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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]
Die Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.

Wer die Akten der früheren kaiserlichen Re¬
gierung einigermaßen kannte, hat sich nach
dem Umsturz mit dem Gedanken vertraut
gemacht, dasz Schriftsteller vom Schlage
Knutskys die Randbemerkungen des Kaisers
zu einer Gcschichtsfälschung größten Stils
mißbrauchen würden. Der Kaiser Pflegte
alles mit demi Bleistift in der Hand zu lesen.
Mit der Arbeitsfreude, die ihn auszeichnete,
nahm er allmorgentlich schon beim Ankleiden
die Mappe des Auswärtigen Amtes vor und
versah deren Inhalt, auch wenn es sich um
verhältnismäßig unwesentliche Zeitungsaus¬
schnitte handelte, mit Äußerungen, in denen
seine rasche Auffassungsgabe wie sein impul¬
sives Temperament sich auswirkten. Diese
Bemerkungen gelangten dann im Original
zur Kenntnis eines größeren Kreises von
Dienststellen, als der Kaiser es vermuten
konnte. Zum Teil wurden sie sogar aus den
Vervielfältigungen der Berichte nachgetragen
^ eine Maßnahme, die sicherlich nicht die
Billigung des Kaisers gesunden hätte. Die
mit Parteiischer Absicht nunmehr ans Licht
gezerrten Randglossen des "Kaisers in Unter¬
hosen", wie ihn Kautskh bezeichnet, werden
leider häufig aus Unkenntnis des inneren
Geschäftsbetriebes der früheren Negierung
falsch bewertet. So wurden vielfach Vergleiche
mit den Marginalien Friedrichs des Großen
gezogen. Kein Vergleich trifft geschichtlich
weniger zu. Allerdings ähnelten diese
Äußerungen des Kaisers in der Form manch¬
mal dem berühmten Marginalstil Friedrichs
des Großen. Aber es besteht ein gewaltiger

[Spaltenumbruch]

Unterschied. Friedrich der Große, der absolute
Monarch, erließ durch sie Randverfügnngen,
Kaiser Wilhelm dagegen teilte in ihnen
seinen Mitarbeitern seine persönlichen An¬
sichten mit. Hierdurch griff er den aus
konstitutionellem Wege zu treffenden Ent¬
scheidungen nicht vor. Er wußte, daß seine
Ratgeber vor jeder sachlichen Entscheidung
ihm ihre Überzeugung in voller Offenheit
vortragen würden, ohne sich durch irgend¬
welche Randbemerkungen beengt zu fühlen.
Unzählige Stellen ließen sich anführen, die
beweisen, daß die endgültige Entscheidung des
Kaisers von seinen Persönlichen, unter dem ersten
Eindruck hingeworfenen Randbemerkungen
abweicht. Gerade weil er sich bewußt war,
daß jene Augenblickseinfälle -- die ihm
selbst niemals wieder vorgelegtworden sind --
den Entschlüssen der verantwortlichen Stellen
in keiner Weise Vorgriffen, erging er sich in
ihnen zwanglos und unbesorgt. Wenn die
Geschichtsschreibung über das Zeitalter Kaiser
Wilhelms II. auch nur einigermaßen das
Verantwortungsbewußtsein des Kaisers selbst
und der damaligen Reichsleitungen sich zum
Muster nimmt, wird sie den Randglossen
Wilhelm II. in allen irgendwie wichtigen
Fragen nur den Rang subjektiver Privat¬
notizen, wirklicher Eintagsfliegen, zuerkennen.
"Auf meine Randbemerkungen darf man mich
nicht festlegen", Pflegte der Kaiser selbst ab¬
zuwehren, wenn ein hoher Beamter -- zu
des Kaisers Erstaunen -- sie einmal dienst¬
lich zu schwer auffassen und sich dem Re¬
genten gegenüber darauf beziehen wollte.

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Vüchcschau

[Beginn Spaltensatz]
Oswald Tpennler, Prcusjentum und
Sozialismus.

C. H. Beck. München 1920.
Die Tiefenschicht, in der der bekannte
Münchener Denker sein Problem anfaßt, er-
fordert eine Einstellung dieser Schrift in
den innern Zusammenhang der großen Ver¬
suche europäischer und deutscher Gehen'ches-.

[Spaltenumbruch]

ausdeutnng, die uns zumeist seitab von der
Akademie die letzten Jahrzehnte geschenkt
haben. Gemeinsame Grundlage ist Nietzsches,
tiefe pessimistische Kulturkritik, aber auch
Lagardes Einfluß ist allenthalben spürbar.
Auf beiden baut die Doktrin des George¬
kreises, die in den Jahrbüchern für die

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Bücherschau

[Beginn Spaltensatz]
Die Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II.

