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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Wörter, die wir falsch gebrauchen

Wörter, die wir falsch gebrauchen
Dr. Karl Schneider von

meer den Mängeln und Gebrechen unserer heutigen deutschen Sprache,
die daran Schuld haben, daß diese in so großem Umfang mit
fremdwörtlichen Entlehnungen durchsetzt ist, steht in ihrer Wirkung
nicht an letzter Stelle die Tatsache, daß wir eine große Anzahl
deutscher Wörter in einem anderen als dein ihnen nach
ihrer eigentlichen Bedeutung zukommenden Sinn gebrauchen; was
natürlich die Folge hat, daß wir für den Sinn dieser Wörter nach einem anderen
Ausdrucksmittel Umschau halten müssen, das sich uns dann, da wir ja als Deutsche
von Jugend auf in fremden Sprachen gewöhnlich besser Bescheid wissen als in unserer
eigenen, zumeist in einer fremdsprachigen Enilehnung darbietet. Ungenügende
Besinnung auf die Bedeutung unserer eigenen Wörter und Ausdrucksmittel ist daher
zweifellos eine der Hauptursachen zu dem in unserer heutigen deutschen Sprache
w vielfach nicht scheinbar, sondern, so lange dieser Zustand nicht behoben und
beseitigt ist, in Wahrheit vorhandenen Zwang zum Gebrauch von Fremdwörtern',
wahrend dieser alsbald verschwindet, wenn wir dem in unserer Sprache so gut
wie in der fremden vorhandenen Worte an Stelle des Fremdworts den ihm zu¬
kommenden Sinn geben oder zurückgeben. Einige Beispiele mögen zeigen, wie
Mufig dieser Fall in unserm heutigen Deutsch vorkommt, und wie viel unsere heutige
Sprache an reiner Deutschheit gewinnen würde, wenn eine solche Besinnung aufden Ausdruckswert unserer Wörter in größerem Maße eintreten und in sach¬
gemäßer Weise für den allgemeinen Sprachgebrauch nutzbar gemacht werden
wurde.

. Ein Wort, das uns nur wegen seiner falschen Verwendung bisher fehlte,
S- B. eine deuische Entsprechung für "aktuell" mit seinen Ableitungen. Man
Y2,t dafür bisher allerhand Neubildungen vorgeschlagen, die mehr oder minder
Nucklich den Begriff ausdrücken sollten -- und hat dabei übersehen, daß wir für
..aktuell" längst ein genau denkendes Wort besitzen, das wir nur im richtigen Sinn
U) den allgemeinen Gebrauch einzuführen brauchen, um das Fremdwort
für allemal entbehren zu können: nämlich das Wort "wirklich". An der
genauen Sinngleichheit kann gar kein Zweifel sein; das Stammwort "aZere" für
.'aktuell" heißt auf deutsch "wirken", der "Wirkliche Geheime Rat" ist auf frcm-
hoftsch ein "eonZeiller Leeret getuel". Tatsächlich wird das Wort auch heute noch
>u süddeutschen Mundarten ganz im Sinne von "aktuell" gebraucht, besonders im
s> vnd^it, v^sj Joll. orni, "Juli^uni uiisvi^r "leur^le >VA,)l,>^2
iprache einen völlig anderen Sinn beigelegt haben; nämlich den des Fremdwortes
fxN"/ für dessen richtige deutsche Entsprechung das Wort "aktuell" zumeist
d>> galten wird. Tatsächlich entspricht aber dem Wort "real" in der
^"Mer Sprache, die mit der heutigen Sprache der Deutschen nicht zu ver-
//v ist, ein völlig anderes Wort, nämlich -- dinglich. ' Lateinisch res. wovon
vio^ >^u>ut, bedeutet ja ein Ding, genau wie das davon, d. h. von seinem
d - Fall, abgeleitete französische "rien", das erst in der Verbindung mit "ne"
ein in "tung "nichts" bekommt; und auch in unserer Rechtssprache ist bekanntlich
°M "Realrech'r- 'd°s'gleich^wie"el^
^so in ihrem ganzen Umfang und mit sämtlichen Mlettungen aus unser ruvu^en
Sprache ausgeschaltet werden, sobald wir uns e" schllK n - re° , '.^alttat u >v
durch "dinglich", "Dinglichkeit" usw., "aktuell", "Aktual tat ^"wirklich". "Wir lichkeit" usw. zu ersetzen; Änderungen die ^auf Willkür" sondern im Gegenteil auf bisher mangelnder richtiger Anwendungbeider Wörter in unserer Verkehrssprache beruhen wurden

deutschenEut-. Ein ähnlicher Fall liegt vor beim Suchen nach der deutschen ^t
Brechung für das Wort "Agent". Auch hier haben wir längst em Wort, das - wenn


