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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Bauer und Land im deutschen Roman

Bauer und Land im deutschen Roman
Paul Burg von

lit einem Worte jenes noch immer unerreichten Meisters unserer
Literatur, welcher ein Menschenalter hindurch den "Grenzboten" seine
ganze Kraft gegeben hat, sei mein Unterfangen, hier Wegweiser
durch unsere zeitgenössische schöngeistige Literatur aufzurichten,
rechtfertigend eingeleitet. "Bei seiner Arbeit sucht das Volk
auf in euern Romanen!" lehrte Gustav Freytag und bewies selbst aufs
beste in "Soll und Haben", in der "Verlorenen Handschrift", daß der deutsche
Roman da verweilen und schürfen muß, wo einst Goethe mit seinem Roman in
Versen "Hermann und Dorothea" ansetzte. Weit, o wie weit haben sich viele
unserer Erzähler von diesem Wege entfernt, schrieben gekünstelte und gefühls¬
mäßig überstiegen" Klatschromane, seichteste Unterhaltungsware. Jetzt aber hat
der Kern unseres Volkes, geknechtet und gelähmt und sehnsüchtig nach Erhebung
und Befreiung seiner Seele ausschauend, solche Kabarettkost satt, denn die Jugend
steht auf und erfüllt uns das Sehnen nach Kraft und Tat, bringt den Aufbau.
Und die besten Alten werden wieder jung und stark an der Jugend, welche
empor will.

Es ist unendlich verheißend und bezeichnend, daß eine ganze Reihe neuer
Namen, junger Körner, jetzt mit Büchern voll Eidkraft und Schaffenswillen auf
den Plan tritt, uns unverstelltes Volksleben aufzeigt, und es ist mehr als ein
gutes Wirtschaftssymptom, daß die Romane unserer verheißenden Jüngsten sich
schlicht und echt mit Bauerntum und Heidkultur, mit Kohlenfindung befassen. Aus
der deutschen Erde quillt vor unseren staunenden Augen neue Kraft, die uns kein
scheelsüchtiger Erbfeind entreißen kann, denn sie wurzelt und wirkt in der un¬
sterblichen, unbesieglichen deutschen Seele.

Da ist ein neuer Mann, ein Junger off-nbar, der noch viel eigenes Er¬
leben schildert: August Hinrichs bietet im altaugesehenen Verlage Quelle et Meyer,
Leipzig, seinen Erstlingsroman "Das Licht der Heimat" dar, ein horniges Buch
von der an Geheimnissen und Schützen so reichen, so oft geschilderten und immer
wieder in neuem weichen Lichte aufschimmernden deutschen Heide, welche so recht
ein Spiegel deutschen Gemüts und Wesens ist. Wir erleben die Jugend des
armen Diert Folkers (worin wohl der Dichter meist Eigenerleben gibt) neben
dem stolzen Voßbauern. Von der kleinen Heidscholle weg geht der Dornenweg
der Armen in die Großstadt und in die Not. Das Talent des Jungen bringt
ihm Aufstieg in harter Schule, Enttäuschung, Zuflucht übers Meer in phantastische
Welten Dollarikas, Rückkehr und Reichtum. Er baut Kraftwerke in der heimat¬
lichen Heide, er erschließt die Schätze der weißen und schwarzen Kohle seiner
Heidheimat und erlöst die verzauberte Heideprinzeß, Seine Kraft aber ist diese:
in aller Welt leuchtet ihm das Licht der H.imat! -- Hier liaber wir einen
Roman von geradezu symptomatischer Bedeutung, Spiegelbild und Vorbild unserer
Zeit. Hier ist in vielen Szenen von oft großer dichterischer Kraft das deutsche
Schicksal an einer Familie Gestalt und an einem Jüngling Hoffnung geworden.
Dies Buch ist unser! Es spendet so viel Trost und Leuchten einer verheißenden
Zukunft, daß es in jede müde deutsche Hand gehört.


Bauer und Land im deutschen Roman

Bauer und Land im deutschen Roman
Paul Burg von

lit einem Worte jenes noch immer unerreichten Meisters unserer
Literatur, welcher ein Menschenalter hindurch den „Grenzboten" seine
ganze Kraft gegeben hat, sei mein Unterfangen, hier Wegweiser
durch unsere zeitgenössische schöngeistige Literatur aufzurichten,
rechtfertigend eingeleitet. „Bei seiner Arbeit sucht das Volk
auf in euern Romanen!" lehrte Gustav Freytag und bewies selbst aufs
beste in „Soll und Haben", in der „Verlorenen Handschrift", daß der deutsche
Roman da verweilen und schürfen muß, wo einst Goethe mit seinem Roman in
Versen „Hermann und Dorothea" ansetzte. Weit, o wie weit haben sich viele
unserer Erzähler von diesem Wege entfernt, schrieben gekünstelte und gefühls¬
mäßig überstiegen« Klatschromane, seichteste Unterhaltungsware. Jetzt aber hat
der Kern unseres Volkes, geknechtet und gelähmt und sehnsüchtig nach Erhebung
und Befreiung seiner Seele ausschauend, solche Kabarettkost satt, denn die Jugend
steht auf und erfüllt uns das Sehnen nach Kraft und Tat, bringt den Aufbau.
Und die besten Alten werden wieder jung und stark an der Jugend, welche
empor will.

Es ist unendlich verheißend und bezeichnend, daß eine ganze Reihe neuer
Namen, junger Körner, jetzt mit Büchern voll Eidkraft und Schaffenswillen auf
den Plan tritt, uns unverstelltes Volksleben aufzeigt, und es ist mehr als ein
gutes Wirtschaftssymptom, daß die Romane unserer verheißenden Jüngsten sich
schlicht und echt mit Bauerntum und Heidkultur, mit Kohlenfindung befassen. Aus
der deutschen Erde quillt vor unseren staunenden Augen neue Kraft, die uns kein
scheelsüchtiger Erbfeind entreißen kann, denn sie wurzelt und wirkt in der un¬
sterblichen, unbesieglichen deutschen Seele.

Da ist ein neuer Mann, ein Junger off-nbar, der noch viel eigenes Er¬
leben schildert: August Hinrichs bietet im altaugesehenen Verlage Quelle et Meyer,
Leipzig, seinen Erstlingsroman „Das Licht der Heimat" dar, ein horniges Buch
von der an Geheimnissen und Schützen so reichen, so oft geschilderten und immer
wieder in neuem weichen Lichte aufschimmernden deutschen Heide, welche so recht
ein Spiegel deutschen Gemüts und Wesens ist. Wir erleben die Jugend des
armen Diert Folkers (worin wohl der Dichter meist Eigenerleben gibt) neben
dem stolzen Voßbauern. Von der kleinen Heidscholle weg geht der Dornenweg
der Armen in die Großstadt und in die Not. Das Talent des Jungen bringt
ihm Aufstieg in harter Schule, Enttäuschung, Zuflucht übers Meer in phantastische
Welten Dollarikas, Rückkehr und Reichtum. Er baut Kraftwerke in der heimat¬
lichen Heide, er erschließt die Schätze der weißen und schwarzen Kohle seiner
Heidheimat und erlöst die verzauberte Heideprinzeß, Seine Kraft aber ist diese:
in aller Welt leuchtet ihm das Licht der H.imat! — Hier liaber wir einen
Roman von geradezu symptomatischer Bedeutung, Spiegelbild und Vorbild unserer
Zeit. Hier ist in vielen Szenen von oft großer dichterischer Kraft das deutsche
Schicksal an einer Familie Gestalt und an einem Jüngling Hoffnung geworden.
Dies Buch ist unser! Es spendet so viel Trost und Leuchten einer verheißenden
Zukunft, daß es in jede müde deutsche Hand gehört.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/195>, abgerufen am 27.12.2024.