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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Lin Märtyrervolk

Gin Märtyrervolk

GMD
^aß das deutsche Volk in seiner heutigen Lage von Iren, Indern
und Ägyptern vieles lernen kann, ist in den "Grenzboten" mehrfach
ausgesprochen worden. Insbesondere bewundern wir die Iren, die
in einer den Machtverhältnissen nach hoffnungslos erscheinenden
Lage mit immer gesteigerten seelischen Energien und im festen
Glauben auf den Sieg den ungleichen Streit weiterführen. Vor einiger Zeit ging
uns folgendes Schreiben zu:

"Im Auftrag der Negierung der irischen Republik beehrt sich Herr Gerald
Hamilton, Ihnen die beifolgende Übersetzung der Erklärung, die vom Kardinal¬
primas von Irland und sämtlichen irischen Bischöfen, ohne Unterschied der politi¬
schen Meinung, unterzeichnet ist, zu überreichen."

Wir geben in folgendem von der Erklärung des irischen Episkopats vom
1!). Oktober 1920 die eindrucksvoller Schlußsätze wieder und denken dabei an
Irland -- und Deutschland.

"Die irische Frage wird nicht durch erbarmungslose Repressiv" geregelt werden,
sondern durch Anerkennung des unveräußerlichen Rechtes der irischen Nation, die¬
jenige Regierungsform zu wählen, unter der das irische-Volk leben will.

Aber als erste und dringendste Forderung verlangen wir im Namen der Zivi¬
lisation und der nationalen Gerechtigkeit eine eingehende Untersuchung über die
Greueltaten, die jetzt in Irland begangen werden. Wir verlangen, daß diese Unter¬
suchung von einem Gericht geführt wird, das in der Lage ist, allen Leuten Ver¬
trauen einzuflößen, die Zeugen gegen, jeden Terrorismus zu schützen, und zu ver¬
hindern, daß man nicht Leben und Eigentum einer Aussage wegen gefährdet.

In Irland ist die Presse geknebelt, das Versammlungsrecht aufgehoben, und
die gerichtlichen Untersuchungen in Fällen des gewaltsamen Todes sind untersagt.
Viele Priester sind mißhandelt worden und eine der unvernünftigsten Maßnahmen,
die ein Regime tyrannischer Unterdrückung in seiner Blindheit getroffen hat, war
die 'Verfolgung eines berühmten Erzbischofs irischen Ursprungs, des würdigen
Führers der australischen Demokratie, den man verhindert hat, seine alte Heimat
zu besuchen.

Aber noch grausamer und für jede Aussicht auf Verständigung zwischen beiden
Ländern ungünstiger ist die lange Gefangenschaft des Bürgermeisters von Cork und
der anderen Hungerstrcikenden, die ihr Leben zu opfern gern bereit sind, wenn sie
Irland nützlich sein können in dem Elend, das die Fremdherrschaft über es
gebracht hat.

Angesichts der heutigen Zustände wäre es unangebracht, wollten wir den
Gläubigen die Zukunft anders als in düsteren Farben schildern. Aber nicht unan¬
gebracht, vielmehr nur richtig ist es, ihnen zu sagen, daß niemals das Gottver¬
trauen notwendiger gewesen ist wie gerade heute. Wenn die Gläubigen dem Ideal
und der Lehre unseres heiligen Glaubens treu bleiben, wird Gott ihren Freiheits-
kampf bis zum erfolgreichen Ende führen. Einem Märtyrervoll geziemt es, die
Herrschaft über sich selbst nicht zu verlieren.

Unser Volk war schon eine große christliche Nation, als das Chaos des Heiden¬
tum jenseits des Meeres herrschte. So Gott will, wird es eine große christliche Nation


Lin Märtyrervolk

Gin Märtyrervolk

GMD
^aß das deutsche Volk in seiner heutigen Lage von Iren, Indern
und Ägyptern vieles lernen kann, ist in den „Grenzboten" mehrfach
ausgesprochen worden. Insbesondere bewundern wir die Iren, die
in einer den Machtverhältnissen nach hoffnungslos erscheinenden
Lage mit immer gesteigerten seelischen Energien und im festen
Glauben auf den Sieg den ungleichen Streit weiterführen. Vor einiger Zeit ging
uns folgendes Schreiben zu:

„Im Auftrag der Negierung der irischen Republik beehrt sich Herr Gerald
Hamilton, Ihnen die beifolgende Übersetzung der Erklärung, die vom Kardinal¬
primas von Irland und sämtlichen irischen Bischöfen, ohne Unterschied der politi¬
schen Meinung, unterzeichnet ist, zu überreichen."

Wir geben in folgendem von der Erklärung des irischen Episkopats vom
1!). Oktober 1920 die eindrucksvoller Schlußsätze wieder und denken dabei an
Irland — und Deutschland.

„Die irische Frage wird nicht durch erbarmungslose Repressiv» geregelt werden,
sondern durch Anerkennung des unveräußerlichen Rechtes der irischen Nation, die¬
jenige Regierungsform zu wählen, unter der das irische-Volk leben will.

Aber als erste und dringendste Forderung verlangen wir im Namen der Zivi¬
lisation und der nationalen Gerechtigkeit eine eingehende Untersuchung über die
Greueltaten, die jetzt in Irland begangen werden. Wir verlangen, daß diese Unter¬
suchung von einem Gericht geführt wird, das in der Lage ist, allen Leuten Ver¬
trauen einzuflößen, die Zeugen gegen, jeden Terrorismus zu schützen, und zu ver¬
hindern, daß man nicht Leben und Eigentum einer Aussage wegen gefährdet.

