Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Ägypten und Englands Meltpolitik Ägypten und Englands lveltpolitik Friedrich von Berthelsdorfer von 18. Februar 1921 hat die britische Regierung die Vorschläge Ägypten bildet die Brücke zwischen den westlichen und östlichen Meeren, Nach 1815 war Frankreich England nicht mehr gefährlich. Nußland wurde Ägypten und Englands Meltpolitik Ägypten und Englands lveltpolitik Friedrich von Berthelsdorfer von 18. Februar 1921 hat die britische Regierung die Vorschläge Ägypten bildet die Brücke zwischen den westlichen und östlichen Meeren, Nach 1815 war Frankreich England nicht mehr gefährlich. Nußland wurde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338697"/> <fw type="header" place="top"> Ägypten und Englands Meltpolitik</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ägypten und Englands lveltpolitik<lb/><note type="byline"> Friedrich von Berthelsdorfer</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_920"> 18. Februar 1921 hat die britische Regierung die Vorschläge<lb/> Lord Milners betreffend die Anerkennung der Unabhängigkeit<lb/> Ägyptens unter gleichzeitigem Abschluß eines Bündnisvertrages<lb/> zwischen Großbritannien und Ägypten veröffentlicht. In der<lb/> Fülle der Erscheinungen der Gegenwart tritt damit das Land<lb/> wieder in den Vordergrund, das durch seine geographische Lage zum Angelpunkt<lb/> der englischen Weltmacht geworden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_921"> Ägypten bildet die Brücke zwischen den westlichen und östlichen Meeren,<lb/> zwischen Atlantischen und Irdischen Ozean. Schon vor dem Bau des Suez¬<lb/> kanals konnte eine starke Seemacht von hier aus den Handel Indiens und des<lb/> fernen Ostens ebenso wie den des nahen Ostens überwachen. Leibnitz hat<lb/> Ludwig XIV. auf diese Bedeutung Ägyptens hingewiesen und ihn aufgefordert,<lb/> das Land zu erobern. Er legte dar, daß der Besitz Ägyptens Frankreich die<lb/> Herrschaft über die Meere, den Handel im Osten und mit Indien, die Vormacht¬<lb/> stellung in der christlichen Welt und die Beherrschung des Ostens auf den<lb/> Trümmern der ottomanischen Macht geben, den Weg zu Eroberungen, würdig<lb/> eines Alexander, öffnen würde. „Wer Ägypten besitzt, wird alle Küsten und<lb/> Inseln des Indischen Ozeans besitzen." Den Rat des genialen deutschen Gelehrten<lb/> beachtete Ludwig XIV. nicht) ein Größerer, Bonaparte, griff ein Jahrhundert<lb/> später den Gedanken auf, scheiterte aber, weil seine Flotte bei Abukir Nelson<lb/> unterlag und England damit der Herr der Verbindungslinien von Frankreich nach<lb/> Ägypten wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_922"> Nach 1815 war Frankreich England nicht mehr gefährlich. Nußland wurde<lb/> zum großen Gegner der Weltmachtstellung Englands und rückte damit an die<lb/> Stelle in der Weltpolitik, die Frankreich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts<lb/> gehabt hatte. Der Gegensatz zwischen England und Rußland ergriff Asien und<lb/> das Osmanische Reich: Der Kampf um Indien und der Kampf um Konstantinopel<lb/> wurden die bestimmenden Gedanken. Als wohlwollender Schutzherr stand England<lb/> dein Osmanischcn Reich gegenüber, bereit, zur Verteidigung der Meerengen den<lb/> Krieg mit Rußland aufzunehmen. Im Krimkriege 1854 zieht es Napoleon III.<lb/> in den Kampf gegen Rußland, in der Krise von 1878 sucht es die Gemeinschaft<lb/> mit Osterreich. Dann kommt die Zeit, wo Rußland das Schwergewicht seines<lb/> politischen Ehrgeizes mehr und mehr nach dem Stillen Ozean verlegt, wo England<lb/> den Entschluß faßt, Ägypten unter seinen Einfluß zu bringen und daran geht, ein<lb/> afrikanisches Reich zu gründen, das mit Indien durch eine Landbrücke über Arabien<lb/> und Persien hinweg verbunden werden soll. Diesen Plänen ist das selbständige<lb/> Osmanische Reich ein Hindernis/ entsprechend wird es in der Wandlung der<lb/> öffentlichen Meinung aus einem Wohl besscrungsbedürftigen, aber doch entwicklungs¬<lb/> fähigen Staatswesen zu einem Hort der Grausamkeit und einem Hindernis der<lb/> Zivilisation. Englands Staatsmänner verstanden es stets meisterhaft, die Waffe<lb/> der öffentlichen Meinung zu handhaben und sie ihren Zwecken dienstbar zu<lb/> machen!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0264]
Ägypten und Englands Meltpolitik
Ägypten und Englands lveltpolitik
Friedrich von Berthelsdorfer von
18. Februar 1921 hat die britische Regierung die Vorschläge
Lord Milners betreffend die Anerkennung der Unabhängigkeit
Ägyptens unter gleichzeitigem Abschluß eines Bündnisvertrages
zwischen Großbritannien und Ägypten veröffentlicht. In der
Fülle der Erscheinungen der Gegenwart tritt damit das Land
wieder in den Vordergrund, das durch seine geographische Lage zum Angelpunkt
der englischen Weltmacht geworden ist.
