Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kommunismus und Syndikalismus in 'Deutschland

Aommunismus und Syndikalismus in Deutschland
Heinz Fenner von

indes wäre verfehlter, als wenn man sich die kommunistische
Bewegung, wie sie in dem von Karl Liebknecht gegründeten
Spartakusbund -- später Kommunistische Partei Deutschlands
(K. P. D.) mit dem Untertitel "Spartakusbund" -- in Er¬
scheinung trat, als etwas Einheitliches, Geschlossenes, in sich
Geklärtes und Gefestigtes vorstellte. Schon eine oberflächliche Lektüre kommu¬
nistischer Blätter, deren es -- übrigens der beste Beweis für die Un-
aufrichtigkeit des Geschreies ^der Kommunisten von der Erdrosselung ihrer
Presse -- eine ganze Menge in Deutschland gibt, läßt erkennen, daß in der
Kommunistischen Partei alles in Gärung begriffen ist, daß hier die schärfsten
Gegensätze herrschen und ein Ringen der verschiedensten Anschauungen vor sich
geht. Diese Zersplitterung des Kommunismus in Deutschland wird auch von den
russischen Bolschewisten, den wahren Taufpaten der K. P. D.. zugegeben und in
offiziellen Schreiben als etwas ganz natürliches bezeichnet, das angeblich weder
ihnen, den russischen Bolschewisten, Sorge mache, noch ihren deutschen Genossen,
den Spartakisten, Sorge machen dürfe.

Mitte Dezember 1919 veröffentlichte die kommunistische Presse Deutschlands
ein Schreiben Lenins an die K. P. D., das die Zersplitterung des deutschen
Kommunismus als eine "Krankheit des Wachstums" bezeichnete, die nichts Gefähr¬
liches darstelle und bald überwunden werden werde. Die Meinungsverschieden¬
heiten im deutschen Kommunismus, die sich namentlich um die Frage der Aus¬
nutzung der legalen Möglichkeiten drehen -- das heißt Ausnutzung des bürgerlichen
Parlaments, der Gewerkschaften und Betriebsräten -- hätte auch in Nußland
bestanden. Lenin rät dann den deutschen Spartakisten, sich an dem bürgerlichen
Parlament, den Gewerkschaften und den Betriebsräten zu beteiligen. Diese
Anschauung Lenins steht in vollem Einklang mit einem Ende des Jahres 1919
verbreiteten Rundschreiben der dritten Kommunistischen Internationale in Moskau,-
in dem die Teilnahme am Parlament zum Zwecke seiner "Vernichtung" als
durchaus erwünscht, ja notwendig bezeichnet wird. ^

Am nächsten kommt diesem Standpunkt Lenins und der dritten Internationale
die Stellung der Neichszentrale der K. P. D., die gleichfalls aus taktischen Gründen
eine Teilnahme an den Parlamentswahlen und an lokalen Vertretungen nicht nur
gestattet, sondern sogar als wünschenswert bezeichnet. Die K. P. D. könne, so
heißt es in ihrem im Oktober angenommenen Heidelberger Aktionsprogramm,
auf kein politisches Mittel grundsätzlich verzichten, das der Vorbereitung der
bevorstehenden großen Kämpfe diene. Als solches Mittel komme auch die
Beteiligung an Wahlen in Betracht, sei es zu Parlamenten, zu Gemeinde¬
vertretungen oder zu gesetzlich anerkannten Betriebsräten usw. Als Dank für
ihre Folgsamkeit gegenüber den von Moskau aus gegebenen Direktiven der
ideellen Gründer der Partei erhielt denn auch die Reichszentrale und deren
offizielles Organ, die Berliner "Note Fahne", in dem erwähnten Schreiben
Lenins eine besondere Anerkennung, die in die Form der Feststellung des
"heldenmütigen Kampfes" dieses Blattes "gegen die Henker Roste-Scheidemann"
gekleidet war.