Wer die Akten der früheren kaiserlichen Re¬
gierung einigermaßen kannte, hat sich nach
dem Umsturz mit dem Gedanken vertraut
gemacht, dasz Schriftsteller vom Schlage
Knutskys die Randbemerkungen des Kaisers
zu einer Gcschichtsfälschung größten Stils
mißbrauchen würden. Der Kaiser Pflegte
alles mit demi Bleistift in der Hand zu lesen.
Mit der Arbeitsfreude, die ihn auszeichnete,
nahm er allmorgentlich schon beim Ankleiden
die Mappe des Auswärtigen Amtes vor und
versah deren Inhalt, auch wenn es sich um
verhältnismäßig unwesentliche Zeitungsaus¬
schnitte handelte, mit Äußerungen, in denen
seine rasche Auffassungsgabe wie sein impul¬
sives Temperament sich auswirkten. Diese
Bemerkungen gelangten dann im Original
zur Kenntnis eines größeren Kreises von
Dienststellen, als der Kaiser es vermuten
konnte. Zum Teil wurden sie sogar aus den
Vervielfältigungen der Berichte nachgetragen
^ eine Maßnahme, die sicherlich nicht die
Billigung des Kaisers gesunden hätte. Die
mit Parteiischer Absicht nunmehr ans Licht
gezerrten Randglossen des „Kaisers in Unter¬
hosen", wie ihn Kautskh bezeichnet, werden
leider häufig aus Unkenntnis des inneren
Geschäftsbetriebes der früheren Negierung
falsch bewertet. So wurden vielfach Vergleiche
mit den Marginalien Friedrichs des Großen
gezogen. Kein Vergleich trifft geschichtlich
weniger zu. Allerdings ähnelten diese
Äußerungen des Kaisers in der Form manch¬
mal dem berühmten Marginalstil Friedrichs
des Großen. Aber es besteht ein gewaltiger

[Spaltenumbruch]

Unterschied. Friedrich der Große, der absolute
Monarch, erließ durch sie Randverfügnngen,
Kaiser Wilhelm dagegen teilte in ihnen
seinen Mitarbeitern seine persönlichen An¬
sichten mit. Hierdurch griff er den aus
konstitutionellem Wege zu treffenden Ent¬
scheidungen nicht vor. Er wußte, daß seine
Ratgeber vor jeder sachlichen Entscheidung
ihm ihre Überzeugung in voller Offenheit
vortragen würden, ohne sich durch irgend¬
welche Randbemerkungen beengt zu fühlen.
Unzählige Stellen ließen sich anführen, die
beweisen, daß die endgültige Entscheidung des
Kaisers von seinen Persönlichen, unter dem ersten
Eindruck hingeworfenen Randbemerkungen
abweicht. Gerade weil er sich bewußt war,
daß jene Augenblickseinfälle — die ihm
selbst niemals wieder vorgelegtworden sind —
den Entschlüssen der verantwortlichen Stellen
in keiner Weise Vorgriffen, erging er sich in
ihnen zwanglos und unbesorgt. Wenn die
Geschichtsschreibung über das Zeitalter Kaiser
Wilhelms II. auch nur einigermaßen das
Verantwortungsbewußtsein des Kaisers selbst
und der damaligen Reichsleitungen sich zum
Muster nimmt, wird sie den Randglossen
Wilhelm II. in allen irgendwie wichtigen
Fragen nur den Rang subjektiver Privat¬
notizen, wirklicher Eintagsfliegen, zuerkennen.
„Auf meine Randbemerkungen darf man mich
nicht festlegen", Pflegte der Kaiser selbst ab¬
zuwehren, wenn ein hoher Beamter — zu
des Kaisers Erstaunen — sie einmal dienst¬
lich zu schwer auffassen und sich dem Re¬
genten gegenüber darauf beziehen wollte.

[Ende Spaltensatz]


Vüchcschau

[Beginn Spaltensatz]
Oswald Tpennler, Prcusjentum und
Sozialismus.

C. H. Beck. München 1920.
Die Tiefenschicht, in der der bekannte
Münchener Denker sein Problem anfaßt, er-
fordert eine Einstellung dieser Schrift in
den innern Zusammenhang der großen Ver¬
suche europäischer und deutscher Gehen'ches-.

