Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Line lvintcrreise nach dein Westen ,Guilleaumes^ waren die Fesseln abgenommen, das Standbild selbst darf nicht In diesem Winter empfing mich Metz etwas lebendiger, man hatte inzwischen verbum Der einzige Zug nach Berdun fährt 4 Uhr nachts von Metz ab. Er war Line lvintcrreise nach dein Westen ,Guilleaumes^ waren die Fesseln abgenommen, das Standbild selbst darf nicht In diesem Winter empfing mich Metz etwas lebendiger, man hatte inzwischen verbum Der einzige Zug nach Berdun fährt 4 Uhr nachts von Metz ab. Er war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338787"/> <fw type="header" place="top"> Line lvintcrreise nach dein Westen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1314" prev="#ID_1313"> ,Guilleaumes^ waren die Fesseln abgenommen, das Standbild selbst darf nicht<lb/> entfernt werden, weil es der Erzbischof geweiht hat; die Lothringer sind<lb/> gläubige Katholiken, und so stand er noch in seiner steinernen Kapuze am<lb/> Eingang des Doms. Dem „Polin" dagegen, der seinen Absatz auf den deutschen<lb/> Sturmhelm setzt auf der Esplanade, den man an Stelle des gestürzten alten<lb/> Kaisers hingesetzt, war der Fuß und der Kopf abgerissen worden. Der Täter<lb/> wurde gerade gesucht... Auf dem Sockel standen die Worte: „Von seinem<lb/> dankbaren Volk."</p><lb/> <p xml:id="ID_1315"> In diesem Winter empfing mich Metz etwas lebendiger, man hatte inzwischen<lb/> die Garnison verstärkt, man sah wieder Damen auf der Straße, die Geschäfte<lb/> sahen nicht mehr so kümmerlich aus, und die Opern wurden nicht mehr mit<lb/> Klavierbegleitung gegeben, man hatte ein kleines, bescheidenes Orchester zusammen¬<lb/> gebracht. Aber das Theater ist meist leer, wie dieStraßen, die Kinos, die Restaurants.<lb/> Man hörte mehr Deutsch wie je in Metz, der zurückgebliebene Stamm von<lb/> Beamten und Arbeitern ist in deutsche Schulen gegangen, und obwohl auf der<lb/> Post angeschrieben steht, daß man sich der französischen Sprache zu bedienen habe,<lb/> sprach man einfach deutsch. In der Schule gibt es „Bocheklassen", die auch<lb/> untereinander spielen und sich keineswegs zurückgesetzt fühlen. Die Esplanade<lb/> war leer, einige himmelblaue Mäntel der Offiziere, die mit ihren Spazierstöckchen<lb/> an den leeren Denkmälern vorbeischlendern, einige in schwarze Pelz- oder Plüsch¬<lb/> mäntel bis an die Nasenspitze eingewickelte Damen trippelten in hochgestöckelten<lb/> Schühchen vor mir her) es war nicht mehr das alte Metz, ach nein, es war eine<lb/> kleine Garnison, sehr eng, sehr provinzial...</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> verbum</head><lb/> <p xml:id="ID_1316" next="#ID_1317"> Der einzige Zug nach Berdun fährt 4 Uhr nachts von Metz ab. Er war<lb/> eiskalt und leer — außer uns ein paar schlafende Poltus —, und er bummelte<lb/> so gemächlich durch die Nacht, als sei es gleichgültig, wann er irgendwo ankäme.<lb/> Das Kohlenbecken von Vionville lag hinter mir, der Zug durchschnitt die Hoch¬<lb/> ebene, auf der sich nur selten das Licht eines schlafenden Dorfes zeigte oder die<lb/> schlanke Silhouette eines Schornsteines, der Mauerrand eines Kirchhofs mit einem<lb/> sterbenden Christus am Holzkreuz. Es war kalt, am Himmel blinkten noch die<lb/> Sterne. In Constans konnte man sich in dem Wartesaal wärmen, ein eiserner<lb/> Ofen brannte, „es ist noch ein deutscher", sagte der Kellner, „den haben uns die<lb/> Boches gelassen", und er setzte auf den kleinen Marmortisch den dampfenden<lb/> schwarzen Kaffee in hohen Gläsern, während Madame in dicken Filzparisern herbei¬<lb/> schlürfte, um das Feuer zu schüren. Um uns her Bauern, Soldaten, Viehhändler,<lb/> die gähnen und schnarchen und vor ihren Apöritivs sitzen. Ich hatte von allen<lb/> Seiten Warnungen mit auf den Weg bekommen, aber ich sagte: „Meine Herren,<lb/> ich lebe in Halle, vor was sollen wir uns denn noch fürchten?" In Halle____<lb/> davon haben selbst die Franzosen gehört.... Vous los avex vu ac Ms. „Sie"<lb/> sind in diesem Falle die Bolschewismen, von denen sich der militärische Franzose<lb/> so weit, weit entfernt fühlt. Dann saß ich Wieder im Zug. — Das Land<lb/> erwacht langsam im Morgengrauen eines Novembertags, kurz vor Etain beginnen,<lb/> die Zerstörungen, die xg^s <Zvvast<zö dehnen sich erdfarben, darüber ein metam-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
Line lvintcrreise nach dein Westen
,Guilleaumes^ waren die Fesseln abgenommen, das Standbild selbst darf nicht
entfernt werden, weil es der Erzbischof geweiht hat; die Lothringer sind
gläubige Katholiken, und so stand er noch in seiner steinernen Kapuze am
Eingang des Doms. Dem „Polin" dagegen, der seinen Absatz auf den deutschen
Sturmhelm setzt auf der Esplanade, den man an Stelle des gestürzten alten
Kaisers hingesetzt, war der Fuß und der Kopf abgerissen worden. Der Täter
wurde gerade gesucht... Auf dem Sockel standen die Worte: „Von seinem
dankbaren Volk."