Kommunismus und Syndikalismus in 'Deutschland

Aommunismus und Syndikalismus in Deutschland
Heinz Fenner von

indes wäre verfehlter, als wenn man sich die kommunistische
Bewegung, wie sie in dem von Karl Liebknecht gegründeten
Spartakusbund — später Kommunistische Partei Deutschlands
(K. P. D.) mit dem Untertitel „Spartakusbund" — in Er¬
scheinung trat, als etwas Einheitliches, Geschlossenes, in sich
Geklärtes und Gefestigtes vorstellte. Schon eine oberflächliche Lektüre kommu¬
nistischer Blätter, deren es — übrigens der beste Beweis für die Un-
aufrichtigkeit des Geschreies ^der Kommunisten von der Erdrosselung ihrer
Presse — eine ganze Menge in Deutschland gibt, läßt erkennen, daß in der
Kommunistischen Partei alles in Gärung begriffen ist, daß hier die schärfsten
Gegensätze herrschen und ein Ringen der verschiedensten Anschauungen vor sich
geht. Diese Zersplitterung des Kommunismus in Deutschland wird auch von den
russischen Bolschewisten, den wahren Taufpaten der K. P. D.. zugegeben und in
offiziellen Schreiben als etwas ganz natürliches bezeichnet, das angeblich weder
ihnen, den russischen Bolschewisten, Sorge mache, noch ihren deutschen Genossen,
den Spartakisten, Sorge machen dürfe.

Mitte Dezember 1919 veröffentlichte die kommunistische Presse Deutschlands
ein Schreiben Lenins an die K. P. D., das die Zersplitterung des deutschen
Kommunismus als eine „Krankheit des Wachstums" bezeichnete, die nichts Gefähr¬
liches darstelle und bald überwunden werden werde. Die Meinungsverschieden¬
heiten im deutschen Kommunismus, die sich namentlich um die Frage der Aus¬
nutzung der legalen Möglichkeiten drehen — das heißt Ausnutzung des bürgerlichen
Parlaments, der Gewerkschaften und Betriebsräten — hätte auch in Nußland
bestanden. Lenin rät dann den deutschen Spartakisten, sich an dem bürgerlichen
Parlament, den Gewerkschaften und den Betriebsräten zu beteiligen. Diese
Anschauung Lenins steht in vollem Einklang mit einem Ende des Jahres 1919
verbreiteten Rundschreiben der dritten Kommunistischen Internationale in Moskau,-
in dem die Teilnahme am Parlament zum Zwecke seiner „Vernichtung" als
durchaus erwünscht, ja notwendig bezeichnet wird. ^

