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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Offenherzigkeiten

den Patagoniern, den^ Japanern, den Engländern oder gar den Russen), dann
vergeht kein Monat, und sie erscheint unter den begehrtesten Einfuhrartikeln.
Hinter ihr vielleicht das ständische Wahlrecht. Es kommt nur darauf an, daß Lenin
auch in dieser Beziehung von den Nodbertus-Jagetzow und Hermann Wagener lernt.


-- n.


Offenherzigkeiten
Ihr habt gewählt.

Jüngst war ich im Reichstag. Nicht auf der Tribüne, von wo aus die
Saalarchitektur, Holz, Leder und Oberlicht alles Menschliche korrigiert und
stilisiert. Auch nicht in der Wandelhalle, darin der Wandler von römischer Thermen-
größe umflutet um Haupteslänge wächst und als ästhetischer Naumgewinnler ein¬
herschwimmt. Sondern richtig drinnen in der menschlichen Masse. Es war gerade
Hammelsprung. Unter der Ja-Tür drängten sich die Unabhängigen um die Provwz-
theaterdirektorengesto.le Ledebours. Himmel, wie war es nur möglich, in unsrem
guten Vaterland soviel grämliche Gesichter auf einen Raum zusammenzubringen?
Welch Auspuff aller schlechten Humore: Sollte der alte Tirpitz recht haben, wen"
er unsern Niedergang vom allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht herschreibt?
Welche Götzen hat sich das souveräne arme törichte Volk da aufgestellt: kaum
eine Stirn mit freier, ausgeglichener, beherrschter Männlichkeit ist darunter. Eitles
Halbwissen, fanatische Leidenschaft, kleinbürgerlich verstocktes Philistertum, ein
Weltbild, urteilslos und kindhaft geschaut, ein Wollen aus Neid und unvergorenem
Streben gemischt, in 80 Abwandlungen, als wäre Lionardos Skizzenbuch ver¬
zwickter Charaktere auf einen Satz ins Leben gesprungen, als wäre aus jeweils
60 000 Deutschen gerade immer der eine Thersites ausgelesen. Kein einziges
harmonisches Gesicht, das man einem römisches Senator, einem englischen M. P.
gegenüberstellen dürfte zum Wettstreit der Persönlichkeit. Hart geworden in kraus
verkrümmender Arbeit sehen sie freilich aus, und viele schlecht genährt. Die Leiden
der Masse kennen sie, auch deren seelische Unrast in den wurzellosen, kulturlosen
Großstadtkasernen. Kein Auge blickt ruhig und gütig, die Leiden mit Vernunft
meisternd und das Ganze zum Guten lenkend, sondern stechend, verbittert, um¬
getrieben von ein Paar armen Demagogengedauken. Armut und Arbeit war das
Los der deutschen Massen seit dem dreißigjährigen Krieg. Da war keine Zeit,
Gentlemen von unten herauszubilden. Auch ein Plebejer wie Llohd George hat
seinen Körper in Golf und Cricket gezähmt und geadelt, seinen Geist im vorurteils¬
freien Umgang mit der alten Herrenschicht objektiviert. Diese deutschen Tribunen
sind auf dem Nasen ebenso undenkbar wie im offenen Zwiegespräch mit Gebildeteren.
Denn über sie kam Karl Marx. Willensstraff, schlagfertig, lmßvoll sind sie, aber
dumpf und verbissen/ unfrei die Stirnen durch innere, nicht äußere Fesseln.

Die scharfen Stimmen der Zietz, der Zetkin, leidenschaftsverwitterter
Xantippen in Hängeklcidchen, füllen den Raum wie beizender Tabak. Während
drüben in der behaglich halbdunklen Ecke des Zentrums, auf zwei Ledersesseln,
kunstrecht aneinandergerückt, ein oberbayrischer Gemeindehäuptling in Waden¬
strümpfen sich schnarchend und politisch leidenschaftslos von der langen Reise
ausruht. (Kein Mißtrauen zwischen uns, aber wirst du nicht, endlich erwachend,
aus Ärger über die Berliner Preise in einen Heimtraum verfallend Großbayern
von Preußen lösen und irgendwie mit dem Balkan, mit Frankreich oder England
verbünden wollen?) Wo sucht man denn eigentlich hier einen Politiker, der
schlechthin deutsch ist? Möglich im Restaurant. Dort finde ich den gewaltigen
Legler, einen mürrisch, aber kühlgebieterisch blickenden Volksmann, vor einer Flasche
Wein, wie er den Mobilmachungsplan für ein paar Millionen marxistisch ein¬
geschulter, immer noch und ewig gegen den Staat organisierter Handarbeiter
überdenkt. Sein Haar ist weiß, doch noch nicht alterslicht.


