Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Materialien zur ostdeutschen Frage [Beginn Spaltensatz] polnische Bekenntnisse. Dr.MarjanSehda, der als Mitglied des Polnischen Nationalausschusses i" Paris während des Krieges die Interessen Polens vor den Verbandsstaaten ver¬ focht, berichtete in Posen in einer Ver¬ sammlung über seine Tätigkeit. Wir geben die bedeutsamsten Stellen seines Berichtes nach den Darstellungen der Polnischen Presse wieder. Septa sagt u.a.: Der erste Abschnitt meiner Tätigkeit war Zentralmächte schienen die Oberhand zu ge¬ Wir sahen jedoch, daß die bisherigen Materialien zur ostdeutschen Frage [Beginn Spaltensatz] polnische Bekenntnisse. Dr.MarjanSehda, der als Mitglied des Polnischen Nationalausschusses i» Paris während des Krieges die Interessen Polens vor den Verbandsstaaten ver¬ focht, berichtete in Posen in einer Ver¬ sammlung über seine Tätigkeit. Wir geben die bedeutsamsten Stellen seines Berichtes nach den Darstellungen der Polnischen Presse wieder. Septa sagt u.a.: Der erste Abschnitt meiner Tätigkeit war Zentralmächte schienen die Oberhand zu ge¬ Wir sahen jedoch, daß die bisherigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336786"/> <fw type="header" place="top"> Materialien zur ostdeutschen Frage</fw><lb/> <cb type="start"/> </div> <div n="3"> <head> polnische Bekenntnisse.</head> <note type="argument"> Dr.MarjanSehda, der als Mitglied des<lb/> Polnischen Nationalausschusses i» Paris<lb/> während des Krieges die Interessen<lb/> Polens vor den Verbandsstaaten ver¬<lb/> focht, berichtete in Posen in einer Ver¬<lb/> sammlung über seine Tätigkeit. Wir<lb/> geben die bedeutsamsten Stellen seines<lb/> Berichtes nach den Darstellungen der<lb/> Polnischen Presse wieder. Septa sagt u.a.:</note> <p xml:id="ID_2444" next="#ID_2445"> Der erste Abschnitt meiner Tätigkeit war<lb/> gewissermaßen eine Untersuchung des Ter¬<lb/> rains, eine Art Probezeit. Ich bemühte mich,<lb/> im Geheimen, hinter den Kulissen zu wirken,<lb/> veröffentlichte Aufsätze in der französischen<lb/> Presse. Aber das waren Kleinigkeiten dem<lb/> gegenüber, was zu tun notwendig war.<lb/> Man mußte sich unter die Menschen begeben,<lb/> sich in den Strudel der Welt werfen. Ich<lb/> begab mich an den Genfer See, um mich<lb/> mit anderen zwecks Werbearbeit zu ber¬<lb/> einigen. Im September ISIS begründeten<lb/> Kur die polnische Zentralngentur in Lau¬<lb/> sanne, die nach außen hin den Charakter<lb/> eines Presseburecms trug, ihr wahrer, eigent¬<lb/> licher Zweck war die Politische Tätigkeit.<lb/> Wir gaben unserer Arbeit nach außen hin<lb/> neutralen Charakter — aber nur zum Schein.<lb/> Die ganze Tätigkeit war dahin gerichtet,<lb/> den Krieg zu Ende zu führen und die<lb/> Deutschen zu besiegen, denn nur auf diese<lb/> Weise konnte Polen zur Freiheit gelangen.<lb/> Inzwischen trugen die Denischen einen Sieg<lb/> nach dem anderen davon. Als die Deutschen<lb/> Warschau eroberten und das Königreich Polen<lb/> ausriefen, das nur ihr« Dienerin sein sollte<lb/> —, als einige Polen verkündeten, daß ganz<lb/> Polen aus feiten de,r Zentralmächie stände,<lb/> sagten wir uns, daß es so nicht weitergehen<lb/> könnte, daß man klarund deutlich demgegenüber<lb/> auftreten müßte, denn die polnische Sache<lb/> schien begraben zu sein. Auf die Schweiz<lb/> waren die Augen der Völker gerichtet. Dort<lb/> bemühten sich die Deutschen, ihren Einfluß<lb/> hervorzuheben, aber noch größeren Einfluß<lb/> hatten die Verbandsmächte, die das Vor¬<lb/> gehen der Polen geprüft hatten. Als ich in<lb/> der Schweiz eintraf, neigten die dortigen<lb/> Polen alle zu Osterreich, scheuten sich aber,<lb/> zugunsten der Deutschen, der großen Schä¬<lb/> diger der Polen, zu sprechen. Die Lage<lb/> war durchaus verworren, die Interessen der</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2445" prev="#ID_2444"> Zentralmächte schienen die Oberhand zu ge¬<lb/> winnen. Es mußte also für die Solidarität<lb/> mit den Verbandsmächten gewirkt werden.