Am nächsten kommt diesem Standpunkt Lenins und der dritten Internationale
die Stellung der Neichszentrale der K. P. D., die gleichfalls aus taktischen Gründen
eine Teilnahme an den Parlamentswahlen und an lokalen Vertretungen nicht nur
gestattet, sondern sogar als wünschenswert bezeichnet. Die K. P. D. könne, so
heißt es in ihrem im Oktober angenommenen Heidelberger Aktionsprogramm,
auf kein politisches Mittel grundsätzlich verzichten, das der Vorbereitung der
bevorstehenden großen Kämpfe diene. Als solches Mittel komme auch die
Beteiligung an Wahlen in Betracht, sei es zu Parlamenten, zu Gemeinde¬
vertretungen oder zu gesetzlich anerkannten Betriebsräten usw. Als Dank für
ihre Folgsamkeit gegenüber den von Moskau aus gegebenen Direktiven der
ideellen Gründer der Partei erhielt denn auch die Reichszentrale und deren
offizielles Organ, die Berliner „Note Fahne", in dem erwähnten Schreiben
Lenins eine besondere Anerkennung, die in die Form der Feststellung des
„heldenmütigen Kampfes" dieses Blattes „gegen die Henker Roste-Scheidemann"
gekleidet war.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336935"/>
          <fw type="header" place="top"> Kommunismus und Syndikalismus in 'Deutschland</fw><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aommunismus und Syndikalismus in Deutschland<lb/><note type="byline"> Heinz Fenner</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_261"> indes wäre verfehlter, als wenn man sich die kommunistische<lb/>
Bewegung, wie sie in dem von Karl Liebknecht gegründeten<lb/>
Spartakusbund &#x2014; später Kommunistische Partei Deutschlands<lb/>
(K. P. D.) mit dem Untertitel &#x201E;Spartakusbund" &#x2014; in Er¬<lb/>
scheinung trat, als etwas Einheitliches, Geschlossenes, in sich<lb/>
Geklärtes und Gefestigtes vorstellte. Schon eine oberflächliche Lektüre kommu¬<lb/>
nistischer Blätter, deren es &#x2014; übrigens der beste Beweis für die Un-<lb/>
aufrichtigkeit des Geschreies ^der Kommunisten von der Erdrosselung ihrer<lb/>
Presse &#x2014; eine ganze Menge in Deutschland gibt, läßt erkennen, daß in der<lb/>
Kommunistischen Partei alles in Gärung begriffen ist, daß hier die schärfsten<lb/>
Gegensätze herrschen und ein Ringen der verschiedensten Anschauungen vor sich<lb/>
geht. Diese Zersplitterung des Kommunismus in Deutschland wird auch von den<lb/>
russischen Bolschewisten, den wahren Taufpaten der K. P. D.. zugegeben und in<lb/>
offiziellen Schreiben als etwas ganz natürliches bezeichnet, das angeblich weder<lb/>
ihnen, den russischen Bolschewisten, Sorge mache, noch ihren deutschen Genossen,<lb/>
den Spartakisten, Sorge machen dürfe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_262"> Mitte Dezember 1919 veröffentlichte die kommunistische Presse Deutschlands<lb/>
ein Schreiben Lenins an die K. P. D., das die Zersplitterung des deutschen<lb/>
Kommunismus als eine &#x201E;Krankheit des Wachstums" bezeichnete, die nichts Gefähr¬<lb/>
liches darstelle und bald überwunden werden werde. Die Meinungsverschieden¬<lb/>
heiten im deutschen Kommunismus, die sich namentlich um die Frage der Aus¬<lb/>
nutzung der legalen Möglichkeiten drehen &#x2014; das heißt Ausnutzung des bürgerlichen<lb/>
Parlaments, der Gewerkschaften und Betriebsräten &#x2014; hätte auch in Nußland<lb/>
bestanden. Lenin rät dann den deutschen Spartakisten, sich an dem bürgerlichen<lb/>
Parlament, den Gewerkschaften und den Betriebsräten zu beteiligen. Diese<lb/>
Anschauung Lenins steht in vollem Einklang mit einem Ende des Jahres 1919<lb/>
verbreiteten Rundschreiben der dritten Kommunistischen Internationale in Moskau,-<lb/>
in dem die Teilnahme am Parlament zum Zwecke seiner &#x201E;Vernichtung" als<lb/>
durchaus erwünscht, ja notwendig bezeichnet wird. ^</p><lb/>
          <p xml:id="ID_263"> Am nächsten kommt diesem Standpunkt Lenins und der dritten Internationale<lb/>
die Stellung der Neichszentrale der K. P. D., die gleichfalls aus taktischen Gründen<lb/>
eine Teilnahme an den Parlamentswahlen und an lokalen Vertretungen nicht nur<lb/>
gestattet, sondern sogar als wünschenswert bezeichnet. Die K. P. D. könne, so<lb/>
heißt es in ihrem im Oktober angenommenen Heidelberger Aktionsprogramm,<lb/>
