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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Weiße und farbige Franzosen am Rhein

Weiße und farbige Franzosen am Rhein
Linksrheiner von

le und mit welchen Mitteln die französische Kulturpropaganda ein
Mosel, Rhein und Main tätig ist, darüber berichtete schon kürzlich
M hier ein kleiner Ausschnitt aus Wünschen und Klagen, die das be-
MFKW setzte Gebiet seit Monaten erfüllen. Die "Sprachkurse", die im
Gefolge der französischen Besatzungstruppen überall eingerichtet
werden, sind damals gar nicht erwähnt worden: so selbstverständlich erscheint
uns Unter Schutz und Schirm der Nheinlandordonnanzen diese Begleiterschei¬
nung der westlichen Invasion, trotzdem gerade diese langsam vordringende Ver¬
wischung unserer Jugend heute bereits zu schwersten Bedenken Urias; bietet. Nicht
anders als früher in Elsaß und Lothringen senden jetzt wieder gutdeutsche Kreise,
insbesondere des kleinen Mittelstandes, nur zu gern und willig ihre Kinder in
diese Schulen der Doppelkultur hinein. Die große Prüfung, die kürzlich im
Kreise König stein im Taunus für die von der französischen Besatzung ein¬
gerichteten Sprachkurse stattfand, wurde ganz nach gutem Brauch Frankreichs zur
prunkvollen Feier, an der jung und alt teilnahm. Wie in der französischen
Provinz bei solcher Gelegenheit die Herren iriairsg, mit blau-weiß-roter Schärpe
geschmückt, dein Präfekten und zugleich dem Vertreter des ruhmreichen Heeres
ihre Aufwartung zu machen Pflegen, fo wohnten hier im Herzen des Deutschen
Reiches Landrat, Bürgermeister und Lehrer der beteiligten elf Gemeinden der
Prüfung bei: im deutschen Schulzimmer vollzog sich in gleicher Form dieselbe
Feierlichkeit, die in französischen Klassen gang und gäbe ist. Acht Kinder er¬
hielten erste Preise, so durste frohlockend die Lokalpresse melden, . Mädchen und
Knaben ein Dreimonatsabonnement auf französische Zeitschriften, ferner das
Lexikon Larousse, Jules Verne-Bücher, beide in Goldschnitt, und fünfzig bis
hundert Mark in bar. Die beiden besten Schüler erhielten zudem noch Bleistift¬
zeichnungen eines französischen Hauptmanns (!), sodann bekamen sämtliche
anderen Kinder Robinson, Grimms und Bechsteins Märchen in französi¬
scher Übersetzung und endlich ein Sechsmonatsabonnement auf die bekannte
deutsch-französische Zeitschrift: Der Rhein im Bild. Eindrucksvoller und um¬
fassender noch setzt diese Werbung in den Großstädten ein. "Hunderte von Mit¬
bürgern jedes Geschlechts, Alters und Standes," schreibt ebenfalls höchst entzückt
der "Trierer Volksfreund", "meldeten sich zu den bei der Besatzung¬
behörde eingerichteten Sprachkursen." Von der Trierer Stadtverwaltung
wurden deutsche Schulzimmer bereitwillig zur Verfügung gestellt, ja, sogar
deutsche Lehrer und Lehrerinnen leisten unter sanftem Druck von oben auf Kosten
Frankreichs hilfreiche Dienste unter der kläglichen Ausrede, daß die Franzose"
sonst französische Lehrkräfte nach Trier legen würden.