Wörter, die wir falsch gebrauchen

Wörter, die wir falsch gebrauchen
Dr. Karl Schneider von

meer den Mängeln und Gebrechen unserer heutigen deutschen Sprache,
die daran Schuld haben, daß diese in so großem Umfang mit
fremdwörtlichen Entlehnungen durchsetzt ist, steht in ihrer Wirkung
nicht an letzter Stelle die Tatsache, daß wir eine große Anzahl
deutscher Wörter in einem anderen als dein ihnen nach
ihrer eigentlichen Bedeutung zukommenden Sinn gebrauchen; was
natürlich die Folge hat, daß wir für den Sinn dieser Wörter nach einem anderen
Ausdrucksmittel Umschau halten müssen, das sich uns dann, da wir ja als Deutsche
von Jugend auf in fremden Sprachen gewöhnlich besser Bescheid wissen als in unserer
eigenen, zumeist in einer fremdsprachigen Enilehnung darbietet. Ungenügende
Besinnung auf die Bedeutung unserer eigenen Wörter und Ausdrucksmittel ist daher
zweifellos eine der Hauptursachen zu dem in unserer heutigen deutschen Sprache
w vielfach nicht scheinbar, sondern, so lange dieser Zustand nicht behoben und
beseitigt ist, in Wahrheit vorhandenen Zwang zum Gebrauch von Fremdwörtern',
wahrend dieser alsbald verschwindet, wenn wir dem in unserer Sprache so gut
wie in der fremden vorhandenen Worte an Stelle des Fremdworts den ihm zu¬
kommenden Sinn geben oder zurückgeben. Einige Beispiele mögen zeigen, wie
Mufig dieser Fall in unserm heutigen Deutsch vorkommt, und wie viel unsere heutige
Sprache an reiner Deutschheit gewinnen würde, wenn eine solche Besinnung aufden Ausdruckswert unserer Wörter in größerem Maße eintreten und in sach¬
gemäßer Weise für den allgemeinen Sprachgebrauch nutzbar gemacht werden
wurde.

. Ein Wort, das uns nur wegen seiner falschen Verwendung bisher fehlte,
S- B. eine deuische Entsprechung für „aktuell" mit seinen Ableitungen. Man
Y2,t dafür bisher allerhand Neubildungen vorgeschlagen, die mehr oder minder
Nucklich den Begriff ausdrücken sollten — und hat dabei übersehen, daß wir für
..aktuell" längst ein genau denkendes Wort besitzen, das wir nur im richtigen Sinn
U) den allgemeinen Gebrauch einzuführen brauchen, um das Fremdwort
für allemal entbehren zu können: nämlich das Wort „wirklich". An der
genauen Sinngleichheit kann gar kein Zweifel sein; das Stammwort „aZere" für
.'aktuell" heißt auf deutsch „wirken", der „Wirkliche Geheime Rat" ist auf frcm-
hoftsch ein „eonZeiller Leeret getuel". Tatsächlich wird das Wort auch heute noch
>u süddeutschen Mundarten ganz im Sinne von „aktuell" gebraucht, besonders im
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fxN"/ für dessen richtige deutsche Entsprechung das Wort „aktuell" zumeist
d>> galten wird. Tatsächlich entspricht aber dem Wort „real" in der
^"Mer Sprache, die mit der heutigen Sprache der Deutschen nicht zu ver-
//v ist, ein völlig anderes Wort, nämlich — dinglich. ' Lateinisch res. wovon
vio^ >^u>ut, bedeutet ja ein Ding, genau wie das davon, d. h. von seinem
d - Fall, abgeleitete französische „rien", das erst in der Verbindung mit „ne"
ein in "tung „nichts" bekommt; und auch in unserer Rechtssprache ist bekanntlich
°M „Realrech'r- 'd°s'gleich^wie"el^
^so in ihrem ganzen Umfang und mit sämtlichen Mlettungen aus unser ruvu^en
Sprache ausgeschaltet werden, sobald wir uns e" schllK n - re° , '.^alttat u >v
durch „dinglich", „Dinglichkeit" usw., »aktuell", »Aktual tat ^"wirklich". „Wir lichkeit" usw. zu ersetzen; Änderungen die ^auf Willkür" sondern im Gegenteil auf bisher mangelnder richtiger Anwendungbeider Wörter in unserer Verkehrssprache beruhen wurden

deutschenEut-. Ein ähnlicher Fall liegt vor beim Suchen nach der deutschen ^t
Brechung für das Wort „Agent". Auch hier haben wir längst em Wort, das - wenn


