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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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keine Improvisation, sondern Politisch von
langer H.rud vorbereitet. Diese Politik be¬
zweckt die Auferrichtung eines osteuropäischen
Friedenszustandes. An dem Tage,' wo die
Ententemächte die ganze Wichtigkeit des Ein¬
tritts Polens in den baltischen Bund be¬
greifen werden, wird das beängstigende
Problem des Weltfriedens als gelöst be¬
trachtet werden können. Mein Land strebt
lediglich die Bildung eines Defensivbundes
gegen die gemeinsamen Feinde an. Seit
Jahrhunderten sind der Deutsche und der
Russe die natürlichen Feinde Polens
und Lettlands. Daher hat unsere Re¬
gierung, als die Deutsch-Russen Bernions
Riga angriffen, die Hilfe des Warschauer
Kabinetts erbeten. Polen hat dieser Bitte
sofort durch Kriegsmaterial und durch Kon¬
zentrierung von Truppen in Nordpolen
Rechnung getragen . . . Unter nnlnschreib-
lichem Jubel der Bevölkerung sind die
lettischen und polnischen Regimenter in
Dünaburg eingezogen. Die Eisenbahn
Rga-Warschau ist jetzt frei. Während die
Verbündeten Arme-en ihren siegreichen Vor¬
marsch gegen die Bolschewismen fortsetzen,
wird es die Aufgabe der Politiker sein,
unsere Beziehungen zu Polen enger zu ge¬
stalten. Auf diesem Wege zur gegensciiigen
Verständigung bildete die Anerkennung der
lettischen Unabhängigkeit durch.Polen vom
22. Oktober 1910 den ersten Schritt, den
zweiten die militärische Zusammenarbeit.
Hoffenilich bithet die baltische Konferenz in
Helsingfors den entscheidenden Punkt dieser

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Annäherung. Der baltische Bund wird nur
mächtig und tatkräftig, wenn auch Finnland
und Polen ihm beureten. Die Bildung
dieses Bundes kann bei der Lösung der
westrussischen Grenzprobleme cmsckeidend
werden. Die politischen Ereignisse haben
mit unerbittlicher Logik gezeigt, dcisz die-
baltischen Völker berufen sind, sich einer
gesetzmäßigen Unabhängigkeit zu erfreuen.
Gerade in diesen Ländern hat sich die
Fähigkeit politischer Organisation, der
Staatsbildung und der Desensivkraft gegen
jeden äuszeren Angriff am deutlichsten ge¬
zeigt. Dadurch, daß es den baltischen Bund
mit seiner ganzen Politischen und militärischen
Autorität Schutze, wird sich Polen die Mit¬
wirkung junger kräftiger Nationen, deren
polnische Tendenzen den seinigen gleichen,
sichern. Was besonders Lettland betrifft, so
muß ich noch darauf hinweisen, daß
wir uns immer wie die Polen als die
Schildivachen gegen den deutschen Drang
nach Osten betrachtet haben. Die wirtscüast-
lichen Interessen Polens, die nach der Ostsee
streben, beweisen die Notwendigkeit für den
Polnischen Staat, sich auf eine wirksame
Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten
zu orientieren. Hoffentlich wird ti> Helsing-
forscr Konferenz die festen Grundlagen für
eine solche staatliche Gruppierung festlegen.
Aus eiM'r Periode des Tustens utid der
Versuche sind wir zu einer realistischen Po¬
litik gekommen, die die Ordnung und das
Gleichgewicht im Nordosten Europas sichern
!U. wind.

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Bücherschau

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Martl" Shah", Elsaß-Lothringen. Verlag
Ultstein n. Co., Berlin I!)>.!).

Eine schwere und schmerzliche Ausgabe
ist es, in diesem Augenblick über Elsaß-
Lothringen zu schreiben. Daß sie hier eine
so abgeklärte und reife Lösung gefunden
hat, ist ein schöner Beweis für die überlegene
Ruhe, mit der deutsche Wissenschaft die
brennendsten nationalen Lebensfragen zu

[Spaltenumbruch]

behandclii weiß. Daß diese Ruhe nicht
mensctillche Kälte ist, dafür spricht schlicht
und ergreifend die Widmiing: Professor
Spahn, der durch eins lange ersprießliche
Lehrtätigkeit um der Straßburger Uuiverl.den
mit dem Lande verwachsen ist, widmet das
Buch seinen drei im Elsaß geborenen Kin¬
dern "zum Geheilten an die geliebte Heimat,
zur verdoppelten Treue gegen das Vaterland."