In Irland ist die Presse geknebelt, das Versammlungsrecht aufgehoben, und
die gerichtlichen Untersuchungen in Fällen des gewaltsamen Todes sind untersagt.
Viele Priester sind mißhandelt worden und eine der unvernünftigsten Maßnahmen,
die ein Regime tyrannischer Unterdrückung in seiner Blindheit getroffen hat, war
die 'Verfolgung eines berühmten Erzbischofs irischen Ursprungs, des würdigen
Führers der australischen Demokratie, den man verhindert hat, seine alte Heimat
zu besuchen.

Aber noch grausamer und für jede Aussicht auf Verständigung zwischen beiden
Ländern ungünstiger ist die lange Gefangenschaft des Bürgermeisters von Cork und
der anderen Hungerstrcikenden, die ihr Leben zu opfern gern bereit sind, wenn sie
Irland nützlich sein können in dem Elend, das die Fremdherrschaft über es
gebracht hat.

Angesichts der heutigen Zustände wäre es unangebracht, wollten wir den
Gläubigen die Zukunft anders als in düsteren Farben schildern. Aber nicht unan¬
gebracht, vielmehr nur richtig ist es, ihnen zu sagen, daß niemals das Gottver¬
trauen notwendiger gewesen ist wie gerade heute. Wenn die Gläubigen dem Ideal
und der Lehre unseres heiligen Glaubens treu bleiben, wird Gott ihren Freiheits-
kampf bis zum erfolgreichen Ende führen. Einem Märtyrervoll geziemt es, die
Herrschaft über sich selbst nicht zu verlieren.

Unser Volk war schon eine große christliche Nation, als das Chaos des Heiden¬
tum jenseits des Meeres herrschte. So Gott will, wird es eine große christliche Nation


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[0020] Lin Märtyrervolk Gin Märtyrervolk GMD ^aß das deutsche Volk in seiner heutigen Lage von Iren, Indern und Ägyptern vieles lernen kann, ist in den „Grenzboten" mehrfach ausgesprochen worden. Insbesondere bewundern wir die Iren, die in einer den Machtverhältnissen nach hoffnungslos erscheinenden Lage mit immer gesteigerten seelischen Energien und im festen Glauben auf den Sieg den ungleichen Streit weiterführen. Vor einiger Zeit ging uns folgendes Schreiben zu: „Im Auftrag der Negierung der irischen Republik beehrt sich Herr Gerald Hamilton, Ihnen die beifolgende Übersetzung der Erklärung, die vom Kardinal¬ primas von Irland und sämtlichen irischen Bischöfen, ohne Unterschied der politi¬ schen Meinung, unterzeichnet ist, zu überreichen." Wir geben in folgendem von der Erklärung des irischen Episkopats vom 1!). Oktober 1920 die eindrucksvoller Schlußsätze wieder und denken dabei an Irland — und Deutschland. „Die irische Frage wird nicht durch erbarmungslose Repressiv» geregelt werden, sondern durch Anerkennung des unveräußerlichen Rechtes der irischen Nation, die¬ jenige Regierungsform zu wählen, unter der das irische-Volk leben will. Aber als erste und dringendste Forderung verlangen wir im Namen der Zivi¬ lisation und der nationalen Gerechtigkeit eine eingehende Untersuchung über die Greueltaten, die jetzt in Irland begangen werden. Wir verlangen, daß diese Unter¬ suchung von einem Gericht geführt wird, das in der Lage ist, allen Leuten Ver¬ trauen einzuflößen, die Zeugen gegen, jeden Terrorismus zu schützen, und zu ver¬ hindern, daß man nicht Leben und Eigentum einer Aussage wegen gefährdet. In Irland ist die Presse geknebelt, das Versammlungsrecht aufgehoben, und die gerichtlichen Untersuchungen in Fällen des gewaltsamen Todes sind untersagt. Viele Priester sind mißhandelt worden und eine der unvernünftigsten Maßnahmen, die ein Regime tyrannischer Unterdrückung in seiner Blindheit getroffen hat, war die 'Verfolgung eines berühmten Erzbischofs irischen Ursprungs, des würdigen Führers der australischen Demokratie, den man verhindert hat, seine alte Heimat zu besuchen. Aber noch grausamer und für jede Aussicht auf Verständigung zwischen beiden Ländern ungünstiger ist die lange Gefangenschaft des Bürgermeisters von Cork und der anderen Hungerstrcikenden, die ihr Leben zu opfern gern bereit sind, wenn sie Irland nützlich sein können in dem Elend, das die Fremdherrschaft über es gebracht hat. Angesichts der heutigen Zustände wäre es unangebracht, wollten wir den Gläubigen die Zukunft anders als in düsteren Farben schildern. Aber nicht unan¬ gebracht, vielmehr nur richtig ist es, ihnen zu sagen, daß niemals das Gottver¬ trauen notwendiger gewesen ist wie gerade heute. Wenn die Gläubigen dem Ideal und der Lehre unseres heiligen Glaubens treu bleiben, wird Gott ihren Freiheits- kampf bis zum erfolgreichen Ende führen. Einem Märtyrervoll geziemt es, die Herrschaft über sich selbst nicht zu verlieren. Unser Volk war schon eine große christliche Nation, als das Chaos des Heiden¬ tum jenseits des Meeres herrschte. So Gott will, wird es eine große christliche Nation

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/20>, abgerufen am 27.06.2024.