Ägypten bildet die Brücke zwischen den westlichen und östlichen Meeren,
zwischen Atlantischen und Irdischen Ozean. Schon vor dem Bau des Suez¬
kanals konnte eine starke Seemacht von hier aus den Handel Indiens und des
fernen Ostens ebenso wie den des nahen Ostens überwachen. Leibnitz hat
Ludwig XIV. auf diese Bedeutung Ägyptens hingewiesen und ihn aufgefordert,
das Land zu erobern. Er legte dar, daß der Besitz Ägyptens Frankreich die
Herrschaft über die Meere, den Handel im Osten und mit Indien, die Vormacht¬
stellung in der christlichen Welt und die Beherrschung des Ostens auf den
Trümmern der ottomanischen Macht geben, den Weg zu Eroberungen, würdig
eines Alexander, öffnen würde. „Wer Ägypten besitzt, wird alle Küsten und
Inseln des Indischen Ozeans besitzen." Den Rat des genialen deutschen Gelehrten
beachtete Ludwig XIV. nicht) ein Größerer, Bonaparte, griff ein Jahrhundert
später den Gedanken auf, scheiterte aber, weil seine Flotte bei Abukir Nelson
unterlag und England damit der Herr der Verbindungslinien von Frankreich nach
Ägypten wurde.
Nach 1815 war Frankreich England nicht mehr gefährlich. Nußland wurde
zum großen Gegner der Weltmachtstellung Englands und rückte damit an die
Stelle in der Weltpolitik, die Frankreich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
gehabt hatte. Der Gegensatz zwischen England und Rußland ergriff Asien und
das Osmanische Reich: Der Kampf um Indien und der Kampf um Konstantinopel
wurden die bestimmenden Gedanken. Als wohlwollender Schutzherr stand England
dein Osmanischcn Reich gegenüber, bereit, zur Verteidigung der Meerengen den
Krieg mit Rußland aufzunehmen. Im Krimkriege 1854 zieht es Napoleon III.
in den Kampf gegen Rußland, in der Krise von 1878 sucht es die Gemeinschaft
mit Osterreich. Dann kommt die Zeit, wo Rußland das Schwergewicht seines
politischen Ehrgeizes mehr und mehr nach dem Stillen Ozean verlegt, wo England
den Entschluß faßt, Ägypten unter seinen Einfluß zu bringen und daran geht, ein
afrikanisches Reich zu gründen, das mit Indien durch eine Landbrücke über Arabien
und Persien hinweg verbunden werden soll. Diesen Plänen ist das selbständige
Osmanische Reich ein Hindernis/ entsprechend wird es in der Wandlung der
öffentlichen Meinung aus einem Wohl besscrungsbedürftigen, aber doch entwicklungs¬
fähigen Staatswesen zu einem Hort der Grausamkeit und einem Hindernis der
Zivilisation. Englands Staatsmänner verstanden es stets meisterhaft, die Waffe
der öffentlichen Meinung zu handhaben und sie ihren Zwecken dienstbar zu
machen!
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