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keine Improvisation, sondern Politisch von
langer H.rud vorbereitet. Diese Politik be¬
zweckt die Auferrichtung eines osteuropäischen
Friedenszustandes. An dem Tage,' wo die
Ententemächte die ganze Wichtigkeit des Ein¬
tritts Polens in den baltischen Bund be¬
greifen werden, wird das beängstigende
Problem des Weltfriedens als gelöst be¬
trachtet werden können. Mein Land strebt
lediglich die Bildung eines Defensivbundes
gegen die gemeinsamen Feinde an. Seit
Jahrhunderten sind der Deutsche und der
Russe die natürlichen Feinde Polens
und Lettlands. Daher hat unsere Re¬
gierung, als die Deutsch-Russen Bernions
Riga angriffen, die Hilfe des Warschauer
Kabinetts erbeten. Polen hat dieser Bitte
sofort durch Kriegsmaterial und durch Kon¬
zentrierung von Truppen in Nordpolen
Rechnung getragen . . . Unter nnlnschreib-
lichem Jubel der Bevölkerung sind die
lettischen und polnischen Regimenter in
Dünaburg eingezogen. Die Eisenbahn
Rga-Warschau ist jetzt frei. Während die
Verbündeten Arme-en ihren siegreichen Vor¬
marsch gegen die Bolschewismen fortsetzen,
wird es die Aufgabe der Politiker sein,
unsere Beziehungen zu Polen enger zu ge¬
stalten. Auf diesem Wege zur gegensciiigen
Verständigung bildete die Anerkennung der
lettischen Unabhängigkeit durch.Polen vom
22. Oktober 1910 den ersten Schritt, den
zweiten die militärische Zusammenarbeit.
Hoffenilich bithet die baltische Konferenz in
Helsingfors den entscheidenden Punkt dieser

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Annäherung. Der baltische Bund wird nur
mächtig und tatkräftig, wenn auch Finnland
und Polen ihm beureten. Die Bildung
dieses Bundes kann bei der Lösung der
westrussischen Grenzprobleme cmsckeidend
werden. Die politischen Ereignisse haben
mit unerbittlicher Logik gezeigt, dcisz die-
baltischen Völker berufen sind, sich einer
gesetzmäßigen Unabhängigkeit zu erfreuen.
Gerade in diesen Ländern hat sich die
Fähigkeit politischer Organisation, der
Staatsbildung und der Desensivkraft gegen
jeden äuszeren Angriff am deutlichsten ge¬
zeigt. Dadurch, daß es den baltischen Bund
mit seiner ganzen Politischen und militärischen
Autorität Schutze, wird sich Polen die Mit¬
wirkung junger kräftiger Nationen, deren
polnische Tendenzen den seinigen gleichen,
sichern. Was besonders Lettland betrifft, so
muß ich noch darauf hinweisen, daß
wir uns immer wie die Polen als die
Schildivachen gegen den deutschen Drang
nach Osten betrachtet haben. Die wirtscüast-
lichen Interessen Polens, die nach der Ostsee
streben, beweisen die Notwendigkeit für den
Polnischen Staat, sich auf eine wirksame
Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten
zu orientieren. Hoffentlich wird ti> Helsing-
forscr Konferenz die festen Grundlagen für
eine solche staatliche Gruppierung festlegen.
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Versuche sind wir zu einer realistischen Po¬
litik gekommen, die die Ordnung und das
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ist es, in diesem Augenblick über Elsaß-
Lothringen zu schreiben. Daß sie hier eine
so abgeklärte und reife Lösung gefunden
hat, ist ein schöner Beweis für die überlegene
Ruhe, mit der deutsche Wissenschaft die
brennendsten nationalen Lebensfragen zu

[Spaltenumbruch]

behandclii weiß. Daß diese Ruhe nicht
mensctillche Kälte ist, dafür spricht schlicht
und ergreifend die Widmiing: Professor
Spahn, der durch eins lange ersprießliche
Lehrtätigkeit um der Straßburger Uuiverl.den
mit dem Lande verwachsen ist, widmet das
Buch seinen drei im Elsaß geborenen Kin¬
dern „zum Geheilten an die geliebte Heimat,
zur verdoppelten Treue gegen das Vaterland."

