Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Aus den Deutschen Volksräten gewaltigen, zahlreiche Gemeinden zu ruinieren und ihre Pfarrer dem bittersten Auch die von polnischer Seite erhobene Forderung, polnische Gottesdienste Wenn der polnische Staat jetzt, wie der "Dziennik Poznanski es ausdrückt, Uns will scheinen, als ob von polnischer Seite bei diesen Dingen ein wichtiger Aus den Deutschen Uolltsrüten [Beginn Spaltensatz] Am 9. September tagten im Landes¬ tums unter Wahrung der Selbständigkeit Herr von Conrad legte als Vertreter Aus den Deutschen Volksräten gewaltigen, zahlreiche Gemeinden zu ruinieren und ihre Pfarrer dem bittersten Auch die von polnischer Seite erhobene Forderung, polnische Gottesdienste Wenn der polnische Staat jetzt, wie der „Dziennik Poznanski es ausdrückt, Uns will scheinen, als ob von polnischer Seite bei diesen Dingen ein wichtiger Aus den Deutschen Uolltsrüten [Beginn Spaltensatz] Am 9. September tagten im Landes¬ tums unter Wahrung der Selbständigkeit Herr von Conrad legte als Vertreter <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336771"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Deutschen Volksräten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2315" prev="#ID_2314"> gewaltigen, zahlreiche Gemeinden zu ruinieren und ihre Pfarrer dem bittersten<lb/> Elend preiszugeben?</p><lb/> <p xml:id="ID_2316"> Auch die von polnischer Seite erhobene Forderung, polnische Gottesdienste<lb/> „im gegenseitigen Verhältnis der Bevölkerung" einzuführen, ist, im Licht der tat¬<lb/> sächlichen Verhältnisse betrachtet, undenkbar. Wo eine überwiegend polnisch redende<lb/> Bevölkerung vorhanden ist, z. B. in Masuren und einigen Gegenden Südposens,<lb/> sind sie längst vorhanden. Aber die Einführung solcher polnischen Gottesdienste<lb/> in anderen Gegenden allein um die Gleichberechtigung der polnischen Sprache zum<lb/> Ausdruck zu bringen, wäre ein Unding. Weder sind Pfarrer vorhanden, die dazu<lb/> imstande wären, noch entsprächen sie einem Bedürfnis. Denn abgesehen von den<lb/> eben erwähnten Gegenden ist die Muttersprache aller Evangelischen deutsch.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_2317"> Wenn der polnische Staat jetzt, wie der „Dziennik Poznanski es ausdrückt,<lb/> für sich in Anspruch nimmt, für die Evangelischen summus episcopus zu sein,<lb/> so ist das geschichtlich und rechtlich unhaltbar. Niemals hat der polnische Staat<lb/> im Laufe der Geschichte seit der Reformation durch sein Oberhaupt den Summ-<lb/> episkopat ausgeübt, hat ihn auch nicht ausüben können, weil keiner seiner Regenten<lb/> evangelisch war. Rechtlich aber ist diese Behauptung auch dann hinfällig, wenn<lb/> der polnische Staat für die an ihn abzutretenden evangelischen Kirchengemeinden<lb/> sich als Rechtsnachfolger des preußischen Staates betrachtet. Denn in Preußen<lb/> gibt es seit dem 9. November 1918 keinen summuZ episcopus mehr. Nach dem<lb/> übereinstimmenden Urteil der maßgebendenKirchenrechtslehrer ist der Summepiskopat<lb/> nicht mit dem Staat, sondern mit dem preußischen Könige verbunden gewesen.<lb/> Mit der Niederlegung der Krone seitens des letzten preußischen Königs sind die<lb/> von diesem ausgeübten Rechte an die evangelische Kirche zurückgefallen, die sie<lb/> einst seinen Vorfahren übertragen hatte. Demnach kann keine Rede davon sein,<lb/> daß der polnische Staat landesbischöfliche Rechte für die evangelische Kirche in<lb/> Anspruch nehmen dürfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2318"> Uns will scheinen, als ob von polnischer Seite bei diesen Dingen ein wichtiger<lb/> Gesichtspunkt aus den Augen gelassen wird: Je ehrlicher der polnische Staat<lb/> berechtigte Wünsche seiner künftigen evangelischen Bürger, deren Zahl etwa zwei<lb/> Millionen betrügt, zu erfüllen geneigt ist, desto mehr wird er selbn sich die Bürg¬<lb/> schaft ruhiger Entwicklung schaffen. Hoffentlich wird dieser Gesichtspunkt bei den<lb/> bevorstehenden Verhandlungen über die kirchlichen Fragen den Ausschlag geben.</p><lb/> </div> </div> <div n="2"> <head> Aus den Deutschen Uolltsrüten</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_2319" next="#ID_2320"> Am 9. September tagten im Landes¬<lb/> hause in Danzig unter dem Vorsitz des<lb/> Abg. Dr. Fleischer die Vertreter der Ver¬<lb/> einigung des deutschen Bolkstums in Polen<lb/> und die Vertreter der sogenannten Arbeits¬<lb/> gemeinschaften. Herr Dr. Fleischer, der<lb/> geschickte Sprecher des für uns längst über¬<lb/> flüssigen parlamentarischen Aktionsausschusses,<lb/> fand schöne und treffliche Worte, die Not¬<lb/> wendigkeit einer Einigung, von der wir<lb/> alle längst überzeugt sind, klarzulegen. Er<lb/> schlug eine Provinzialarbeitsgemeinschaft für<lb/> Westpreußen und eine solche für Posen<lb/> (Bromberg) vor, über beiden solle die<lb/> Zentrnlarbeitsgemeinschaft stehen; damit<lb/> würde eine „Gesamtvertretung des Deutsch¬</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_2320" prev="#ID_2319"> tums unter Wahrung der Selbständigkeit<lb/> und der grundsätzlichen Eigenart der bestehen¬<lb/> den Parteien ermöglicht".</p> <p xml:id="ID_2321" next="#ID_2322"> Herr von Conrad legte als Vertreter<lb/> der Vereinigung des deutschen Bolkstums<lb/> in Polen (Deutsche Partei) den unveränder¬<lb/> lichen Grundsatz dieser Organisation dar,<lb/> alle Deutschen in einen festen, einheitlichen<lb/> Bau zusammenzufassen. Wenn das heute<lb/> noch nicht möglich sei, dann müsse man<lb/> eben, um das Deutschtum geschlossen in den<lb/> polnischen Staat zu bringen, zu einem Not¬<lb/> behelf, der losen Verständigung, schreiten.<lb/> „Wir sind nach wie vor der Ansicht, daß die<lb/> Vertretung des Deutschtums eine einheitliche<lb/> sein muß, von einer einheitlichen Organi-</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0481]
Aus den Deutschen Volksräten
gewaltigen, zahlreiche Gemeinden zu ruinieren und ihre Pfarrer dem bittersten
Elend preiszugeben?
