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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Finanzdolschcwisimis

das Land und so dem Vaterlande als gesunde und zusriedene Deutsche erhalten
werden. Deutschlands Zukunft beruht auf diesen 20 Millionen, auf seinem
Bauernstande, auf der Erhaltung der opferwilligen Vaterlandsliebe seiner alten
Verteidiger im Weltkriege, auf der nationalen und sozialen Gesinnung in Stadt
und Land. Um diese Zukunftsaufgabe sollte jeder in täglicher Kleinarbeit mit¬
wirken, welchen Beruf er auch hat.

7. Die bolschewistische Gefahr ist groß, namentlich im Verein mit der wirt¬
schaftlichen und finanziellen inneren Lage Deutschlands. Aber noch größer ist sie
für Polen und vielleicht mich für Indien. Darin liegt für uns ein Hoffnungs¬
strahl. Deshalb sollten wir nicht gleich naiv unsere Freude und unsere Bewunde¬
rung den englischen Staatsmännern öffentlich bekunden, wenn diese erklären:
"Der Versailler Frieden muß revidiert werden." 't'uns variaos se aom-^
^rsmEs! Es muß England schlecht gehen, wenn es Dentschland Geschenke
anbietet.

Die nächste Zeit kann im Osten große Entscheidungen bringen und wichtige
Entschlüsse fordern. Dafür kann man im voraus noch nichts Bestimmtes sagen,
"ber folgende Richtlinien scheinen mir richtig: Kein Bündnis mit dem bolsche¬
wistischen Rußland, keines mit Polen, kühle stolze Zurückhaltung gegen England.
Nie darf ein Zusammengehen mit England unser späteres Zusammengehen mit
einem bürgerlichen Rußland unmöglich machen. Denn Deutschlands Zukunft
liegt im Osten.




Kncmzbolschewismus
Dr. A. Ritt gieb von

jie Ratlosigkeit des Westens gegenüber der russischen Sphinx beginnt
offenbar zu werden. Seine besten Politiker arbeiten an einer
"Bekämpfung des Bolschewismus". systemlos. Denn sie traten in
den Kampf gegen ein Faktum, dessen Grundursachen nicht erkannt
^ oder, wenn erkannt, nicht ausgesprochen sind.

Der Bolschewismus entstand da, wo die Völkerwanderung von Osten nach
esten sich mit der proletarischen Völkerwanderung von unten nach oben schnitt
ni ^ geographische Völkerwanderung, die ostwestliche, erstrebt das
Zeiche hohe Ziel wie die proletarische. Sie will die westländische Zivilisation
"vernehmen. Aber gleichzeitig wünscht sie diese Zivilisation in ihren anfecht-
°ren Punkten (Glaube an Kapital, liberales Gerechtigkeitsidol, soziologische
Mechanik auf individualistischen -- nämlich rechtlichem, händlerischem und kul-
rellem -- Hintergrunde) zu idealisieren, ohne dafür brauchbare Wege gefunden
"n haben.

Und dennoch konnte der Bolschewismus mächtig und stabil werden, weil
^ eine der genialsten und größten Jntercssenverkoppelungen darstellt, die inner-


Finanzdolschcwisimis

das Land und so dem Vaterlande als gesunde und zusriedene Deutsche erhalten
werden. Deutschlands Zukunft beruht auf diesen 20 Millionen, auf seinem
Bauernstande, auf der Erhaltung der opferwilligen Vaterlandsliebe seiner alten
Verteidiger im Weltkriege, auf der nationalen und sozialen Gesinnung in Stadt
und Land. Um diese Zukunftsaufgabe sollte jeder in täglicher Kleinarbeit mit¬
wirken, welchen Beruf er auch hat.

7. Die bolschewistische Gefahr ist groß, namentlich im Verein mit der wirt¬
schaftlichen und finanziellen inneren Lage Deutschlands. Aber noch größer ist sie
für Polen und vielleicht mich für Indien. Darin liegt für uns ein Hoffnungs¬
strahl. Deshalb sollten wir nicht gleich naiv unsere Freude und unsere Bewunde¬
rung den englischen Staatsmännern öffentlich bekunden, wenn diese erklären:
„Der Versailler Frieden muß revidiert werden." 't'uns variaos se aom-^
^rsmEs! Es muß England schlecht gehen, wenn es Dentschland Geschenke
anbietet.

Die nächste Zeit kann im Osten große Entscheidungen bringen und wichtige
Entschlüsse fordern. Dafür kann man im voraus noch nichts Bestimmtes sagen,
"ber folgende Richtlinien scheinen mir richtig: Kein Bündnis mit dem bolsche¬
wistischen Rußland, keines mit Polen, kühle stolze Zurückhaltung gegen England.
Nie darf ein Zusammengehen mit England unser späteres Zusammengehen mit
einem bürgerlichen Rußland unmöglich machen. Denn Deutschlands Zukunft
liegt im Osten.




