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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr.

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Vörsenstimmung -- <vffenher,igkeiten

Vörfenstimmung
Deutschland wird wieder aufgebaut,
Der Markkurs ist in die Höhe geschossen, / ,
Wir dürfen hoffen! -- "Die Börse verflaut,
Die Stimmung lustlos und verdrossen."
Durch alle Räume der Burgstrasze zieht
Em Helles Gebraus von Jubelakkorden:
"Der Markkurs sinkt in Zürich rapid.
Die Stimmung der Börse ist freundlich geworden."
Dank dess'rer Valuta wird Deutschlands Krach
Vera eben. Es übt sich die Mark in Erklimmung
Des Hochstands. -- "Die Börse eröffnete schwach,
Mit schweren Sorgen, in schlechter Stimmung."
Dann sinkt die Mark. Jedes Herz erbebt:
Der Hunger wird Scharen von Kindern morden! --
"Heut war das Börsengeschäft belebt.
Die Stimmung ist wieder sehr freundlich geworden."
Pandur



Offenherzigkeiten
Gleiches Unrecht für alle!

Weil ihm zwei vberfränkische Blätter nachgesagt hatten, daß in seiner ge¬
räumigen Behausung ungeheure Mengen von Lebensmitteln aufgespeichert wären,
hatte der unabhängige Vorkämpfer des ausgesogenen und unterdrückten Volkes,
Herr Blumentritt, die dreisten Redakteure verklagt. Der Prozeß ging für den
unabhängigen Idealisten mit dem poetisch wohlriechenden Namen indessen nicht
ganz wohlriechend aus. Wurde doch festgestellt, daß Blumentritt schleckerhafterweise
außer 40 Pfund Mehl, 20 Pfund Speck und 50 Pfund Schweinefleisch auch noch
20 Pfund Bohnenkaffee für den eigenen Bedarf weise reserviert hatte. Dem
Gericht schien diese Selbstversorgung nicht nur über die landesüblichen Rationen,
sondern auch über die besonderen Verhältnisse eines Freiheitsapostels hinauszu¬
gehen, und es sprach die Beklagten in der Hauptsache frei, Blumentritt hat aller¬
dings viel Entschuldigungen für sich. Auf der einen Seite die Herren Helphant
und Sklarz, deren Vorräte nicht nur ausreichten, um in den blutigen Januar¬
wirren ganze Ministerien üppig zu beköstigen, sondern aus denen auch heute noch fein¬
schmeckerische Exzellenzen in Schwanenwerder ganz nach ihrem Gusto ernährt werden
tonnen. Als zweiter Nothelfer Blumentritts tritt die "Vossische Zeitung" auf, die
die erstaunte Fuge stellt, ob seine Schleichvorräte für fränkische Verhältnisse wirklich
so viel seien. Es verdient ausdrücklich festgestellt zu sehen, daß die "Vossische
Zeitung" nicht einseitig parteiisch verfährt. Was nach ihrer Meinung den großen
Berliner Hotels recht ist, das ist im Falle Blumentritt billig. Sowohl die er¬
lauchten Ententevertreter und Oberschieber, die es sich im Edenhotel und in den
Betrieben der Hotelgesellschaft bei übertischtem Mahle gefallen lassen, wie die fetten
Leithammel des souveränen Volkes müssen der "Vossischen Zeitung" zufolge in der
Lage sein, sich besser als das gewöhnliche Pack zu ernähren. Nun bleibt auf der


Vörsenstimmung — <vffenher,igkeiten

Vörfenstimmung
Deutschland wird wieder aufgebaut,
Der Markkurs ist in die Höhe geschossen, / ,
Wir dürfen hoffen! — „Die Börse verflaut,
Die Stimmung lustlos und verdrossen."
Durch alle Räume der Burgstrasze zieht
Em Helles Gebraus von Jubelakkorden:
„Der Markkurs sinkt in Zürich rapid.
Die Stimmung der Börse ist freundlich geworden."
Dank dess'rer Valuta wird Deutschlands Krach
Vera eben. Es übt sich die Mark in Erklimmung
Des Hochstands. — „Die Börse eröffnete schwach,
Mit schweren Sorgen, in schlechter Stimmung."
Dann sinkt die Mark. Jedes Herz erbebt:
Der Hunger wird Scharen von Kindern morden! —
„Heut war das Börsengeschäft belebt.
Die Stimmung ist wieder sehr freundlich geworden."
Pandur



Offenherzigkeiten
Gleiches Unrecht für alle!