Naturgemäß bilden solche Elementarkurse nur den Grundstock zum Aufbau
eines vollständigen Schulsystems. Fünfzehn Jahre lang wollen ja die Be¬
satzungstruppen mit all ihrem Anhang im Lande bleiben, fünfzehn Jahre lang
müssen also Erwachsene und Kinder in französischer Sprache und französisches
Geiste geschult werden, "um den Verkehr zwischen Soldaten und Bürgern möglichst


Weiße und farbige Franzosen am Rhein

Weiße und farbige Franzosen am Rhein
Linksrheiner von

le und mit welchen Mitteln die französische Kulturpropaganda ein
Mosel, Rhein und Main tätig ist, darüber berichtete schon kürzlich
M hier ein kleiner Ausschnitt aus Wünschen und Klagen, die das be-
MFKW setzte Gebiet seit Monaten erfüllen. Die „Sprachkurse", die im
Gefolge der französischen Besatzungstruppen überall eingerichtet
werden, sind damals gar nicht erwähnt worden: so selbstverständlich erscheint
uns Unter Schutz und Schirm der Nheinlandordonnanzen diese Begleiterschei¬
nung der westlichen Invasion, trotzdem gerade diese langsam vordringende Ver¬
wischung unserer Jugend heute bereits zu schwersten Bedenken Urias; bietet. Nicht
anders als früher in Elsaß und Lothringen senden jetzt wieder gutdeutsche Kreise,
insbesondere des kleinen Mittelstandes, nur zu gern und willig ihre Kinder in
diese Schulen der Doppelkultur hinein. Die große Prüfung, die kürzlich im
Kreise König stein im Taunus für die von der französischen Besatzung ein¬
gerichteten Sprachkurse stattfand, wurde ganz nach gutem Brauch Frankreichs zur
prunkvollen Feier, an der jung und alt teilnahm. Wie in der französischen
Provinz bei solcher Gelegenheit die Herren iriairsg, mit blau-weiß-roter Schärpe
geschmückt, dein Präfekten und zugleich dem Vertreter des ruhmreichen Heeres
ihre Aufwartung zu machen Pflegen, fo wohnten hier im Herzen des Deutschen
Reiches Landrat, Bürgermeister und Lehrer der beteiligten elf Gemeinden der
Prüfung bei: im deutschen Schulzimmer vollzog sich in gleicher Form dieselbe
Feierlichkeit, die in französischen Klassen gang und gäbe ist. Acht Kinder er¬
hielten erste Preise, so durste frohlockend die Lokalpresse melden, . Mädchen und
Knaben ein Dreimonatsabonnement auf französische Zeitschriften, ferner das
Lexikon Larousse, Jules Verne-Bücher, beide in Goldschnitt, und fünfzig bis
hundert Mark in bar. Die beiden besten Schüler erhielten zudem noch Bleistift¬
zeichnungen eines französischen Hauptmanns (!), sodann bekamen sämtliche
anderen Kinder Robinson, Grimms und Bechsteins Märchen in französi¬
scher Übersetzung und endlich ein Sechsmonatsabonnement auf die bekannte
deutsch-französische Zeitschrift: Der Rhein im Bild. Eindrucksvoller und um¬
fassender noch setzt diese Werbung in den Großstädten ein. „Hunderte von Mit¬
bürgern jedes Geschlechts, Alters und Standes," schreibt ebenfalls höchst entzückt
der „Trierer Volksfreund", „meldeten sich zu den bei der Besatzung¬
behörde eingerichteten Sprachkursen." Von der Trierer Stadtverwaltung
wurden deutsche Schulzimmer bereitwillig zur Verfügung gestellt, ja, sogar
deutsche Lehrer und Lehrerinnen leisten unter sanftem Druck von oben auf Kosten
Frankreichs hilfreiche Dienste unter der kläglichen Ausrede, daß die Franzose«
sonst französische Lehrkräfte nach Trier legen würden.

