Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Gesetz der Sprache im Teben der Völker

Ebenso ist es bekannt, daß Spiridin Gopeewitsch sich wiederholt in ähnlichem
Sinne äußerte. Er legte dar, daß es das größte Glück für Serbien wäre, wenn
es in seiner Gesamtheit vereinigt und an Osterreich angeschlossen wäre.°)

Es ist selbstverständlich, daß diese Äußerungen nur unter gewissen Voraus¬
setzungen gemacht wurden. Ammerhin zeigen sie, daß Anknüpfungspunkte vor¬
handen sind. Man erinnere sich auch an das einst so enge Verhältnis zwischen
Kroatien und Wien, man berücksichtige, daß jetzt etwa die Hülste der kärntner
Slowenen für Osterreich gestimmt hat. Man vergesse nicht, daß die zahlreichen
Deutschen im Osten überall zu unserem Kulturkreis gern gehören, wenn sie auch
treue Bürger der Staaten, in denen sie wohnen, sind und sein wollen. Eine
deutsche Banaler Zeitung hat schon vor ein und einem halben Jahre ihr Pro¬
gramm in die bündige Erklärung gekleidet: Wir. wollen den deutschen Volks¬
genossen gutes Banater Mehl liefern, damit sie uns ihre guten Industrieartikel
schicken. Und das ist das Um und Auf unserer künftigen Wirtschaftspolitik.

Kurzum, es gibt mancherlei Anknüpfungspunkte zu den Nachbarstaaten, und
wo sie fehlen, werden sie sich unter der Neugestaltung der Verhältnisse ergeben.
Auch die Tschechen werden das einsehen müssen. Man übersehe nicht, daß die
starken Gegensätze der letzten Jahrzehnte doch zum großen Teil daraus entstanden,
daß man in Österreich und in Ungarn auf die Wünsche der Slawen nach Auto¬
nomie (bundesstaatliche Ausgestaltung) nicht rechtzeitig einging. In der Form
der von den Großdeutschcn schon 1848 vorgeschlagenen Föderativverfassung
(engerer und weiterer Bund, Anschluß und Dvnaufödcration) liegt für die Zukunft
die Hoffnung auf Gesundung der völkischen Beziehungen im Donauland.




Das Gesetz der Sprache im Leben der Völker^)
Richard Lenz. von
1.

So wie der einzelne, wenn er darüber nachdenkt, was ihn mit seinen Volks¬
genossen im letzten Sinne einige, nichts anderes anzugeben vermag, als Sprache
denn Geist, Poesie, Kunst, Erfindung, Denken, Wissenschaft, Religion, Kultur,
alles fließt letzten Endes aus der Sprache; so vermag er auch für das, was ihn
"ein einem fremden Volke trennt, nichts anderes anzugeben als Sprache. Er mag
vermuten, daß für die Art Mensch, die er ist, entsprechende, ja geeignetere Menschen
in dem anderen Volk existieren, eher vielleicht als in der Menge der eigenen Nation,
die ihn zufällig umgibt -- aber er kann sich nicht mit ihnen verständigen,
Und spräche er die Sprache des Fremden noch so "fließend"; der Geist der
Sprachen stellt, ihm unbewußt, ein ewiges Hindernis zwischen ihm und dem




°) Val. "Das Neue Deutschland" 1905 S, 117.
*) Dieser Aufsatz ist die eingehendere Darstellung eines Gedankens, den der Ver¬
fasser in seiner Schrift über "Die Grundlagen der deutschen Bildung" (Jena, bei Eugen
Diederichs, 1920) behandelt.
Das Gesetz der Sprache im Teben der Völker

Ebenso ist es bekannt, daß Spiridin Gopeewitsch sich wiederholt in ähnlichem
Sinne äußerte. Er legte dar, daß es das größte Glück für Serbien wäre, wenn
es in seiner Gesamtheit vereinigt und an Osterreich angeschlossen wäre.°)

Es ist selbstverständlich, daß diese Äußerungen nur unter gewissen Voraus¬
setzungen gemacht wurden. Ammerhin zeigen sie, daß Anknüpfungspunkte vor¬
handen sind. Man erinnere sich auch an das einst so enge Verhältnis zwischen
Kroatien und Wien, man berücksichtige, daß jetzt etwa die Hülste der kärntner
Slowenen für Osterreich gestimmt hat. Man vergesse nicht, daß die zahlreichen
Deutschen im Osten überall zu unserem Kulturkreis gern gehören, wenn sie auch
treue Bürger der Staaten, in denen sie wohnen, sind und sein wollen. Eine
deutsche Banaler Zeitung hat schon vor ein und einem halben Jahre ihr Pro¬
gramm in die bündige Erklärung gekleidet: Wir. wollen den deutschen Volks¬
genossen gutes Banater Mehl liefern, damit sie uns ihre guten Industrieartikel
schicken. Und das ist das Um und Auf unserer künftigen Wirtschaftspolitik.