Weil ihm zwei vberfränkische Blätter nachgesagt hatten, daß in seiner ge¬
räumigen Behausung ungeheure Mengen von Lebensmitteln aufgespeichert wären,
hatte der unabhängige Vorkämpfer des ausgesogenen und unterdrückten Volkes,
Herr Blumentritt, die dreisten Redakteure verklagt. Der Prozeß ging für den
unabhängigen Idealisten mit dem poetisch wohlriechenden Namen indessen nicht
ganz wohlriechend aus. Wurde doch festgestellt, daß Blumentritt schleckerhafterweise
außer 40 Pfund Mehl, 20 Pfund Speck und 50 Pfund Schweinefleisch auch noch
20 Pfund Bohnenkaffee für den eigenen Bedarf weise reserviert hatte. Dem
Gericht schien diese Selbstversorgung nicht nur über die landesüblichen Rationen,
sondern auch über die besonderen Verhältnisse eines Freiheitsapostels hinauszu¬
gehen, und es sprach die Beklagten in der Hauptsache frei, Blumentritt hat aller¬
dings viel Entschuldigungen für sich. Auf der einen Seite die Herren Helphant
und Sklarz, deren Vorräte nicht nur ausreichten, um in den blutigen Januar¬
wirren ganze Ministerien üppig zu beköstigen, sondern aus denen auch heute noch fein¬
schmeckerische Exzellenzen in Schwanenwerder ganz nach ihrem Gusto ernährt werden
tonnen. Als zweiter Nothelfer Blumentritts tritt die „Vossische Zeitung" auf, die
die erstaunte Fuge stellt, ob seine Schleichvorräte für fränkische Verhältnisse wirklich
so viel seien. Es verdient ausdrücklich festgestellt zu sehen, daß die „Vossische
Zeitung" nicht einseitig parteiisch verfährt. Was nach ihrer Meinung den großen
Berliner Hotels recht ist, das ist im Falle Blumentritt billig. Sowohl die er¬
lauchten Ententevertreter und Oberschieber, die es sich im Edenhotel und in den
Betrieben der Hotelgesellschaft bei übertischtem Mahle gefallen lassen, wie die fetten
Leithammel des souveränen Volkes müssen der „Vossischen Zeitung" zufolge in der
Lage sein, sich besser als das gewöhnliche Pack zu ernähren. Nun bleibt auf der


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[0361] Vörsenstimmung — <vffenher,igkeiten Vörfenstimmung Deutschland wird wieder aufgebaut, Der Markkurs ist in die Höhe geschossen, / , Wir dürfen hoffen! — „Die Börse verflaut, Die Stimmung lustlos und verdrossen." Durch alle Räume der Burgstrasze zieht Em Helles Gebraus von Jubelakkorden: „Der Markkurs sinkt in Zürich rapid. Die Stimmung der Börse ist freundlich geworden." Dank dess'rer Valuta wird Deutschlands Krach Vera eben. Es übt sich die Mark in Erklimmung Des Hochstands. — „Die Börse eröffnete schwach, Mit schweren Sorgen, in schlechter Stimmung." Dann sinkt die Mark. Jedes Herz erbebt: Der Hunger wird Scharen von Kindern morden! — „Heut war das Börsengeschäft belebt. Die Stimmung ist wieder sehr freundlich geworden." Pandur Offenherzigkeiten Gleiches Unrecht für alle! Weil ihm zwei vberfränkische Blätter nachgesagt hatten, daß in seiner ge¬ räumigen Behausung ungeheure Mengen von Lebensmitteln aufgespeichert wären, hatte der unabhängige Vorkämpfer des ausgesogenen und unterdrückten Volkes, Herr Blumentritt, die dreisten Redakteure verklagt. Der Prozeß ging für den unabhängigen Idealisten mit dem poetisch wohlriechenden Namen indessen nicht ganz wohlriechend aus. Wurde doch festgestellt, daß Blumentritt schleckerhafterweise außer 40 Pfund Mehl, 20 Pfund Speck und 50 Pfund Schweinefleisch auch noch 20 Pfund Bohnenkaffee für den eigenen Bedarf weise reserviert hatte. Dem Gericht schien diese Selbstversorgung nicht nur über die landesüblichen Rationen, sondern auch über die besonderen Verhältnisse eines Freiheitsapostels hinauszu¬ gehen, und es sprach die Beklagten in der Hauptsache frei, Blumentritt hat aller¬ dings viel Entschuldigungen für sich. Auf der einen Seite die Herren Helphant und Sklarz, deren Vorräte nicht nur ausreichten, um in den blutigen Januar¬ wirren ganze Ministerien üppig zu beköstigen, sondern aus denen auch heute noch fein¬ schmeckerische Exzellenzen in Schwanenwerder ganz nach ihrem Gusto ernährt werden tonnen. Als zweiter Nothelfer Blumentritts tritt die „Vossische Zeitung" auf, die die erstaunte Fuge stellt, ob seine Schleichvorräte für fränkische Verhältnisse wirklich so viel seien. Es verdient ausdrücklich festgestellt zu sehen, daß die „Vossische Zeitung" nicht einseitig parteiisch verfährt. Was nach ihrer Meinung den großen Berliner Hotels recht ist, das ist im Falle Blumentritt billig. Sowohl die er¬ lauchten Ententevertreter und Oberschieber, die es sich im Edenhotel und in den Betrieben der Hotelgesellschaft bei übertischtem Mahle gefallen lassen, wie die fetten Leithammel des souveränen Volkes müssen der „Vossischen Zeitung" zufolge in der Lage sein, sich besser als das gewöhnliche Pack zu ernähren. Nun bleibt auf der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_338022/361>, abgerufen am 22.07.2024.