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den Patagoniern, den^ Japanern, den Engländern oder gar den Russen), dann
vergeht kein Monat, und sie erscheint unter den begehrtesten Einfuhrartikeln.
Hinter ihr vielleicht das ständische Wahlrecht. Es kommt nur darauf an, daß Lenin
auch in dieser Beziehung von den Nodbertus-Jagetzow und Hermann Wagener lernt.


— n.


Offenherzigkeiten
Ihr habt gewählt.

Jüngst war ich im Reichstag. Nicht auf der Tribüne, von wo aus die
Saalarchitektur, Holz, Leder und Oberlicht alles Menschliche korrigiert und
stilisiert. Auch nicht in der Wandelhalle, darin der Wandler von römischer Thermen-
größe umflutet um Haupteslänge wächst und als ästhetischer Naumgewinnler ein¬
herschwimmt. Sondern richtig drinnen in der menschlichen Masse. Es war gerade
Hammelsprung. Unter der Ja-Tür drängten sich die Unabhängigen um die Provwz-
theaterdirektorengesto.le Ledebours. Himmel, wie war es nur möglich, in unsrem
guten Vaterland soviel grämliche Gesichter auf einen Raum zusammenzubringen?
Welch Auspuff aller schlechten Humore: Sollte der alte Tirpitz recht haben, wen»
er unsern Niedergang vom allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht herschreibt?
Welche Götzen hat sich das souveräne arme törichte Volk da aufgestellt: kaum
eine Stirn mit freier, ausgeglichener, beherrschter Männlichkeit ist darunter. Eitles
Halbwissen, fanatische Leidenschaft, kleinbürgerlich verstocktes Philistertum, ein
Weltbild, urteilslos und kindhaft geschaut, ein Wollen aus Neid und unvergorenem
Streben gemischt, in 80 Abwandlungen, als wäre Lionardos Skizzenbuch ver¬
zwickter Charaktere auf einen Satz ins Leben gesprungen, als wäre aus jeweils
60 000 Deutschen gerade immer der eine Thersites ausgelesen. Kein einziges
harmonisches Gesicht, das man einem römisches Senator, einem englischen M. P.
gegenüberstellen dürfte zum Wettstreit der Persönlichkeit. Hart geworden in kraus
verkrümmender Arbeit sehen sie freilich aus, und viele schlecht genährt. Die Leiden
der Masse kennen sie, auch deren seelische Unrast in den wurzellosen, kulturlosen
Großstadtkasernen. Kein Auge blickt ruhig und gütig, die Leiden mit Vernunft
meisternd und das Ganze zum Guten lenkend, sondern stechend, verbittert, um¬
getrieben von ein Paar armen Demagogengedauken. Armut und Arbeit war das
Los der deutschen Massen seit dem dreißigjährigen Krieg. Da war keine Zeit,
Gentlemen von unten herauszubilden. Auch ein Plebejer wie Llohd George hat
seinen Körper in Golf und Cricket gezähmt und geadelt, seinen Geist im vorurteils¬
freien Umgang mit der alten Herrenschicht objektiviert. Diese deutschen Tribunen
sind auf dem Nasen ebenso undenkbar wie im offenen Zwiegespräch mit Gebildeteren.
Denn über sie kam Karl Marx. Willensstraff, schlagfertig, lmßvoll sind sie, aber
dumpf und verbissen/ unfrei die Stirnen durch innere, nicht äußere Fesseln.

Die scharfen Stimmen der Zietz, der Zetkin, leidenschaftsverwitterter
Xantippen in Hängeklcidchen, füllen den Raum wie beizender Tabak. Während
drüben in der behaglich halbdunklen Ecke des Zentrums, auf zwei Ledersesseln,
kunstrecht aneinandergerückt, ein oberbayrischer Gemeindehäuptling in Waden¬
strümpfen sich schnarchend und politisch leidenschaftslos von der langen Reise
ausruht. (Kein Mißtrauen zwischen uns, aber wirst du nicht, endlich erwachend,
aus Ärger über die Berliner Preise in einen Heimtraum verfallend Großbayern
von Preußen lösen und irgendwie mit dem Balkan, mit Frankreich oder England
verbünden wollen?) Wo sucht man denn eigentlich hier einen Politiker, der
schlechthin deutsch ist? Möglich im Restaurant. Dort finde ich den gewaltigen
Legler, einen mürrisch, aber kühlgebieterisch blickenden Volksmann, vor einer Flasche
Wein, wie er den Mobilmachungsplan für ein paar Millionen marxistisch ein¬
geschulter, immer noch und ewig gegen den Staat organisierter Handarbeiter
überdenkt. Sein Haar ist weiß, doch noch nicht alterslicht.


