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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Die Abwanderung aus dem Osten
Pressestimmen: Polnische Presse -- Kleine Mitteilungen.


atermlien zur ostdeutschen Frage


Die Abwanderung aus dem Osten

Bald nachdem mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages das Schicksal
der Ostmark entschieden war, setzte eine Abwanderung der Deutschen aus dem
Osten ins deutsche Reich ein. Die Bewegung verlies in Wellenbewegungen. Auf
Zeiten besonders starker Abwanderungen t^at die Wanderungsbewegung ver-
schiedentlich wieder zurück, alles in allem hat sie aber einen erschreckenden Um¬
fang angenommen und bereits jetzt zu einer erheblichen zahlenmäßigen Schwächung
des Deutschtums geführt. Die Gründe, von denen die Abwandernden sich leiten
lassen, sind verschieden. Zunächst kommt die Gruppe derer, die aus zwingenden
Gründen gehen. Aber bei näherer Untersuchung der einzelnen Fälle wird man
feststellen, daß für viele, die glauben, fortgehen zu müssen, ein Zwang nicht vor¬
liegt. Immerhin, es gibt Deutsche, bei denen man ohne weiteres zugeben muß,
daß ihr Verbleiben nicht angängig ist. Diese erste Gruppe macht aber nur den
kleinsten Teil der Abwanderer aus. Von den anderen, die bleiben könnten, aber
es doch vorziehen, ihren Wohnsitz zu verlassen, lassen sich die einen von nationalen,
die anderen von rein persönlichen Gründen leiten. Oft sind natürlich beide
Gründe auch vermischt vorhanden. Gerade gut deutsch gesinnte Deutsche glauben
-- und sie werden hierin aus reichsdeutscheu Kreisen vielfach unterstützt --, daß
sie ein Gebot nationaler Pflicht erfüllten, wenn sie ein Land verlassen, in dem
sie unter polnischer Herrschaft leben müssen. Sie vergessen, daß es eine Pflicht
zum Volkstum gibt, die über die Pflicht zum Staat geht. Das Deutschtum in
der Ostmark verkörpert ein Stück deutschen Wesens in ganz besonderer nicht
wiederkehrender Eigenart. Mit seinem Untergang würde ein völkischer Wert
vernichtet werden, der niemals wieder eingebracht werden könnte. Jeder
Abwandernde schwächt aber dieses deutsche Volkstum. Die zahlenmäßige Schwächung
wäre nicht das schlimmste, aber Volkstum ist ein organisches Ganzes, und reißt
man ans ihm durch gewaltsamen Eingriff einzelne Teile in großer Zahl heraus,
dann stört man die inneren organischen Zusammenhänge und vermindert deshalb
die Lebensfähigkeit des Ganzen.

Dem. der aus persönlichen Gründen die Heimat verlaßt, soll man
immer wieder klar machen, daß er damit eine Pflicht gegen sein Volkstum ver-
letzt, und daß er sich nicht hinter nationale Scheingründe verstecken kann. Aber
abgesehen davon, ist die Rechnung, die er macht, wenn er ins deutsche Reich geht,
denn richtig? Das einzig Sichere, dem er entgegengeht, ist, daß er unter deutsche
Herrschaft kommt. Aber im übrigen sind nun doch einmal die wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse im deutschen Reich so trostlos, daß eme weitere
Sicherheit, wie sein Schicksal sich dort gestalten wird, für ihn acht besteht. Will


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Die Abwanderung aus dem Osten

Bald nachdem mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages das Schicksal
der Ostmark entschieden war, setzte eine Abwanderung der Deutschen aus dem
Osten ins deutsche Reich ein. Die Bewegung verlies in Wellenbewegungen. Auf
Zeiten besonders starker Abwanderungen t^at die Wanderungsbewegung ver-
schiedentlich wieder zurück, alles in allem hat sie aber einen erschreckenden Um¬
fang angenommen und bereits jetzt zu einer erheblichen zahlenmäßigen Schwächung
des Deutschtums geführt. Die Gründe, von denen die Abwandernden sich leiten
lassen, sind verschieden. Zunächst kommt die Gruppe derer, die aus zwingenden
Gründen gehen. Aber bei näherer Untersuchung der einzelnen Fälle wird man
feststellen, daß für viele, die glauben, fortgehen zu müssen, ein Zwang nicht vor¬
liegt. Immerhin, es gibt Deutsche, bei denen man ohne weiteres zugeben muß,
daß ihr Verbleiben nicht angängig ist. Diese erste Gruppe macht aber nur den
kleinsten Teil der Abwanderer aus. Von den anderen, die bleiben könnten, aber
es doch vorziehen, ihren Wohnsitz zu verlassen, lassen sich die einen von nationalen,
die anderen von rein persönlichen Gründen leiten. Oft sind natürlich beide
Gründe auch vermischt vorhanden. Gerade gut deutsch gesinnte Deutsche glauben
— und sie werden hierin aus reichsdeutscheu Kreisen vielfach unterstützt —, daß
sie ein Gebot nationaler Pflicht erfüllten, wenn sie ein Land verlassen, in dem
sie unter polnischer Herrschaft leben müssen. Sie vergessen, daß es eine Pflicht
zum Volkstum gibt, die über die Pflicht zum Staat geht. Das Deutschtum in
der Ostmark verkörpert ein Stück deutschen Wesens in ganz besonderer nicht
wiederkehrender Eigenart. Mit seinem Untergang würde ein völkischer Wert
vernichtet werden, der niemals wieder eingebracht werden könnte. Jeder
Abwandernde schwächt aber dieses deutsche Volkstum. Die zahlenmäßige Schwächung
wäre nicht das schlimmste, aber Volkstum ist ein organisches Ganzes, und reißt
man ans ihm durch gewaltsamen Eingriff einzelne Teile in großer Zahl heraus,
dann stört man die inneren organischen Zusammenhänge und vermindert deshalb
die Lebensfähigkeit des Ganzen.