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[0196] Bücherschau keine Improvisation, sondern Politisch von langer H.rud vorbereitet. Diese Politik be¬ zweckt die Auferrichtung eines osteuropäischen Friedenszustandes. An dem Tage,' wo die Ententemächte die ganze Wichtigkeit des Ein¬ tritts Polens in den baltischen Bund be¬ greifen werden, wird das beängstigende Problem des Weltfriedens als gelöst be¬ trachtet werden können. Mein Land strebt lediglich die Bildung eines Defensivbundes gegen die gemeinsamen Feinde an. Seit Jahrhunderten sind der Deutsche und der Russe die natürlichen Feinde Polens und Lettlands. Daher hat unsere Re¬ gierung, als die Deutsch-Russen Bernions Riga angriffen, die Hilfe des Warschauer Kabinetts erbeten. Polen hat dieser Bitte sofort durch Kriegsmaterial und durch Kon¬ zentrierung von Truppen in Nordpolen Rechnung getragen . . . Unter nnlnschreib- lichem Jubel der Bevölkerung sind die lettischen und polnischen Regimenter in Dünaburg eingezogen. Die Eisenbahn Rga-Warschau ist jetzt frei. Während die Verbündeten Arme-en ihren siegreichen Vor¬ marsch gegen die Bolschewismen fortsetzen, wird es die Aufgabe der Politiker sein, unsere Beziehungen zu Polen enger zu ge¬ stalten. Auf diesem Wege zur gegensciiigen Verständigung bildete die Anerkennung der lettischen Unabhängigkeit durch.Polen vom 22. Oktober 1910 den ersten Schritt, den zweiten die militärische Zusammenarbeit. Hoffenilich bithet die baltische Konferenz in Helsingfors den entscheidenden Punkt dieser Annäherung. Der baltische Bund wird nur mächtig und tatkräftig, wenn auch Finnland und Polen ihm beureten. Die Bildung dieses Bundes kann bei der Lösung der westrussischen Grenzprobleme cmsckeidend werden. Die politischen Ereignisse haben mit unerbittlicher Logik gezeigt, dcisz die- baltischen Völker berufen sind, sich einer gesetzmäßigen Unabhängigkeit zu erfreuen. Gerade in diesen Ländern hat sich die Fähigkeit politischer Organisation, der Staatsbildung und der Desensivkraft gegen jeden äuszeren Angriff am deutlichsten ge¬ zeigt. Dadurch, daß es den baltischen Bund mit seiner ganzen Politischen und militärischen Autorität Schutze, wird sich Polen die Mit¬ wirkung junger kräftiger Nationen, deren polnische Tendenzen den seinigen gleichen, sichern. Was besonders Lettland betrifft, so muß ich noch darauf hinweisen, daß wir uns immer wie die Polen als die Schildivachen gegen den deutschen Drang nach Osten betrachtet haben. Die wirtscüast- lichen Interessen Polens, die nach der Ostsee streben, beweisen die Notwendigkeit für den Polnischen Staat, sich auf eine wirksame Zusammenarbeit mit den baltischen Staaten zu orientieren. Hoffentlich wird ti> Helsing- forscr Konferenz die festen Grundlagen für eine solche staatliche Gruppierung festlegen. Aus eiM'r Periode des Tustens utid der Versuche sind wir zu einer realistischen Po¬ litik gekommen, die die Ordnung und das Gleichgewicht im Nordosten Europas sichern !U. wind. Bücherschau Martl» Shah», Elsaß-Lothringen. Verlag Ultstein n. Co., Berlin I!)>.!). Eine schwere und schmerzliche Ausgabe ist es, in diesem Augenblick über Elsaß- Lothringen zu schreiben. Daß sie hier eine so abgeklärte und reife Lösung gefunden hat, ist ein schöner Beweis für die überlegene Ruhe, mit der deutsche Wissenschaft die brennendsten nationalen Lebensfragen zu behandclii weiß. Daß diese Ruhe nicht mensctillche Kälte ist, dafür spricht schlicht und ergreifend die Widmiing: Professor Spahn, der durch eins lange ersprießliche Lehrtätigkeit um der Straßburger Uuiverl.den mit dem Lande verwachsen ist, widmet das Buch seinen drei im Elsaß geborenen Kin¬ dern „zum Geheilten an die geliebte Heimat, zur verdoppelten Treue gegen das Vaterland."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/196>, abgerufen am 22.12.2024.