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[0080] Offenherzigkeiten den Patagoniern, den^ Japanern, den Engländern oder gar den Russen), dann vergeht kein Monat, und sie erscheint unter den begehrtesten Einfuhrartikeln. Hinter ihr vielleicht das ständische Wahlrecht. Es kommt nur darauf an, daß Lenin auch in dieser Beziehung von den Nodbertus-Jagetzow und Hermann Wagener lernt. — n. Offenherzigkeiten Ihr habt gewählt. Jüngst war ich im Reichstag. Nicht auf der Tribüne, von wo aus die Saalarchitektur, Holz, Leder und Oberlicht alles Menschliche korrigiert und stilisiert. Auch nicht in der Wandelhalle, darin der Wandler von römischer Thermen- größe umflutet um Haupteslänge wächst und als ästhetischer Naumgewinnler ein¬ herschwimmt. Sondern richtig drinnen in der menschlichen Masse. Es war gerade Hammelsprung. Unter der Ja-Tür drängten sich die Unabhängigen um die Provwz- theaterdirektorengesto.le Ledebours. Himmel, wie war es nur möglich, in unsrem guten Vaterland soviel grämliche Gesichter auf einen Raum zusammenzubringen? Welch Auspuff aller schlechten Humore: Sollte der alte Tirpitz recht haben, wen» er unsern Niedergang vom allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht herschreibt? Welche Götzen hat sich das souveräne arme törichte Volk da aufgestellt: kaum eine Stirn mit freier, ausgeglichener, beherrschter Männlichkeit ist darunter. Eitles Halbwissen, fanatische Leidenschaft, kleinbürgerlich verstocktes Philistertum, ein Weltbild, urteilslos und kindhaft geschaut, ein Wollen aus Neid und unvergorenem Streben gemischt, in 80 Abwandlungen, als wäre Lionardos Skizzenbuch ver¬ zwickter Charaktere auf einen Satz ins Leben gesprungen, als wäre aus jeweils 60 000 Deutschen gerade immer der eine Thersites ausgelesen. Kein einziges harmonisches Gesicht, das man einem römisches Senator, einem englischen M. P. gegenüberstellen dürfte zum Wettstreit der Persönlichkeit. Hart geworden in kraus verkrümmender Arbeit sehen sie freilich aus, und viele schlecht genährt. Die Leiden der Masse kennen sie, auch deren seelische Unrast in den wurzellosen, kulturlosen Großstadtkasernen. Kein Auge blickt ruhig und gütig, die Leiden mit Vernunft meisternd und das Ganze zum Guten lenkend, sondern stechend, verbittert, um¬ getrieben von ein Paar armen Demagogengedauken. Armut und Arbeit war das Los der deutschen Massen seit dem dreißigjährigen Krieg. Da war keine Zeit, Gentlemen von unten herauszubilden. Auch ein Plebejer wie Llohd George hat seinen Körper in Golf und Cricket gezähmt und geadelt, seinen Geist im vorurteils¬ freien Umgang mit der alten Herrenschicht objektiviert. Diese deutschen Tribunen sind auf dem Nasen ebenso undenkbar wie im offenen Zwiegespräch mit Gebildeteren. Denn über sie kam Karl Marx. Willensstraff, schlagfertig, lmßvoll sind sie, aber dumpf und verbissen/ unfrei die Stirnen durch innere, nicht äußere Fesseln. Die scharfen Stimmen der Zietz, der Zetkin, leidenschaftsverwitterter Xantippen in Hängeklcidchen, füllen den Raum wie beizender Tabak. Während drüben in der behaglich halbdunklen Ecke des Zentrums, auf zwei Ledersesseln, kunstrecht aneinandergerückt, ein oberbayrischer Gemeindehäuptling in Waden¬ strümpfen sich schnarchend und politisch leidenschaftslos von der langen Reise ausruht. (Kein Mißtrauen zwischen uns, aber wirst du nicht, endlich erwachend, aus Ärger über die Berliner Preise in einen Heimtraum verfallend Großbayern von Preußen lösen und irgendwie mit dem Balkan, mit Frankreich oder England verbünden wollen?) Wo sucht man denn eigentlich hier einen Politiker, der schlechthin deutsch ist? Möglich im Restaurant. Dort finde ich den gewaltigen Legler, einen mürrisch, aber kühlgebieterisch blickenden Volksmann, vor einer Flasche Wein, wie er den Mobilmachungsplan für ein paar Millionen marxistisch ein¬ geschulter, immer noch und ewig gegen den Staat organisierter Handarbeiter überdenkt. Sein Haar ist weiß, doch noch nicht alterslicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/80>, abgerufen am 29.06.2024.