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[0311] Wörter, die wir falsch gebrauchen Wörter, die wir falsch gebrauchen Dr. Karl Schneider von meer den Mängeln und Gebrechen unserer heutigen deutschen Sprache, die daran Schuld haben, daß diese in so großem Umfang mit fremdwörtlichen Entlehnungen durchsetzt ist, steht in ihrer Wirkung nicht an letzter Stelle die Tatsache, daß wir eine große Anzahl deutscher Wörter in einem anderen als dein ihnen nach ihrer eigentlichen Bedeutung zukommenden Sinn gebrauchen; was natürlich die Folge hat, daß wir für den Sinn dieser Wörter nach einem anderen Ausdrucksmittel Umschau halten müssen, das sich uns dann, da wir ja als Deutsche von Jugend auf in fremden Sprachen gewöhnlich besser Bescheid wissen als in unserer eigenen, zumeist in einer fremdsprachigen Enilehnung darbietet. Ungenügende Besinnung auf die Bedeutung unserer eigenen Wörter und Ausdrucksmittel ist daher zweifellos eine der Hauptursachen zu dem in unserer heutigen deutschen Sprache w vielfach nicht scheinbar, sondern, so lange dieser Zustand nicht behoben und beseitigt ist, in Wahrheit vorhandenen Zwang zum Gebrauch von Fremdwörtern', wahrend dieser alsbald verschwindet, wenn wir dem in unserer Sprache so gut wie in der fremden vorhandenen Worte an Stelle des Fremdworts den ihm zu¬ kommenden Sinn geben oder zurückgeben. Einige Beispiele mögen zeigen, wie Mufig dieser Fall in unserm heutigen Deutsch vorkommt, und wie viel unsere heutige Sprache an reiner Deutschheit gewinnen würde, wenn eine solche Besinnung aufden Ausdruckswert unserer Wörter in größerem Maße eintreten und in sach¬ gemäßer Weise für den allgemeinen Sprachgebrauch nutzbar gemacht werden wurde. . Ein Wort, das uns nur wegen seiner falschen Verwendung bisher fehlte, S- B. eine deuische Entsprechung für „aktuell" mit seinen Ableitungen. Man Y2,t dafür bisher allerhand Neubildungen vorgeschlagen, die mehr oder minder Nucklich den Begriff ausdrücken sollten — und hat dabei übersehen, daß wir für ..aktuell" längst ein genau denkendes Wort besitzen, das wir nur im richtigen Sinn U) den allgemeinen Gebrauch einzuführen brauchen, um das Fremdwort für allemal entbehren zu können: nämlich das Wort „wirklich". An der genauen Sinngleichheit kann gar kein Zweifel sein; das Stammwort „aZere" für .'aktuell" heißt auf deutsch „wirken", der „Wirkliche Geheime Rat" ist auf frcm- hoftsch ein „eonZeiller Leeret getuel". Tatsächlich wird das Wort auch heute noch >u süddeutschen Mundarten ganz im Sinne von „aktuell" gebraucht, besonders im s> vnd^it, v^sj Joll. orni, „Juli^uni uiisvi^r «leur^le >VA,)l,>^2 iprache einen völlig anderen Sinn beigelegt haben; nämlich den des Fremdwortes fxN"/ für dessen richtige deutsche Entsprechung das Wort „aktuell" zumeist d>> galten wird. Tatsächlich entspricht aber dem Wort „real" in der ^"Mer Sprache, die mit der heutigen Sprache der Deutschen nicht zu ver- //v ist, ein völlig anderes Wort, nämlich — dinglich. ' Lateinisch res. wovon vio^ >^u>ut, bedeutet ja ein Ding, genau wie das davon, d. h. von seinem d - Fall, abgeleitete französische „rien", das erst in der Verbindung mit „ne" ein in "tung „nichts" bekommt; und auch in unserer Rechtssprache ist bekanntlich °M „Realrech'r- 'd°s'gleich^wie"el^ ^so in ihrem ganzen Umfang und mit sämtlichen Mlettungen aus unser ruvu^en Sprache ausgeschaltet werden, sobald wir uns e" schllK n - re° , '.^alttat u >v durch „dinglich", „Dinglichkeit" usw., »aktuell", »Aktual tat ^"wirklich". „Wir lichkeit" usw. zu ersetzen; Änderungen die ^auf Willkür" sondern im Gegenteil auf bisher mangelnder richtiger Anwendungbeider Wörter in unserer Verkehrssprache beruhen wurden deutschenEut-. Ein ähnlicher Fall liegt vor beim Suchen nach der deutschen ^t Brechung für das Wort „Agent". Auch hier haben wir längst em Wort, das - wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/311>, abgerufen am 15.01.2025.