Kurzum, es gibt mancherlei Anknüpfungspunkte zu den Nachbarstaaten, und
wo sie fehlen, werden sie sich unter der Neugestaltung der Verhältnisse ergeben.
Auch die Tschechen werden das einsehen müssen. Man übersehe nicht, daß die
starken Gegensätze der letzten Jahrzehnte doch zum großen Teil daraus entstanden,
daß man in Österreich und in Ungarn auf die Wünsche der Slawen nach Auto¬
nomie (bundesstaatliche Ausgestaltung) nicht rechtzeitig einging. In der Form
der von den Großdeutschcn schon 1848 vorgeschlagenen Föderativverfassung
(engerer und weiterer Bund, Anschluß und Dvnaufödcration) liegt für die Zukunft
die Hoffnung auf Gesundung der völkischen Beziehungen im Donauland.




Das Gesetz der Sprache im Leben der Völker^)
Richard Lenz. von
1.

So wie der einzelne, wenn er darüber nachdenkt, was ihn mit seinen Volks¬
genossen im letzten Sinne einige, nichts anderes anzugeben vermag, als Sprache
denn Geist, Poesie, Kunst, Erfindung, Denken, Wissenschaft, Religion, Kultur,
alles fließt letzten Endes aus der Sprache; so vermag er auch für das, was ihn
»ein einem fremden Volke trennt, nichts anderes anzugeben als Sprache. Er mag
vermuten, daß für die Art Mensch, die er ist, entsprechende, ja geeignetere Menschen
in dem anderen Volk existieren, eher vielleicht als in der Menge der eigenen Nation,
die ihn zufällig umgibt — aber er kann sich nicht mit ihnen verständigen,
Und spräche er die Sprache des Fremden noch so „fließend"; der Geist der
Sprachen stellt, ihm unbewußt, ein ewiges Hindernis zwischen ihm und dem