In diesem Winter empfing mich Metz etwas lebendiger, man hatte inzwischen
die Garnison verstärkt, man sah wieder Damen auf der Straße, die Geschäfte
sahen nicht mehr so kümmerlich aus, und die Opern wurden nicht mehr mit
Klavierbegleitung gegeben, man hatte ein kleines, bescheidenes Orchester zusammen¬
gebracht. Aber das Theater ist meist leer, wie dieStraßen, die Kinos, die Restaurants.
Man hörte mehr Deutsch wie je in Metz, der zurückgebliebene Stamm von
Beamten und Arbeitern ist in deutsche Schulen gegangen, und obwohl auf der
Post angeschrieben steht, daß man sich der französischen Sprache zu bedienen habe,
sprach man einfach deutsch. In der Schule gibt es „Bocheklassen", die auch
untereinander spielen und sich keineswegs zurückgesetzt fühlen. Die Esplanade
war leer, einige himmelblaue Mäntel der Offiziere, die mit ihren Spazierstöckchen
an den leeren Denkmälern vorbeischlendern, einige in schwarze Pelz- oder Plüsch¬
mäntel bis an die Nasenspitze eingewickelte Damen trippelten in hochgestöckelten
Schühchen vor mir her) es war nicht mehr das alte Metz, ach nein, es war eine
kleine Garnison, sehr eng, sehr provinzial...
verbum
Der einzige Zug nach Berdun fährt 4 Uhr nachts von Metz ab. Er war
eiskalt und leer — außer uns ein paar schlafende Poltus —, und er bummelte
so gemächlich durch die Nacht, als sei es gleichgültig, wann er irgendwo ankäme.
Das Kohlenbecken von Vionville lag hinter mir, der Zug durchschnitt die Hoch¬
ebene, auf der sich nur selten das Licht eines schlafenden Dorfes zeigte oder die
schlanke Silhouette eines Schornsteines, der Mauerrand eines Kirchhofs mit einem
sterbenden Christus am Holzkreuz. Es war kalt, am Himmel blinkten noch die
Sterne. In Constans konnte man sich in dem Wartesaal wärmen, ein eiserner
Ofen brannte, „es ist noch ein deutscher", sagte der Kellner, „den haben uns die
Boches gelassen", und er setzte auf den kleinen Marmortisch den dampfenden
schwarzen Kaffee in hohen Gläsern, während Madame in dicken Filzparisern herbei¬
schlürfte, um das Feuer zu schüren. Um uns her Bauern, Soldaten, Viehhändler,
die gähnen und schnarchen und vor ihren Apöritivs sitzen. Ich hatte von allen
Seiten Warnungen mit auf den Weg bekommen, aber ich sagte: „Meine Herren,
ich lebe in Halle, vor was sollen wir uns denn noch fürchten?" In Halle____
davon haben selbst die Franzosen gehört.... Vous los avex vu ac Ms. „Sie"
sind in diesem Falle die Bolschewismen, von denen sich der militärische Franzose
so weit, weit entfernt fühlt. Dann saß ich Wieder im Zug. — Das Land
erwacht langsam im Morgengrauen eines Novembertags, kurz vor Etain beginnen,
die Zerstörungen, die xg^s <Zvvast<zö dehnen sich erdfarben, darüber ein metam-
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