Naturgemäß bilden solche Elementarkurse nur den Grundstock zum Aufbau
eines vollständigen Schulsystems. Fünfzehn Jahre lang wollen ja die Be¬
satzungstruppen mit all ihrem Anhang im Lande bleiben, fünfzehn Jahre lang
müssen also Erwachsene und Kinder in französischer Sprache und französisches
Geiste geschult werden, „um den Verkehr zwischen Soldaten und Bürgern möglichst


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[0130] Weiße und farbige Franzosen am Rhein Weiße und farbige Franzosen am Rhein Linksrheiner von le und mit welchen Mitteln die französische Kulturpropaganda ein Mosel, Rhein und Main tätig ist, darüber berichtete schon kürzlich M hier ein kleiner Ausschnitt aus Wünschen und Klagen, die das be- MFKW setzte Gebiet seit Monaten erfüllen. Die „Sprachkurse", die im Gefolge der französischen Besatzungstruppen überall eingerichtet werden, sind damals gar nicht erwähnt worden: so selbstverständlich erscheint uns Unter Schutz und Schirm der Nheinlandordonnanzen diese Begleiterschei¬ nung der westlichen Invasion, trotzdem gerade diese langsam vordringende Ver¬ wischung unserer Jugend heute bereits zu schwersten Bedenken Urias; bietet. Nicht anders als früher in Elsaß und Lothringen senden jetzt wieder gutdeutsche Kreise, insbesondere des kleinen Mittelstandes, nur zu gern und willig ihre Kinder in diese Schulen der Doppelkultur hinein. Die große Prüfung, die kürzlich im Kreise König stein im Taunus für die von der französischen Besatzung ein¬ gerichteten Sprachkurse stattfand, wurde ganz nach gutem Brauch Frankreichs zur prunkvollen Feier, an der jung und alt teilnahm. Wie in der französischen Provinz bei solcher Gelegenheit die Herren iriairsg, mit blau-weiß-roter Schärpe geschmückt, dein Präfekten und zugleich dem Vertreter des ruhmreichen Heeres ihre Aufwartung zu machen Pflegen, fo wohnten hier im Herzen des Deutschen Reiches Landrat, Bürgermeister und Lehrer der beteiligten elf Gemeinden der Prüfung bei: im deutschen Schulzimmer vollzog sich in gleicher Form dieselbe Feierlichkeit, die in französischen Klassen gang und gäbe ist. Acht Kinder er¬ hielten erste Preise, so durste frohlockend die Lokalpresse melden, . Mädchen und Knaben ein Dreimonatsabonnement auf französische Zeitschriften, ferner das Lexikon Larousse, Jules Verne-Bücher, beide in Goldschnitt, und fünfzig bis hundert Mark in bar. Die beiden besten Schüler erhielten zudem noch Bleistift¬ zeichnungen eines französischen Hauptmanns (!), sodann bekamen sämtliche anderen Kinder Robinson, Grimms und Bechsteins Märchen in französi¬ scher Übersetzung und endlich ein Sechsmonatsabonnement auf die bekannte deutsch-französische Zeitschrift: Der Rhein im Bild. Eindrucksvoller und um¬ fassender noch setzt diese Werbung in den Großstädten ein. „Hunderte von Mit¬ bürgern jedes Geschlechts, Alters und Standes," schreibt ebenfalls höchst entzückt der „Trierer Volksfreund", „meldeten sich zu den bei der Besatzung¬ behörde eingerichteten Sprachkursen." Von der Trierer Stadtverwaltung wurden deutsche Schulzimmer bereitwillig zur Verfügung gestellt, ja, sogar deutsche Lehrer und Lehrerinnen leisten unter sanftem Druck von oben auf Kosten Frankreichs hilfreiche Dienste unter der kläglichen Ausrede, daß die Franzose« sonst französische Lehrkräfte nach Trier legen würden. Naturgemäß bilden solche Elementarkurse nur den Grundstock zum Aufbau eines vollständigen Schulsystems. Fünfzehn Jahre lang wollen ja die Be¬ satzungstruppen mit all ihrem Anhang im Lande bleiben, fünfzehn Jahre lang müssen also Erwachsene und Kinder in französischer Sprache und französisches Geiste geschult werden, „um den Verkehr zwischen Soldaten und Bürgern möglichst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/130>, abgerufen am 20.09.2024.