Kncmzbolschewismus
Dr. A. Ritt gieb von

jie Ratlosigkeit des Westens gegenüber der russischen Sphinx beginnt
offenbar zu werden. Seine besten Politiker arbeiten an einer
„Bekämpfung des Bolschewismus". systemlos. Denn sie traten in
den Kampf gegen ein Faktum, dessen Grundursachen nicht erkannt
^ oder, wenn erkannt, nicht ausgesprochen sind.

Der Bolschewismus entstand da, wo die Völkerwanderung von Osten nach
esten sich mit der proletarischen Völkerwanderung von unten nach oben schnitt
ni ^ geographische Völkerwanderung, die ostwestliche, erstrebt das
Zeiche hohe Ziel wie die proletarische. Sie will die westländische Zivilisation
»vernehmen. Aber gleichzeitig wünscht sie diese Zivilisation in ihren anfecht-
°ren Punkten (Glaube an Kapital, liberales Gerechtigkeitsidol, soziologische
Mechanik auf individualistischen — nämlich rechtlichem, händlerischem und kul-
rellem — Hintergrunde) zu idealisieren, ohne dafür brauchbare Wege gefunden
»n haben.

Und dennoch konnte der Bolschewismus mächtig und stabil werden, weil
^ eine der genialsten und größten Jntercssenverkoppelungen darstellt, die inner-


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[0275] Finanzdolschcwisimis das Land und so dem Vaterlande als gesunde und zusriedene Deutsche erhalten werden. Deutschlands Zukunft beruht auf diesen 20 Millionen, auf seinem Bauernstande, auf der Erhaltung der opferwilligen Vaterlandsliebe seiner alten Verteidiger im Weltkriege, auf der nationalen und sozialen Gesinnung in Stadt und Land. Um diese Zukunftsaufgabe sollte jeder in täglicher Kleinarbeit mit¬ wirken, welchen Beruf er auch hat. 7. Die bolschewistische Gefahr ist groß, namentlich im Verein mit der wirt¬ schaftlichen und finanziellen inneren Lage Deutschlands. Aber noch größer ist sie für Polen und vielleicht mich für Indien. Darin liegt für uns ein Hoffnungs¬ strahl. Deshalb sollten wir nicht gleich naiv unsere Freude und unsere Bewunde¬ rung den englischen Staatsmännern öffentlich bekunden, wenn diese erklären: „Der Versailler Frieden muß revidiert werden." 't'uns variaos se aom-^ ^rsmEs! Es muß England schlecht gehen, wenn es Dentschland Geschenke anbietet. Die nächste Zeit kann im Osten große Entscheidungen bringen und wichtige Entschlüsse fordern. Dafür kann man im voraus noch nichts Bestimmtes sagen, "ber folgende Richtlinien scheinen mir richtig: Kein Bündnis mit dem bolsche¬ wistischen Rußland, keines mit Polen, kühle stolze Zurückhaltung gegen England. Nie darf ein Zusammengehen mit England unser späteres Zusammengehen mit einem bürgerlichen Rußland unmöglich machen. Denn Deutschlands Zukunft liegt im Osten. Kncmzbolschewismus Dr. A. Ritt gieb von jie Ratlosigkeit des Westens gegenüber der russischen Sphinx beginnt offenbar zu werden. Seine besten Politiker arbeiten an einer „Bekämpfung des Bolschewismus". systemlos. Denn sie traten in den Kampf gegen ein Faktum, dessen Grundursachen nicht erkannt ^ oder, wenn erkannt, nicht ausgesprochen sind. Der Bolschewismus entstand da, wo die Völkerwanderung von Osten nach esten sich mit der proletarischen Völkerwanderung von unten nach oben schnitt ni ^ geographische Völkerwanderung, die ostwestliche, erstrebt das Zeiche hohe Ziel wie die proletarische. Sie will die westländische Zivilisation »vernehmen. Aber gleichzeitig wünscht sie diese Zivilisation in ihren anfecht- °ren Punkten (Glaube an Kapital, liberales Gerechtigkeitsidol, soziologische Mechanik auf individualistischen — nämlich rechtlichem, händlerischem und kul- rellem — Hintergrunde) zu idealisieren, ohne dafür brauchbare Wege gefunden »n haben. Und dennoch konnte der Bolschewismus mächtig und stabil werden, weil ^ eine der genialsten und größten Jntercssenverkoppelungen darstellt, die inner-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/275>, abgerufen am 01.09.2024.