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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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auch dann noch bleiben, wenn der heute herrschende Neopagcmismus der Vergangen¬
heit angehören wird. Unsere Beziehungen zu England sind stets für uns ein Fluch
gewesen. Aber wenn wir im Glauben verharren, werden wir sicher Sieger bleiben.

Der Tag der Freiheit und des Friedens wird um so früher hereinbrechen,
wenn wir resolut "wandeln wie die Kinder des Lichts, denn die Frucht des Geistes
ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit". (Eyb. 5. 8.)

"Sehet zu, daß niemand Böses mit Bösem jemand vergelte, sondern alle Zeit
jaget den: Guten nach, beides, untereinander und gegen jedermann." (1. Thess. 5.15.)

"Gott ist unsere Stütze, wie er stets durch alle Jahrhunderte des Leidens die
Hoffnung unserer Väter gewesen ist. Mit seinem Segen brauchen wir keinen Feind
zu fürchten. Unter seiner Führung brauchen wir vor der Zukunft nicht zu bangen."




Bürokraten-Briefe*)
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhausen von
VI. Die Sozialdemokratie und der deutsche Sieg

Mein Vorwurf dünkt Sie ungerecht? Sind es nicht Tatsachen, an deren Hand
ich das Verhalten der Sozialdemokratie im Weltkriege gekennzeichnet habe? Weiß
sie selbst auf dies Urteil etwas anderes zu erwidern als Ausreden, die von der Ver¬
legenheit der schuldbewußten zeugen: die Mitschuld anderer, die Fehler der Re¬
gierung und der Heeresleitung vor und im Kriege, die Unmöglichkeit erfolgreichen
Widerstandes gegen die ganze Welt, die Vereitelung eines rechtzeitigen, erträglichen
Friedens durch den alldeutschen Annexionismus u. tgi. mehr? Ich brauche mich
nicht mit einer Widerlegung aufzuhalten, brauche nicht erst nachzuweisen, daß die
.^icgszicle der Altdeutschen -- rührend bescheiden im Vergleich zu denen der Feinde
und als Gegengewicht gegen diese eine taktische Notwendigkeit -- keinen Friedens¬
schluß gefährden konnten, weil die Entente, so deutlich unsere Regierung jenen
"Annexionismus" verleugnete, jede Friedensverhandlung rücksichtslos von sich
wies; daß wir selbst, als an Sieg nicht mehr zu denken war, ohne den inneren Um¬
sturz durch Fortsetzung der Verteidigung bis zum nahen Winter, den auch die
Feinde sicher nicht ohne Not durchgekämpft hätten, zu einem Verhandlungsfrieden
mit ganz anderen Bedingungen hätten gelangen können, als sie uns in Versailles
diktiert worden sind; endlich: daß Mitschuld Irrender keinen Frevler reinwäscht!.
Es genügt, an ein Wort zu erinnern, das ein unumwundenes Schuldbekenntnis
enthält, das Wort, das nach der Selbstentlarvung der Entente in Versailles als
Stoßseufzer auf Tausenden von Lippen lag und von Führern der Schuldigen mehr¬
fach öffentlich ausgesprochen worden ist: "Hätten wir gewußt, daß es so kommen
würde...!" Dann, so muß man ergänzen, Härten wir uns nicht verleiten lassen, den
Widerstand aufzugeben, als er noch retten konnte.



*) Nachstehende "Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem
Winter 1919/20. Siehe mich "Grenzboten", Heft 44/45, 46, 47/48. 49, 50/Si. Zwei
weitere Briefe folgen in den nächsten Heften.

auch dann noch bleiben, wenn der heute herrschende Neopagcmismus der Vergangen¬
heit angehören wird. Unsere Beziehungen zu England sind stets für uns ein Fluch
gewesen. Aber wenn wir im Glauben verharren, werden wir sicher Sieger bleiben.

Der Tag der Freiheit und des Friedens wird um so früher hereinbrechen,
wenn wir resolut „wandeln wie die Kinder des Lichts, denn die Frucht des Geistes
ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit". (Eyb. 5. 8.)

„Sehet zu, daß niemand Böses mit Bösem jemand vergelte, sondern alle Zeit
jaget den: Guten nach, beides, untereinander und gegen jedermann." (1. Thess. 5.15.)

„Gott ist unsere Stütze, wie er stets durch alle Jahrhunderte des Leidens die
Hoffnung unserer Väter gewesen ist. Mit seinem Segen brauchen wir keinen Feind
zu fürchten. Unter seiner Führung brauchen wir vor der Zukunft nicht zu bangen."




Bürokraten-Briefe*)
Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhausen von
VI. Die Sozialdemokratie und der deutsche Sieg