°) Val. „Das Neue Deutschland" 1905 S, 117.
*) Dieser Aufsatz ist die eingehendere Darstellung eines Gedankens, den der Ver¬
fasser in seiner Schrift über „Die Grundlagen der deutschen Bildung" (Jena, bei Eugen
Diederichs, 1920) behandelt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0072" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338505"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Gesetz der Sprache im Teben der Völker</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_202"> Ebenso ist es bekannt, daß Spiridin Gopeewitsch sich wiederholt in ähnlichem<lb/>
Sinne äußerte. Er legte dar, daß es das größte Glück für Serbien wäre, wenn<lb/>
es in seiner Gesamtheit vereinigt und an Osterreich angeschlossen wäre.°)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_203"> Es ist selbstverständlich, daß diese Äußerungen nur unter gewissen Voraus¬<lb/>
setzungen gemacht wurden. Ammerhin zeigen sie, daß Anknüpfungspunkte vor¬<lb/>
handen sind. Man erinnere sich auch an das einst so enge Verhältnis zwischen<lb/>
Kroatien und Wien, man berücksichtige, daß jetzt etwa die Hülste der kärntner<lb/>
Slowenen für Osterreich gestimmt hat. Man vergesse nicht, daß die zahlreichen<lb/>
Deutschen im Osten überall zu unserem Kulturkreis gern gehören, wenn sie auch<lb/>
treue Bürger der Staaten, in denen sie wohnen, sind und sein wollen. Eine<lb/>
deutsche Banaler Zeitung hat schon vor ein und einem halben Jahre ihr Pro¬<lb/>
gramm in die bündige Erklärung gekleidet: Wir. wollen den deutschen Volks¬<lb/>
genossen gutes Banater Mehl liefern, damit sie uns ihre guten Industrieartikel<lb/>
schicken. Und das ist das Um und Auf unserer künftigen Wirtschaftspolitik.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_204"> Kurzum, es gibt mancherlei Anknüpfungspunkte zu den Nachbarstaaten, und<lb/>
wo sie fehlen, werden sie sich unter der Neugestaltung der Verhältnisse ergeben.<lb/>
Auch die Tschechen werden das einsehen müssen. Man übersehe nicht, daß die<lb/>
starken Gegensätze der letzten Jahrzehnte doch zum großen Teil daraus entstanden,<lb/>
daß man in Österreich und in Ungarn auf die Wünsche der Slawen nach Auto¬<lb/>
nomie (bundesstaatliche Ausgestaltung) nicht rechtzeitig einging. In der Form<lb/>
der von den Großdeutschcn schon 1848 vorgeschlagenen Föderativverfassung<lb/>
(engerer und weiterer Bund, Anschluß und Dvnaufödcration) liegt für die Zukunft<lb/>
die Hoffnung auf Gesundung der völkischen Beziehungen im Donauland.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Gesetz der Sprache im Leben der Völker^)<lb/><note type="byline"> Richard Lenz.</note> von</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 1.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_205" next="#ID_206"> So wie der einzelne, wenn er darüber nachdenkt, was ihn mit seinen Volks¬<lb/>
genossen im letzten Sinne einige, nichts anderes anzugeben vermag, als Sprache<lb/>
denn Geist, Poesie, Kunst, Erfindung, Denken, Wissenschaft, Religion, Kultur,<lb/>
alles fließt letzten Endes aus der Sprache; so vermag er auch für das, was ihn<lb/>
»ein einem fremden Volke trennt, nichts anderes anzugeben als Sprache. Er mag<lb/>
vermuten, daß für die Art Mensch, die er ist, entsprechende, ja geeignetere Menschen<lb/>
in dem anderen Volk existieren, eher vielleicht als in der Menge der eigenen Nation,<lb/>
die ihn zufällig umgibt &#x2014; aber er kann sich nicht mit ihnen verständigen,<lb/>
Und spräche er die Sprache des Fremden noch so &#x201E;fließend"; der Geist der<lb/>
Sprachen stellt, ihm unbewußt, ein ewiges Hindernis zwischen ihm und dem</p><lb/>
            <note xml:id="FID_12" place="foot"> °) Val. &#x201E;Das Neue Deutschland" 1905 S, 117.</note><lb/>
            <note xml:id="FID_13" place="foot"> *) Dieser Aufsatz ist die eingehendere Darstellung eines Gedankens, den der Ver¬<lb/>
fasser in seiner Schrift über &#x201E;Die Grundlagen der deutschen Bildung" (Jena, bei Eugen<lb/>
Diederichs, 1920) behandelt.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0072] Das Gesetz der Sprache im Teben der Völker Ebenso ist es bekannt, daß Spiridin Gopeewitsch sich wiederholt in ähnlichem Sinne äußerte. Er legte dar, daß es das größte Glück für Serbien wäre, wenn es in seiner Gesamtheit vereinigt und an Osterreich angeschlossen wäre.°) Es ist selbstverständlich, daß diese Äußerungen nur unter gewissen Voraus¬ setzungen gemacht wurden. Ammerhin zeigen sie, daß Anknüpfungspunkte vor¬ handen sind. Man erinnere sich auch an das einst so enge Verhältnis zwischen Kroatien und Wien, man berücksichtige, daß jetzt etwa die Hülste der kärntner Slowenen für Osterreich gestimmt hat. Man vergesse nicht, daß die zahlreichen Deutschen im Osten überall zu unserem Kulturkreis gern gehören, wenn sie auch treue Bürger der Staaten, in denen sie wohnen, sind und sein wollen. Eine deutsche Banaler Zeitung hat schon vor ein und einem halben Jahre ihr Pro¬ gramm in die bündige Erklärung gekleidet: Wir. wollen den deutschen Volks¬ genossen gutes Banater Mehl liefern, damit sie uns ihre guten Industrieartikel schicken. Und das ist das Um und Auf unserer künftigen Wirtschaftspolitik. Kurzum, es gibt mancherlei Anknüpfungspunkte zu den Nachbarstaaten, und wo sie fehlen, werden sie sich unter der Neugestaltung der Verhältnisse ergeben. Auch die Tschechen werden das einsehen müssen. Man übersehe nicht, daß die starken Gegensätze der letzten Jahrzehnte doch zum großen Teil daraus entstanden, daß man in Österreich und in Ungarn auf die Wünsche der Slawen nach Auto¬ nomie (bundesstaatliche Ausgestaltung) nicht rechtzeitig einging. In der Form der von den Großdeutschcn schon 1848 vorgeschlagenen Föderativverfassung (engerer und weiterer Bund, Anschluß und Dvnaufödcration) liegt für die Zukunft die Hoffnung auf Gesundung der völkischen Beziehungen im Donauland. Das Gesetz der Sprache im Leben der Völker^) Richard Lenz. von 1. So wie der einzelne, wenn er darüber nachdenkt, was ihn mit seinen Volks¬ genossen im letzten Sinne einige, nichts anderes anzugeben vermag, als Sprache denn Geist, Poesie, Kunst, Erfindung, Denken, Wissenschaft, Religion, Kultur, alles fließt letzten Endes aus der Sprache; so vermag er auch für das, was ihn »ein einem fremden Volke trennt, nichts anderes anzugeben als Sprache. Er mag vermuten, daß für die Art Mensch, die er ist, entsprechende, ja geeignetere Menschen in dem anderen Volk existieren, eher vielleicht als in der Menge der eigenen Nation, die ihn zufällig umgibt — aber er kann sich nicht mit ihnen verständigen, Und spräche er die Sprache des Fremden noch so „fließend"; der Geist der Sprachen stellt, ihm unbewußt, ein ewiges Hindernis zwischen ihm und dem °) Val. „Das Neue Deutschland" 1905 S, 117. *) Dieser Aufsatz ist die eingehendere Darstellung eines Gedankens, den der Ver¬ fasser in seiner Schrift über „Die Grundlagen der deutschen Bildung" (Jena, bei Eugen Diederichs, 1920) behandelt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/72
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/72>, abgerufen am 27.06.2024.