Auch die von polnischer Seite erhobene Forderung, polnische Gottesdienste
„im gegenseitigen Verhältnis der Bevölkerung" einzuführen, ist, im Licht der tat¬
sächlichen Verhältnisse betrachtet, undenkbar. Wo eine überwiegend polnisch redende
Bevölkerung vorhanden ist, z. B. in Masuren und einigen Gegenden Südposens,
sind sie längst vorhanden. Aber die Einführung solcher polnischen Gottesdienste
in anderen Gegenden allein um die Gleichberechtigung der polnischen Sprache zum
Ausdruck zu bringen, wäre ein Unding. Weder sind Pfarrer vorhanden, die dazu
imstande wären, noch entsprächen sie einem Bedürfnis. Denn abgesehen von den
eben erwähnten Gegenden ist die Muttersprache aller Evangelischen deutsch.
"
Wenn der polnische Staat jetzt, wie der „Dziennik Poznanski es ausdrückt,
für sich in Anspruch nimmt, für die Evangelischen summus episcopus zu sein,
so ist das geschichtlich und rechtlich unhaltbar. Niemals hat der polnische Staat
im Laufe der Geschichte seit der Reformation durch sein Oberhaupt den Summ-
episkopat ausgeübt, hat ihn auch nicht ausüben können, weil keiner seiner Regenten
evangelisch war. Rechtlich aber ist diese Behauptung auch dann hinfällig, wenn
der polnische Staat für die an ihn abzutretenden evangelischen Kirchengemeinden
sich als Rechtsnachfolger des preußischen Staates betrachtet. Denn in Preußen
gibt es seit dem 9. November 1918 keinen summuZ episcopus mehr. Nach dem
übereinstimmenden Urteil der maßgebendenKirchenrechtslehrer ist der Summepiskopat
nicht mit dem Staat, sondern mit dem preußischen Könige verbunden gewesen.
Mit der Niederlegung der Krone seitens des letzten preußischen Königs sind die
von diesem ausgeübten Rechte an die evangelische Kirche zurückgefallen, die sie
einst seinen Vorfahren übertragen hatte. Demnach kann keine Rede davon sein,
daß der polnische Staat landesbischöfliche Rechte für die evangelische Kirche in
Anspruch nehmen dürfe.
Uns will scheinen, als ob von polnischer Seite bei diesen Dingen ein wichtiger
Gesichtspunkt aus den Augen gelassen wird: Je ehrlicher der polnische Staat
berechtigte Wünsche seiner künftigen evangelischen Bürger, deren Zahl etwa zwei
Millionen betrügt, zu erfüllen geneigt ist, desto mehr wird er selbn sich die Bürg¬
schaft ruhiger Entwicklung schaffen. Hoffentlich wird dieser Gesichtspunkt bei den
bevorstehenden Verhandlungen über die kirchlichen Fragen den Ausschlag geben.
Aus den Deutschen Uolltsrüten
Am 9. September tagten im Landes¬
hause in Danzig unter dem Vorsitz des
Abg. Dr. Fleischer die Vertreter der Ver¬
einigung des deutschen Bolkstums in Polen
und die Vertreter der sogenannten Arbeits¬
gemeinschaften. Herr Dr. Fleischer, der
geschickte Sprecher des für uns längst über¬
flüssigen parlamentarischen Aktionsausschusses,
fand schöne und treffliche Worte, die Not¬
wendigkeit einer Einigung, von der wir
alle längst überzeugt sind, klarzulegen. Er
schlug eine Provinzialarbeitsgemeinschaft für
Westpreußen und eine solche für Posen
(Bromberg) vor, über beiden solle die
Zentrnlarbeitsgemeinschaft stehen; damit
würde eine „Gesamtvertretung des Deutsch¬
tums unter Wahrung der Selbständigkeit
und der grundsätzlichen Eigenart der bestehen¬
den Parteien ermöglicht".
Herr von Conrad legte als Vertreter
der Vereinigung des deutschen Bolkstums
in Polen (Deutsche Partei) den unveränder¬
lichen Grundsatz dieser Organisation dar,
alle Deutschen in einen festen, einheitlichen
Bau zusammenzufassen. Wenn das heute
noch nicht möglich sei, dann müsse man
eben, um das Deutschtum geschlossen in den
polnischen Staat zu bringen, zu einem Not¬
behelf, der losen Verständigung, schreiten.
„Wir sind nach wie vor der Ansicht, daß die
Vertretung des Deutschtums eine einheitliche
sein muß, von einer einheitlichen Organi-
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