<lb/> Wir verkündeten in der Presse, daß die<lb/> Polen nur zum Schein sich auf die Seite der<lb/> Zentralmächte stellten. Durch die Botschaft<lb/> in der Hauptstadt der Schweiz wirkten wir<lb/> unmittelbar für die Verbandsmächte. Ich<lb/> habe keinen Ausdruck, um meinen Dank<lb/> denen zu zeigen, die uns geholfen haben,<lb/> unser Ansehen herzustellen. Alle Paar Wochen<lb/> trafen Herren und Damen aus Posen ein,<lb/> die durch vorgeschützte Krankheit Pässe von<lb/> den Deutschen verlangt hatten. Sie be¬<lb/> richteten sehr gründlich über die Lage in<lb/> Deutschland und trugen den Verbands¬<lb/> mächten sehr wichtige Nachrichten zu, die<lb/> diesen durch die Botschaft übermittelt wurden.<lb/> Durch die an die Verbandsmächte gerichteten<lb/> Meldungen zog sich wie ein roter Faden<lb/> der Gedanke, daß die Polen nur zum Schein<lb/> den Zentralmächten anhingen. Es handelte<lb/> sich ferner um die Beeinflussung der Mei¬<lb/> nung des Landes. Denen, die zu uns<lb/> kamen, gewährten wir Schutz. War es doch<lb/> in militärischer Hinsicht so schlimm, daß man<lb/> um unserer Sache hätte verzweifeln können.<lb/> Wir begaben uns auch zu den Polen nach<lb/> Amerika, die späterhin eine Zentralagentnr<lb/> und darauf einen Nationalausschuß gründeten.<lb/> Die Anführer der dortigen Polen stammen<lb/> hauptsächlich aus unseren Gebietsteilen.<lb/> Während wir in der Schweiz arbeiteten,<lb/> weilte Roman Dmowski in London und trieb<lb/> dort polnische Werbearbeit. Die Engländer<lb/> hatten vor dem Kriege keine Ahnung von<lb/> Polen. Dmowsli bearbeitete die Grundlage,<lb/> auf der später die politische Arbeit beginnen<lb/> sollte.</p> <p xml:id="ID_2446" next="#ID_2447"> Wir sahen jedoch, daß die bisherigen<lb/> Handlungen nicht genügten. Die Deutschen<lb/> zogen immer mehr Polen in ihre Netze.<lb/> Wir riefen daher im August 19 l, 7 den Pol¬<lb/> nischen Nationalausschuß mit Roman Dmowski<lb/> an der Spitze ins Leben, zu dessen Sitz wir<lb/> Paris wühlten. Es handelte sich darum,<lb/> Polen zu vertreten, und die Delegierten aus<lb/> Posen versicherten uns, daß die hiesigen<lb/> Polen mit einer solchen Vertretung einver¬<lb/> standen seien. Wir waren im Besitze eines<lb/> formellen Maubads von den Polen in Ane-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
Materialien zur ostdeutschen Frage
polnische Bekenntnisse. Dr.MarjanSehda, der als Mitglied des
Polnischen Nationalausschusses i» Paris
während des Krieges die Interessen
Polens vor den Verbandsstaaten ver¬
focht, berichtete in Posen in einer Ver¬
sammlung über seine Tätigkeit. Wir
geben die bedeutsamsten Stellen seines
Berichtes nach den Darstellungen der
Polnischen Presse wieder. Septa sagt u.a.: Der erste Abschnitt meiner Tätigkeit war
gewissermaßen eine Untersuchung des Ter¬
rains, eine Art Probezeit. Ich bemühte mich,
im Geheimen, hinter den Kulissen zu wirken,
veröffentlichte Aufsätze in der französischen
Presse. Aber das waren Kleinigkeiten dem
gegenüber, was zu tun notwendig war.