auf kein politisches Mittel grundsätzlich verzichten, das der Vorbereitung der<lb/>
bevorstehenden großen Kämpfe diene. Als solches Mittel komme auch die<lb/>
Beteiligung an Wahlen in Betracht, sei es zu Parlamenten, zu Gemeinde¬<lb/>
vertretungen oder zu gesetzlich anerkannten Betriebsräten usw. Als Dank für<lb/>
ihre Folgsamkeit gegenüber den von Moskau aus gegebenen Direktiven der<lb/>
ideellen Gründer der Partei erhielt denn auch die Reichszentrale und deren<lb/>
offizielles Organ, die Berliner &#x201E;Note Fahne", in dem erwähnten Schreiben<lb/>
Lenins eine besondere Anerkennung, die in die Form der Feststellung des<lb/>
&#x201E;heldenmütigen Kampfes" dieses Blattes &#x201E;gegen die Henker Roste-Scheidemann"<lb/>
gekleidet war.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0090] Kommunismus und Syndikalismus in 'Deutschland Aommunismus und Syndikalismus in Deutschland Heinz Fenner von indes wäre verfehlter, als wenn man sich die kommunistische Bewegung, wie sie in dem von Karl Liebknecht gegründeten Spartakusbund — später Kommunistische Partei Deutschlands (K. P. D.) mit dem Untertitel „Spartakusbund" — in Er¬ scheinung trat, als etwas Einheitliches, Geschlossenes, in sich Geklärtes und Gefestigtes vorstellte. Schon eine oberflächliche Lektüre kommu¬ nistischer Blätter, deren es — übrigens der beste Beweis für die Un- aufrichtigkeit des Geschreies ^der Kommunisten von der Erdrosselung ihrer Presse — eine ganze Menge in Deutschland gibt, läßt erkennen, daß in der Kommunistischen Partei alles in Gärung begriffen ist, daß hier die schärfsten Gegensätze herrschen und ein Ringen der verschiedensten Anschauungen vor sich geht. Diese Zersplitterung des Kommunismus in Deutschland wird auch von den russischen Bolschewisten, den wahren Taufpaten der K. P. D.. zugegeben und in offiziellen Schreiben als etwas ganz natürliches bezeichnet, das angeblich weder ihnen, den russischen Bolschewisten, Sorge mache, noch ihren deutschen Genossen, den Spartakisten, Sorge machen dürfe. Mitte Dezember 1919 veröffentlichte die kommunistische Presse Deutschlands ein Schreiben Lenins an die K. P. D., das die Zersplitterung des deutschen Kommunismus als eine „Krankheit des Wachstums" bezeichnete, die nichts Gefähr¬ liches darstelle und bald überwunden werden werde. Die Meinungsverschieden¬ heiten im deutschen Kommunismus, die sich namentlich um die Frage der Aus¬ nutzung der legalen Möglichkeiten drehen — das heißt Ausnutzung des bürgerlichen Parlaments, der Gewerkschaften und Betriebsräten — hätte auch in Nußland bestanden. Lenin rät dann den deutschen Spartakisten, sich an dem bürgerlichen Parlament, den Gewerkschaften und den Betriebsräten zu beteiligen. Diese Anschauung Lenins steht in vollem Einklang mit einem Ende des Jahres 1919 verbreiteten Rundschreiben der dritten Kommunistischen Internationale in Moskau,- in dem die Teilnahme am Parlament zum Zwecke seiner „Vernichtung" als durchaus erwünscht, ja notwendig bezeichnet wird. ^ Am nächsten kommt diesem Standpunkt Lenins und der dritten Internationale die Stellung der Neichszentrale der K. P. D., die gleichfalls aus taktischen Gründen eine Teilnahme an den Parlamentswahlen und an lokalen Vertretungen nicht nur gestattet, sondern sogar als wünschenswert bezeichnet. Die K. P. D. könne, so heißt es in ihrem im Oktober angenommenen Heidelberger Aktionsprogramm, auf kein politisches Mittel grundsätzlich verzichten, das der Vorbereitung der bevorstehenden großen Kämpfe diene. Als solches Mittel komme auch die Beteiligung an Wahlen in Betracht, sei es zu Parlamenten, zu Gemeinde¬ vertretungen oder zu gesetzlich anerkannten Betriebsräten usw. Als Dank für ihre Folgsamkeit gegenüber den von Moskau aus gegebenen Direktiven der ideellen Gründer der Partei erhielt denn auch die Reichszentrale und deren offizielles Organ, die Berliner „Note Fahne", in dem erwähnten Schreiben Lenins eine besondere Anerkennung, die in die Form der Feststellung des „heldenmütigen Kampfes" dieses Blattes „gegen die Henker Roste-Scheidemann" gekleidet war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/90
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/90>, abgerufen am 22.12.2024.