Dem. der aus persönlichen Gründen die Heimat verlaßt, soll man
immer wieder klar machen, daß er damit eine Pflicht gegen sein Volkstum ver-
letzt, und daß er sich nicht hinter nationale Scheingründe verstecken kann. Aber
abgesehen davon, ist die Rechnung, die er macht, wenn er ins deutsche Reich geht,
denn richtig? Das einzig Sichere, dem er entgegengeht, ist, daß er unter deutsche
Herrschaft kommt. Aber im übrigen sind nun doch einmal die wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse im deutschen Reich so trostlos, daß eme weitere
Sicherheit, wie sein Schicksal sich dort gestalten wird, für ihn acht besteht. Will


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[0525] Mitteilungen l MWll BlMiitt VoltliS M WMM Ur. 32Verantwortlich: Carl Georg Bruns Schriftleitung: Vromberg, WeltzienPlwH 1>" Fernruf Ur. 32129. Okt. 1919 Inhalt: Materialien zur ostdeutschen Frage: Die Abwanderung aus dem Osten Pressestimmen: Polnische Presse — Kleine Mitteilungen. atermlien zur ostdeutschen Frage Die Abwanderung aus dem Osten Bald nachdem mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages das Schicksal der Ostmark entschieden war, setzte eine Abwanderung der Deutschen aus dem Osten ins deutsche Reich ein. Die Bewegung verlies in Wellenbewegungen. Auf Zeiten besonders starker Abwanderungen t^at die Wanderungsbewegung ver- schiedentlich wieder zurück, alles in allem hat sie aber einen erschreckenden Um¬ fang angenommen und bereits jetzt zu einer erheblichen zahlenmäßigen Schwächung des Deutschtums geführt. Die Gründe, von denen die Abwandernden sich leiten lassen, sind verschieden. Zunächst kommt die Gruppe derer, die aus zwingenden Gründen gehen. Aber bei näherer Untersuchung der einzelnen Fälle wird man feststellen, daß für viele, die glauben, fortgehen zu müssen, ein Zwang nicht vor¬ liegt. Immerhin, es gibt Deutsche, bei denen man ohne weiteres zugeben muß, daß ihr Verbleiben nicht angängig ist. Diese erste Gruppe macht aber nur den kleinsten Teil der Abwanderer aus. Von den anderen, die bleiben könnten, aber es doch vorziehen, ihren Wohnsitz zu verlassen, lassen sich die einen von nationalen, die anderen von rein persönlichen Gründen leiten. Oft sind natürlich beide Gründe auch vermischt vorhanden. Gerade gut deutsch gesinnte Deutsche glauben — und sie werden hierin aus reichsdeutscheu Kreisen vielfach unterstützt —, daß sie ein Gebot nationaler Pflicht erfüllten, wenn sie ein Land verlassen, in dem sie unter polnischer Herrschaft leben müssen. Sie vergessen, daß es eine Pflicht zum Volkstum gibt, die über die Pflicht zum Staat geht. Das Deutschtum in der Ostmark verkörpert ein Stück deutschen Wesens in ganz besonderer nicht wiederkehrender Eigenart. Mit seinem Untergang würde ein völkischer Wert vernichtet werden, der niemals wieder eingebracht werden könnte. Jeder Abwandernde schwächt aber dieses deutsche Volkstum. Die zahlenmäßige Schwächung wäre nicht das schlimmste, aber Volkstum ist ein organisches Ganzes, und reißt man ans ihm durch gewaltsamen Eingriff einzelne Teile in großer Zahl heraus, dann stört man die inneren organischen Zusammenhänge und vermindert deshalb die Lebensfähigkeit des Ganzen. Dem. der aus persönlichen Gründen die Heimat verlaßt, soll man immer wieder klar machen, daß er damit eine Pflicht gegen sein Volkstum ver- letzt, und daß er sich nicht hinter nationale Scheingründe verstecken kann. Aber abgesehen davon, ist die Rechnung, die er macht, wenn er ins deutsche Reich geht, denn richtig? Das einzig Sichere, dem er entgegengeht, ist, daß er unter deutsche Herrschaft kommt. Aber im übrigen sind nun doch einmal die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse im deutschen Reich so trostlos, daß eme weitere Sicherheit, wie sein Schicksal sich dort gestalten wird, für ihn acht besteht. Will Mitteilungen ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/525>, abgerufen am 15.01.2025.