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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Das Rätsel der Marneschlacht

daß unsere Gegner den Umfang unserer Marine im Friedensverträge auf das
Mindestmaß begrenzt haben, das sie selbst für unsere Bedürfnisse als unerläßlich
ansehen. Aber bei intensiver Schulung und geschickter Organisation und Aus¬
nutzung des uns Gelassenen werden wir die der Marine zufallenden Aufgaben im
wesentlichen erfüllen können. Halten wir unsere Marine innerhalb der uns auf¬
erlegten Grenzen qualitativ auf größtmöglicher Höhe, so bleibt bei der Intelligenz
und den technischen Fähigkeiten unseres Volkes auch eine spätere Vergrößerung stets
im Bereiche der Möglichkeit. Eine tüchtige, geschulte Marine ist, selbst bei be¬
grenztem Umfange, stets ein Machtfaktor, was in Hinficht auf unsere Bündnisfähigkeit
wohl zu beachten ist. Würden wir jetzt die Marine verfallen lassen oder gar auf¬
geben, so würden wir damit eine Verantwortung vor unseren Kindern und Kindes¬
kindern auf uns nehmen, die wir nicht zu tragen vermöchten. Eine Flotte läßt sich
nicht improvisieren, viel weniger als ein Heer, schon deswegen nicht, weil ihr Aus¬
bau, personell und materiell, Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Daher muß der Ge¬
danke, auch nur etwas preiszugeben von dem, was selbst unsere erbitterten Feinde
uns nicht nehmen zu können glaubten, weit von uns gewiesen werden.




Das Rätsel der Marneschlacht
Gberst a. D. Servaes von

Der nachstehende Aufsatz wurde uns bereits Anfang August zur Ver¬
fügung gestellt, vor dem Erscheinen des Werkes "Marneschlacht und
Tannenberg" von General v. Fran?vis, das in der Beurteilung der Marne¬
schlacht zu denselben Ergebnissen gelangt, wie die nachstehenden Aus¬
führungen, und von dem Verfasser derselben inzwischen im "Tag" gewürdigt
D Red. worden ist.

achten außer den Führern der 1., 2. und 3. Armee auch der General¬
stab sich in zwei Schriften zur Marneschlacht geäußert hat, kann das
"Rätsel der Marneschlacht" soweit als gelöst gelten, als dies ohne
Veröffentlichung der französischen und englischen Archive möglich
ist. Es liegen ja auch schön von französischen und englischen Heer¬
führern Abführungen über die Ereignisse bis Mitte September 1914 vor. M
nachstehenden soll nun versucht werden, auf Grund der bisher vorliegenden haupt¬
sächlichsten Schriften darzulegen, wie, vom deutschen Standpunkt betrachtet, sich die
Ereignisse von Mitte August bis Mitte September 1914 im allgemeinen abgespielt,
welche Umstände und Anschauungen sie beeinflußt, und wie ihre Folgen sich in der
eigentlichen Marneschlacht ausgewirkt haben.MS

Der Besprechung sind folgende Schriften zugrunde gelegt:

"
v. Kluck (1. Armee), "Der Marsch auf Paris und die Marneschlacht'
(Verlag E. S. Mittler u. Sohn);
v. Bülow (2. Armee), "Mein Bericht zur Marneschlacht" (Verlag
Aug. schert, G.in.b. H.);

Das Rätsel der Marneschlacht

daß unsere Gegner den Umfang unserer Marine im Friedensverträge auf das
Mindestmaß begrenzt haben, das sie selbst für unsere Bedürfnisse als unerläßlich
ansehen. Aber bei intensiver Schulung und geschickter Organisation und Aus¬
nutzung des uns Gelassenen werden wir die der Marine zufallenden Aufgaben im
wesentlichen erfüllen können. Halten wir unsere Marine innerhalb der uns auf¬
erlegten Grenzen qualitativ auf größtmöglicher Höhe, so bleibt bei der Intelligenz
und den technischen Fähigkeiten unseres Volkes auch eine spätere Vergrößerung stets
im Bereiche der Möglichkeit. Eine tüchtige, geschulte Marine ist, selbst bei be¬
grenztem Umfange, stets ein Machtfaktor, was in Hinficht auf unsere Bündnisfähigkeit
wohl zu beachten ist. Würden wir jetzt die Marine verfallen lassen oder gar auf¬
geben, so würden wir damit eine Verantwortung vor unseren Kindern und Kindes¬
kindern auf uns nehmen, die wir nicht zu tragen vermöchten. Eine Flotte läßt sich
nicht improvisieren, viel weniger als ein Heer, schon deswegen nicht, weil ihr Aus¬
bau, personell und materiell, Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Daher muß der Ge¬
danke, auch nur etwas preiszugeben von dem, was selbst unsere erbitterten Feinde
uns nicht nehmen zu können glaubten, weit von uns gewiesen werden.