Man mußte sich unter die Menschen begeben,
sich in den Strudel der Welt werfen. Ich
begab mich an den Genfer See, um mich
mit anderen zwecks Werbearbeit zu ber¬
einigen. Im September ISIS begründeten
Kur die polnische Zentralngentur in Lau¬
sanne, die nach außen hin den Charakter
eines Presseburecms trug, ihr wahrer, eigent¬
licher Zweck war die Politische Tätigkeit.
Wir gaben unserer Arbeit nach außen hin
neutralen Charakter — aber nur zum Schein.
Die ganze Tätigkeit war dahin gerichtet,
den Krieg zu Ende zu führen und die
Deutschen zu besiegen, denn nur auf diese
Weise konnte Polen zur Freiheit gelangen.
Inzwischen trugen die Denischen einen Sieg
nach dem anderen davon. Als die Deutschen
Warschau eroberten und das Königreich Polen
ausriefen, das nur ihr« Dienerin sein sollte
—, als einige Polen verkündeten, daß ganz
Polen aus feiten de,r Zentralmächie stände,
sagten wir uns, daß es so nicht weitergehen
könnte, daß man klarund deutlich demgegenüber
auftreten müßte, denn die polnische Sache
schien begraben zu sein. Auf die Schweiz
waren die Augen der Völker gerichtet. Dort
bemühten sich die Deutschen, ihren Einfluß
hervorzuheben, aber noch größeren Einfluß
hatten die Verbandsmächte, die das Vor¬
gehen der Polen geprüft hatten. Als ich in
der Schweiz eintraf, neigten die dortigen
Polen alle zu Osterreich, scheuten sich aber,
zugunsten der Deutschen, der großen Schä¬
diger der Polen, zu sprechen. Die Lage
war durchaus verworren, die Interessen der
Zentralmächte schienen die Oberhand zu ge¬
winnen. Es mußte also für die Solidarität
mit den Verbandsmächten gewirkt werden.
Wir verkündeten in der Presse, daß die
Polen nur zum Schein sich auf die Seite der
Zentralmächte stellten. Durch die Botschaft
in der Hauptstadt der Schweiz wirkten wir
unmittelbar für die Verbandsmächte. Ich
habe keinen Ausdruck, um meinen Dank
denen zu zeigen, die uns geholfen haben,
unser Ansehen herzustellen. Alle Paar Wochen
trafen Herren und Damen aus Posen ein,
die durch vorgeschützte Krankheit Pässe von
den Deutschen verlangt hatten. Sie be¬
richteten sehr gründlich über die Lage in
Deutschland und trugen den Verbands¬
mächten sehr wichtige Nachrichten zu, die
diesen durch die Botschaft übermittelt wurden.
Durch die an die Verbandsmächte gerichteten
Meldungen zog sich wie ein roter Faden
der Gedanke, daß die Polen nur zum Schein
den Zentralmächten anhingen. Es handelte
sich ferner um die Beeinflussung der Mei¬
nung des Landes. Denen, die zu uns
kamen, gewährten wir Schutz. War es doch
in militärischer Hinsicht so schlimm, daß man
um unserer Sache hätte verzweifeln können.
Wir begaben uns auch zu den Polen nach
Amerika, die späterhin eine Zentralagentnr
und darauf einen Nationalausschuß gründeten.
Die Anführer der dortigen Polen stammen
hauptsächlich aus unseren Gebietsteilen.
Während wir in der Schweiz arbeiteten,
weilte Roman Dmowski in London und trieb
dort polnische Werbearbeit. Die Engländer
hatten vor dem Kriege keine Ahnung von
Polen. Dmowsli bearbeitete die Grundlage,
auf der später die politische Arbeit beginnen
sollte.
Wir sahen jedoch, daß die bisherigen
Handlungen nicht genügten. Die Deutschen
zogen immer mehr Polen in ihre Netze.
Wir riefen daher im August 19 l, 7 den Pol¬
nischen Nationalausschuß mit Roman Dmowski
an der Spitze ins Leben, zu dessen Sitz wir
Paris wühlten. Es handelte sich darum,
Polen zu vertreten, und die Delegierten aus
Posen versicherten uns, daß die hiesigen
Polen mit einer solchen Vertretung einver¬
standen seien. Wir waren im Besitze eines
formellen Maubads von den Polen in Ane-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |