Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.Der französische Nevanchegedcmke und deutsche Französelei Marokko, die Tunisikation dieses Landes (wie das "Journal Ass <I6half" aus¬ Revanchefanfaren ließ auch der Marineminister Pelletan vernehmen, als Z. Die französische Kammer. Der gleiche Geist hat sich in der französischen Kammer wiederholt und Der französische Nevanchegedcmke und deutsche Französelei Marokko, die Tunisikation dieses Landes (wie das „Journal Ass <I6half" aus¬ Revanchefanfaren ließ auch der Marineminister Pelletan vernehmen, als Z. Die französische Kammer. Der gleiche Geist hat sich in der französischen Kammer wiederholt und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/338537"/> <fw type="header" place="top"> Der französische Nevanchegedcmke und deutsche Französelei</fw><lb/> <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> Marokko, die Tunisikation dieses Landes (wie das „Journal Ass <I6half" aus¬<lb/> geplaudert hat) herbeiführen sollte, sind wichtige Vorbereitungen zur Verwirklichung<lb/> jener „weitreichenden Pläne". Daß diese gegen Deutschland zielten, geht ferner<lb/> aus der Zurückhaltung hervor, die Delcassö angesichts herausfordernd deutsch¬<lb/> feindlicher Schritte des Generals Voyron und zweier Amtsgenossen beobachtete.<lb/> General Bohron, Kommandeur der französischen Truppen in China während<lb/> des Boxerausstandes, hat Ende Oktober 1901 im „Matin" mehrere von ihm an<lb/> den Grafen Waldersee gerichtete Briefe veröffentlicht, die zeigen, wie geflissentlich<lb/> er die französischen Truppen dem deutschen Oberkommando entzogen und dessen<lb/> Anordnungen zuwidergehandelt hatte. Noch schlagendere Beläge des Deutschen¬<lb/> hasses enthalten zwei Ministerreden aus dem Jahre 1902. Bei der Einweihung<lb/> des Kriegerdenkmals in Villefranche sagte der Kriegsminister Andrö am 15. August<lb/> 1902 u. a.: „Der Soldat, den das Denkmal darstellt, ist der Soldat der Zukunft,<lb/> der Frankreich auch seine materielle Größe wiedergeben wird? er schuldet dem<lb/> Lande, das er zu verteidigen geschworen hat, alles, selbst das Opfer gewisser<lb/> persönlicher Überzeugungen? dieser Soldat der Zukunft wird der Rächer Frank¬<lb/> reichs sein? diesem Rächer bewahren wir unsere Palmen auf."</p><lb/> <p xml:id="ID_324"> Revanchefanfaren ließ auch der Marineminister Pelletan vernehmen, als<lb/> er am 15. September 1902 in Biserta ausführte: Am Ende des 19. Jahrhunderts,<lb/> nach der Niederwerfung Frankreichs durch die Barbarei des alten Germaniens,<lb/> habe man den Rückfall in das Gewaltrecht erlebt, während dessen die ganze Welt<lb/> von dem Grundsatze, daß Gewalt vor Recht gehe, beherrscht erschienen sei. „Wir<lb/> müssen alle unsere Anstrengungen darauf richten, das Genie Frankreichs als die<lb/> Quelle der Gerechtigkeit und des Lichts (!) intakt zu erhalten."</p><lb/> </div> <div n="3"> <head> Z. Die französische Kammer.</head><lb/> <p xml:id="ID_325" next="#ID_326"> Der gleiche Geist hat sich in der französischen Kammer wiederholt und<lb/> besonders bei Anlässen von charakteristischer Bedeutung gezeigt. Selbst der<lb/> pazifistische „Genosse" Jaurüs, der am 23. Januar 1903 äußerte, daß er die<lb/> endgültige Lösung der elsaß-lothringischen Frage von dem auf allgemeine Abrüstung<lb/> gestützten Frieden erwarte, hatte dieser Phantasie unter dem Beifall der gesamten<lb/> Kammer die Worte vorausgeschickt: „Frankreich hat eine Verstümmelung erlitten,<lb/> die eine Rechtsverletzung war? wir werden den Triumph der Gewalt über das<lb/> Recht niemals akzeptieren können." — Unverhohlen trat die Ncvanchehoffnung in<lb/> der Kammersitzung vom 10. März 1903 hervor, in der Abgeordneter Millevoye<lb/> erklärte: „Das Recht Frankreichs auf Elsaß-Lothringen sei unbestreitbar, und<lb/> eine Entwaffnung sei unmöglich, bevor diese Frage nicht gelöst sei." — Ein der¬<lb/> artiges Geständnis darf bei der Beurteilung der Tatsache, daß die Kammer<lb/> Abrüstungsanträge der äußersten Linken mit überwältigender Mehrheit abzulehnen<lb/> pflegte, nicht außer acht gelassen werden. Auf Mittel und Wege zur Lösung der<lb/> elsaß-lothringischen Frage ging überdies der Abgeordnete Boni de Castellane<lb/> am 20. November 1903 in folgenden, die Politik Deleassös unbewußt kenn¬<lb/> zeichnenden Ausführungen ein: Die Politik Delcassvs sei, wie man sage, auf die<lb/> Vereinzelung Deutschlands gerichtet) Frankreich müsse sich England zum Freunde<lb/> halten, da es für Frankreich darauf ankomme, eines Tages seine Stellung am<lb/> Rhein wiederzugewinnen und seine Politik danach einzurichten, daß sich „im</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Der französische Nevanchegedcmke und deutsche Französelei
Marokko, die Tunisikation dieses Landes (wie das „Journal Ass <I6half" aus¬
geplaudert hat) herbeiführen sollte, sind wichtige Vorbereitungen zur Verwirklichung
jener „weitreichenden Pläne". Daß diese gegen Deutschland zielten, geht ferner
aus der Zurückhaltung hervor, die Delcassö angesichts herausfordernd deutsch¬
feindlicher Schritte des Generals Voyron und zweier Amtsgenossen beobachtete.
General Bohron, Kommandeur der französischen Truppen in China während
des Boxerausstandes, hat Ende Oktober 1901 im „Matin" mehrere von ihm an
den Grafen Waldersee gerichtete Briefe veröffentlicht, die zeigen, wie geflissentlich
er die französischen Truppen dem deutschen Oberkommando entzogen und dessen
Anordnungen zuwidergehandelt hatte. Noch schlagendere Beläge des Deutschen¬
hasses enthalten zwei Ministerreden aus dem Jahre 1902. Bei der Einweihung
des Kriegerdenkmals in Villefranche sagte der Kriegsminister Andrö am 15. August
1902 u. a.: „Der Soldat, den das Denkmal darstellt, ist der Soldat der Zukunft,
der Frankreich auch seine materielle Größe wiedergeben wird? er schuldet dem
Lande, das er zu verteidigen geschworen hat, alles, selbst das Opfer gewisser
persönlicher Überzeugungen? dieser Soldat der Zukunft wird der Rächer Frank¬
reichs sein? diesem Rächer bewahren wir unsere Palmen auf."
Revanchefanfaren ließ auch der Marineminister Pelletan vernehmen, als
er am 15. September 1902 in Biserta ausführte: Am Ende des 19. Jahrhunderts,
nach der Niederwerfung Frankreichs durch die Barbarei des alten Germaniens,
habe man den Rückfall in das Gewaltrecht erlebt, während dessen die ganze Welt
von dem Grundsatze, daß Gewalt vor Recht gehe, beherrscht erschienen sei. „Wir
müssen alle unsere Anstrengungen darauf richten, das Genie Frankreichs als die
Quelle der Gerechtigkeit und des Lichts (!) intakt zu erhalten."
Z. Die französische Kammer.
Der gleiche Geist hat sich in der französischen Kammer wiederholt und
besonders bei Anlässen von charakteristischer Bedeutung gezeigt. Selbst der
pazifistische „Genosse" Jaurüs, der am 23. Januar 1903 äußerte, daß er die
endgültige Lösung der elsaß-lothringischen Frage von dem auf allgemeine Abrüstung
gestützten Frieden erwarte, hatte dieser Phantasie unter dem Beifall der gesamten
Kammer die Worte vorausgeschickt: „Frankreich hat eine Verstümmelung erlitten,
die eine Rechtsverletzung war? wir werden den Triumph der Gewalt über das
Recht niemals akzeptieren können." — Unverhohlen trat die Ncvanchehoffnung in
der Kammersitzung vom 10. März 1903 hervor, in der Abgeordneter Millevoye
erklärte: „Das Recht Frankreichs auf Elsaß-Lothringen sei unbestreitbar, und
eine Entwaffnung sei unmöglich, bevor diese Frage nicht gelöst sei." — Ein der¬
artiges Geständnis darf bei der Beurteilung der Tatsache, daß die Kammer
Abrüstungsanträge der äußersten Linken mit überwältigender Mehrheit abzulehnen
pflegte, nicht außer acht gelassen werden. Auf Mittel und Wege zur Lösung der
elsaß-lothringischen Frage ging überdies der Abgeordnete Boni de Castellane
am 20. November 1903 in folgenden, die Politik Deleassös unbewußt kenn¬
zeichnenden Ausführungen ein: Die Politik Delcassvs sei, wie man sage, auf die
Vereinzelung Deutschlands gerichtet) Frankreich müsse sich England zum Freunde
halten, da es für Frankreich darauf ankomme, eines Tages seine Stellung am
Rhein wiederzugewinnen und seine Politik danach einzurichten, daß sich „im
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