Mein Vorwurf dünkt Sie ungerecht? Sind es nicht Tatsachen, an deren Hand
ich das Verhalten der Sozialdemokratie im Weltkriege gekennzeichnet habe? Weiß
sie selbst auf dies Urteil etwas anderes zu erwidern als Ausreden, die von der Ver¬
legenheit der schuldbewußten zeugen: die Mitschuld anderer, die Fehler der Re¬
gierung und der Heeresleitung vor und im Kriege, die Unmöglichkeit erfolgreichen
Widerstandes gegen die ganze Welt, die Vereitelung eines rechtzeitigen, erträglichen
Friedens durch den alldeutschen Annexionismus u. tgi. mehr? Ich brauche mich
nicht mit einer Widerlegung aufzuhalten, brauche nicht erst nachzuweisen, daß die
.^icgszicle der Altdeutschen — rührend bescheiden im Vergleich zu denen der Feinde
und als Gegengewicht gegen diese eine taktische Notwendigkeit — keinen Friedens¬
schluß gefährden konnten, weil die Entente, so deutlich unsere Regierung jenen
„Annexionismus" verleugnete, jede Friedensverhandlung rücksichtslos von sich
wies; daß wir selbst, als an Sieg nicht mehr zu denken war, ohne den inneren Um¬
sturz durch Fortsetzung der Verteidigung bis zum nahen Winter, den auch die
Feinde sicher nicht ohne Not durchgekämpft hätten, zu einem Verhandlungsfrieden
mit ganz anderen Bedingungen hätten gelangen können, als sie uns in Versailles
diktiert worden sind; endlich: daß Mitschuld Irrender keinen Frevler reinwäscht!.
Es genügt, an ein Wort zu erinnern, das ein unumwundenes Schuldbekenntnis
enthält, das Wort, das nach der Selbstentlarvung der Entente in Versailles als
Stoßseufzer auf Tausenden von Lippen lag und von Führern der Schuldigen mehr¬
fach öffentlich ausgesprochen worden ist: „Hätten wir gewußt, daß es so kommen
würde...!" Dann, so muß man ergänzen, Härten wir uns nicht verleiten lassen, den
Widerstand aufzugeben, als er noch retten konnte.



*) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem
Winter 1919/20. Siehe mich „Grenzboten", Heft 44/45, 46, 47/48. 49, 50/Si. Zwei
weitere Briefe folgen in den nächsten Heften.
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[0021] auch dann noch bleiben, wenn der heute herrschende Neopagcmismus der Vergangen¬ heit angehören wird. Unsere Beziehungen zu England sind stets für uns ein Fluch gewesen. Aber wenn wir im Glauben verharren, werden wir sicher Sieger bleiben. Der Tag der Freiheit und des Friedens wird um so früher hereinbrechen, wenn wir resolut „wandeln wie die Kinder des Lichts, denn die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit und Gerechtigkeit und Wahrheit". (Eyb. 5. 8.) „Sehet zu, daß niemand Böses mit Bösem jemand vergelte, sondern alle Zeit jaget den: Guten nach, beides, untereinander und gegen jedermann." (1. Thess. 5.15.) „Gott ist unsere Stütze, wie er stets durch alle Jahrhunderte des Leidens die Hoffnung unserer Väter gewesen ist. Mit seinem Segen brauchen wir keinen Feind zu fürchten. Unter seiner Führung brauchen wir vor der Zukunft nicht zu bangen." Bürokraten-Briefe*) Unterstaatssekretär a. D. Freiherr v. Falkenhausen von VI. Die Sozialdemokratie und der deutsche Sieg Mein Vorwurf dünkt Sie ungerecht? Sind es nicht Tatsachen, an deren Hand ich das Verhalten der Sozialdemokratie im Weltkriege gekennzeichnet habe? Weiß sie selbst auf dies Urteil etwas anderes zu erwidern als Ausreden, die von der Ver¬ legenheit der schuldbewußten zeugen: die Mitschuld anderer, die Fehler der Re¬ gierung und der Heeresleitung vor und im Kriege, die Unmöglichkeit erfolgreichen Widerstandes gegen die ganze Welt, die Vereitelung eines rechtzeitigen, erträglichen Friedens durch den alldeutschen Annexionismus u. tgi. mehr? Ich brauche mich nicht mit einer Widerlegung aufzuhalten, brauche nicht erst nachzuweisen, daß die .^icgszicle der Altdeutschen — rührend bescheiden im Vergleich zu denen der Feinde und als Gegengewicht gegen diese eine taktische Notwendigkeit — keinen Friedens¬ schluß gefährden konnten, weil die Entente, so deutlich unsere Regierung jenen „Annexionismus" verleugnete, jede Friedensverhandlung rücksichtslos von sich wies; daß wir selbst, als an Sieg nicht mehr zu denken war, ohne den inneren Um¬ sturz durch Fortsetzung der Verteidigung bis zum nahen Winter, den auch die Feinde sicher nicht ohne Not durchgekämpft hätten, zu einem Verhandlungsfrieden mit ganz anderen Bedingungen hätten gelangen können, als sie uns in Versailles diktiert worden sind; endlich: daß Mitschuld Irrender keinen Frevler reinwäscht!. Es genügt, an ein Wort zu erinnern, das ein unumwundenes Schuldbekenntnis enthält, das Wort, das nach der Selbstentlarvung der Entente in Versailles als Stoßseufzer auf Tausenden von Lippen lag und von Führern der Schuldigen mehr¬ fach öffentlich ausgesprochen worden ist: „Hätten wir gewußt, daß es so kommen würde...!" Dann, so muß man ergänzen, Härten wir uns nicht verleiten lassen, den Widerstand aufzugeben, als er noch retten konnte. *) Nachstehende „Bürokraten-Briefe" des bekannten Verfassers stammen aus dem Winter 1919/20. Siehe mich „Grenzboten", Heft 44/45, 46, 47/48. 49, 50/Si. Zwei weitere Briefe folgen in den nächsten Heften.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/21>, abgerufen am 27.06.2024.