum ist, so weiß die Geschichte bisher nur in
sehr beschränktem Matze von republikanischen
Gedeihen zu berichten."
H. v. Sybel.
Zum 27. Januar 5925
Geh. R. Professor Dr. Sadi ein an n von
KW
xDW
MKleit dem unseligen 9. November 1918 begehen wir zum drittenmal
in Trauer den Tag, der ein Festtag des deutschen Volkes gewesen
ist/, seit Kaiser Wilhelm II die schwere Verantwortung überkam, die
ihm mit der Deutschen Kaiserkrone zufiel. Zum 27. Januar 1915
Prangte Berlin in einem Flaggenschmuck wie noch nie vorher,'
kein Haus, auch in der abgelegensten Straße nicht, wollte den augenfälligen
Ausdruck seiner patriotisch monarchischen Gesinnung sich entgehen lassen.
Aber schon damals begann eine zunächst im dunkeln schleichende Agitation/
die, wie der unabhängige Sozialist Vater bekannt hat, als für ihn damit keine
Gefahr mehr verbunden war, seit dem 25. Januar 1915 den Umsturz systematisch
vorbereitete. „Wir haben," sagte er in einer Rede, die er 1913 in Magdeburg
hielt, „unsere Leute, die an die Front gingen, zur Fahnenflucht veranlaßt, die
Fahnenflüchtigen haben wir organisiert, mit falschen Papieren ausgestattet, mit
Geld und unterschriftsloscn Papieren versehen. Wir haben diese Leute nach allen
Himmelsrichtungen, hauptsächlich wieder an die Front geschickt, damit sie die Front¬
soldaten bearbeiten und die Front zermürben sollten. Diese haben die Soldaten
bestimmt, überzulaufen, und so hat sich der Zerfall allmählich, aber sicher, vollzogen."
Dieser schändliche Hochverrat ist durch eine aus bi-'ßer Angst erlassene Amnestie
der strafenden Hand der Gerechtigkeit entzogen worden. Herr Vater und seine
Gesinnungsgenossen und Helfershelfer dürfen sich noch heute mit frecher Stirn
vor der Öffentlichkeit zeigen und werden ungestraft ins Grab sinken, auf welches
Grenzboten I 1921 6
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