Das Rätsel der Marneschlacht
Gberst a. D. Servaes von

Der nachstehende Aufsatz wurde uns bereits Anfang August zur Ver¬
fügung gestellt, vor dem Erscheinen des Werkes „Marneschlacht und
Tannenberg" von General v. Fran?vis, das in der Beurteilung der Marne¬
schlacht zu denselben Ergebnissen gelangt, wie die nachstehenden Aus¬
führungen, und von dem Verfasser derselben inzwischen im „Tag" gewürdigt
D Red. worden ist.

achten außer den Führern der 1., 2. und 3. Armee auch der General¬
stab sich in zwei Schriften zur Marneschlacht geäußert hat, kann das
„Rätsel der Marneschlacht" soweit als gelöst gelten, als dies ohne
Veröffentlichung der französischen und englischen Archive möglich
ist. Es liegen ja auch schön von französischen und englischen Heer¬
führern Abführungen über die Ereignisse bis Mitte September 1914 vor. M
nachstehenden soll nun versucht werden, auf Grund der bisher vorliegenden haupt¬
sächlichsten Schriften darzulegen, wie, vom deutschen Standpunkt betrachtet, sich die
Ereignisse von Mitte August bis Mitte September 1914 im allgemeinen abgespielt,
welche Umstände und Anschauungen sie beeinflußt, und wie ihre Folgen sich in der
eigentlichen Marneschlacht ausgewirkt haben.MS

Der Besprechung sind folgende Schriften zugrunde gelegt:


v. Kluck (1. Armee), „Der Marsch auf Paris und die Marneschlacht'
(Verlag E. S. Mittler u. Sohn);
v. Bülow (2. Armee), „Mein Bericht zur Marneschlacht" (Verlag
Aug. schert, G.in.b. H.);

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[0320] Das Rätsel der Marneschlacht daß unsere Gegner den Umfang unserer Marine im Friedensverträge auf das Mindestmaß begrenzt haben, das sie selbst für unsere Bedürfnisse als unerläßlich ansehen. Aber bei intensiver Schulung und geschickter Organisation und Aus¬ nutzung des uns Gelassenen werden wir die der Marine zufallenden Aufgaben im wesentlichen erfüllen können. Halten wir unsere Marine innerhalb der uns auf¬ erlegten Grenzen qualitativ auf größtmöglicher Höhe, so bleibt bei der Intelligenz und den technischen Fähigkeiten unseres Volkes auch eine spätere Vergrößerung stets im Bereiche der Möglichkeit. Eine tüchtige, geschulte Marine ist, selbst bei be¬ grenztem Umfange, stets ein Machtfaktor, was in Hinficht auf unsere Bündnisfähigkeit wohl zu beachten ist. Würden wir jetzt die Marine verfallen lassen oder gar auf¬ geben, so würden wir damit eine Verantwortung vor unseren Kindern und Kindes¬ kindern auf uns nehmen, die wir nicht zu tragen vermöchten. Eine Flotte läßt sich nicht improvisieren, viel weniger als ein Heer, schon deswegen nicht, weil ihr Aus¬ bau, personell und materiell, Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Daher muß der Ge¬ danke, auch nur etwas preiszugeben von dem, was selbst unsere erbitterten Feinde uns nicht nehmen zu können glaubten, weit von uns gewiesen werden. Das Rätsel der Marneschlacht Gberst a. D. Servaes von Der nachstehende Aufsatz wurde uns bereits Anfang August zur Ver¬ fügung gestellt, vor dem Erscheinen des Werkes „Marneschlacht und Tannenberg" von General v. Fran?vis, das in der Beurteilung der Marne¬ schlacht zu denselben Ergebnissen gelangt, wie die nachstehenden Aus¬ führungen, und von dem Verfasser derselben inzwischen im „Tag" gewürdigt D Red. worden ist. achten außer den Führern der 1., 2. und 3. Armee auch der General¬ stab sich in zwei Schriften zur Marneschlacht geäußert hat, kann das „Rätsel der Marneschlacht" soweit als gelöst gelten, als dies ohne Veröffentlichung der französischen und englischen Archive möglich ist. Es liegen ja auch schön von französischen und englischen Heer¬ führern Abführungen über die Ereignisse bis Mitte September 1914 vor. M nachstehenden soll nun versucht werden, auf Grund der bisher vorliegenden haupt¬ sächlichsten Schriften darzulegen, wie, vom deutschen Standpunkt betrachtet, sich die Ereignisse von Mitte August bis Mitte September 1914 im allgemeinen abgespielt, welche Umstände und Anschauungen sie beeinflußt, und wie ihre Folgen sich in der eigentlichen Marneschlacht ausgewirkt haben.MS Der Besprechung sind folgende Schriften zugrunde gelegt: „ v. Kluck (1. Armee), „Der Marsch auf Paris und die Marneschlacht' (Verlag E. S. Mittler u. Sohn); v. Bülow (2. Armee), „Mein Bericht zur Marneschlacht" (Verlag Aug. schert, G.in.b. H.);

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/320>, abgerufen am 29.06.2024.