[Spaltenumbruch]

ausdeutnng, die uns zumeist seitab von der
Akademie die letzten Jahrzehnte geschenkt
haben. Gemeinsame Grundlage ist Nietzsches,
tiefe pessimistische Kulturkritik, aber auch
Lagardes Einfluß ist allenthalben spürbar.
Auf beiden baut die Doktrin des George¬
kreises, die in den Jahrbüchern für die

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[0074] Bücherschau Die Randbemerkungen Kaiser Wilhelms II. Wer die Akten der früheren kaiserlichen Re¬ gierung einigermaßen kannte, hat sich nach dem Umsturz mit dem Gedanken vertraut gemacht, dasz Schriftsteller vom Schlage Knutskys die Randbemerkungen des Kaisers zu einer Gcschichtsfälschung größten Stils mißbrauchen würden. Der Kaiser Pflegte alles mit demi Bleistift in der Hand zu lesen. Mit der Arbeitsfreude, die ihn auszeichnete, nahm er allmorgentlich schon beim Ankleiden die Mappe des Auswärtigen Amtes vor und versah deren Inhalt, auch wenn es sich um verhältnismäßig unwesentliche Zeitungsaus¬ schnitte handelte, mit Äußerungen, in denen seine rasche Auffassungsgabe wie sein impul¬ sives Temperament sich auswirkten. Diese Bemerkungen gelangten dann im Original zur Kenntnis eines größeren Kreises von Dienststellen, als der Kaiser es vermuten konnte. Zum Teil wurden sie sogar aus den Vervielfältigungen der Berichte nachgetragen ^ eine Maßnahme, die sicherlich nicht die Billigung des Kaisers gesunden hätte. Die mit Parteiischer Absicht nunmehr ans Licht gezerrten Randglossen des „Kaisers in Unter¬ hosen", wie ihn Kautskh bezeichnet, werden leider häufig aus Unkenntnis des inneren Geschäftsbetriebes der früheren Negierung falsch bewertet. So wurden vielfach Vergleiche mit den Marginalien Friedrichs des Großen gezogen. Kein Vergleich trifft geschichtlich weniger zu. Allerdings ähnelten diese Äußerungen des Kaisers in der Form manch¬ mal dem berühmten Marginalstil Friedrichs des Großen. Aber es besteht ein gewaltiger Unterschied. Friedrich der Große, der absolute Monarch, erließ durch sie Randverfügnngen, Kaiser Wilhelm dagegen teilte in ihnen seinen Mitarbeitern seine persönlichen An¬ sichten mit. Hierdurch griff er den aus konstitutionellem Wege zu treffenden Ent¬ scheidungen nicht vor. Er wußte, daß seine Ratgeber vor jeder sachlichen Entscheidung ihm ihre Überzeugung in voller Offenheit vortragen würden, ohne sich durch irgend¬ welche Randbemerkungen beengt zu fühlen. Unzählige Stellen ließen sich anführen, die beweisen, daß die endgültige Entscheidung des Kaisers von seinen Persönlichen, unter dem ersten Eindruck hingeworfenen Randbemerkungen abweicht. Gerade weil er sich bewußt war, daß jene Augenblickseinfälle — die ihm selbst niemals wieder vorgelegtworden sind — den Entschlüssen der verantwortlichen Stellen in keiner Weise Vorgriffen, erging er sich in ihnen zwanglos und unbesorgt. Wenn die Geschichtsschreibung über das Zeitalter Kaiser Wilhelms II. auch nur einigermaßen das Verantwortungsbewußtsein des Kaisers selbst und der damaligen Reichsleitungen sich zum Muster nimmt, wird sie den Randglossen Wilhelm II. in allen irgendwie wichtigen Fragen nur den Rang subjektiver Privat¬ notizen, wirklicher Eintagsfliegen, zuerkennen. „Auf meine Randbemerkungen darf man mich nicht festlegen", Pflegte der Kaiser selbst ab¬ zuwehren, wenn ein hoher Beamter — zu des Kaisers Erstaunen — sie einmal dienst¬ lich zu schwer auffassen und sich dem Re¬ genten gegenüber darauf beziehen wollte. Vüchcschau Oswald Tpennler, Prcusjentum und Sozialismus. C. H. Beck. München 1920. Die Tiefenschicht, in der der bekannte Münchener Denker sein Problem anfaßt, er- fordert eine Einstellung dieser Schrift in den innern Zusammenhang der großen Ver¬ suche europäischer und deutscher Gehen'ches-. ausdeutnng, die uns zumeist seitab von der Akademie die letzten Jahrzehnte geschenkt haben. Gemeinsame Grundlage ist Nietzsches, tiefe pessimistische Kulturkritik, aber auch Lagardes Einfluß ist allenthalben spürbar. Auf beiden baut die Doktrin des George¬ kreises, die in den Jahrbüchern für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/74>, abgerufen am 01.09.2024.