Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Rumänien Rumänien WWNlumänien steht heute mächtiger da als je, es ist ihm trotz der Rumänien Rumänien WWNlumänien steht heute mächtiger da als je, es ist ihm trotz der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0222" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336512"/> <fw type="header" place="top"> Rumänien</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Rumänien</head><lb/> <p xml:id="ID_836" next="#ID_837"> WWNlumänien steht heute mächtiger da als je, es ist ihm trotz der<lb/> ^Nachbarschaft Rußlands und Ungarns und trotzdem das Land schwer<lb/> junter dem Krieg und der Besetzung zu leiden gehabt hat, gelungen,<lb/> die besonders im Frühjahr lebhast ausbrechenden bolschewistischen<lb/> Unruhen zu unterdrücken, es sieht fast alle seine nationalen Ambitionen<lb/> befriedigt und hat als einziger Nachbarstaat und gegen den Willen<lb/> der Entente den großen Enderfolg über die ungarische Volschewistenmacht<lb/> errungen. Militärisch mag dieser keineswegs den des zweiten Valkankriegcs über¬<lb/> ragen (obgleich nach Braticmus Behauptung die Opfer nicht unbeträchtlich gewesen<lb/> sind), moralisch und politisch ist er um so bedeutender gewesen. Moralisch weil<lb/> er gegenüber der unentschlossenen Ratlosigkeit der Pariser Konferenz das Ergebnis<lb/> tatkräftigen Handelns war, politisch weil er Rumänien als die einzige schlagfertige<lb/> und energische Macht Osteuropas erscheinen ließ, es als eine Art neuer Großmacht<lb/> stabilisierte. Rumänien ist jetzt nach dem Ausscheiden Osterreich Ungarns und<lb/> Rußlands der einzige wirklich ausschlaggebende Faktor des Ostens und die einzige,<lb/> die es wagt, der Entente fast offen Trotz zu bieten. Anlaß dazu ist genug vor¬<lb/> handen. Die ersten Verstimmungen entstanden wegen des österreichischen Friedens-<lb/> vertrages. Dieser bestimmt in Artikel 6t): „Rumänien erklärt sich damit einver¬<lb/> standen, daß in einen Vertrag mit den alliierten und assoziierten Hauptmächten<lb/> Bestimmungen aufgenommen werden, welche diese Mächte für notwendig halten<lb/> werden, um die Interessen derjenigen Bevölkerung Rumäniens zu schützen, die<lb/> sich von der Mehrheit durch Abstammung, Sprache oder Religion unterscheidet.<lb/> Rumänien erklärt sich gleichfalls damit einverstanden, daß in einen Vertrag mit<lb/> den alliierten und assoziierten Hauptmächten Bestimmungen aufgenommen werden,<lb/> welche diese Mächte für notwendig halten, um die Freiheit des Transitverkehrs<lb/> und ein ausgleichendes Regime (reZime sculitable) für den Handel anderer<lb/> Nationen zu gewährleisten." Der Zweck dieser Bestimmungen lag auf der Hand: sie<lb/> sollten „durch Schutz der Minderheiten wie Bulgaren, Ungarn, Deutsche, aber auch<lb/> der Juden, von denen letztere ebenso wie ihre polnischen Stammesgenossen mächtige<lb/> Fürsprecher in amerikanischen Finanzkreisen zu besitzen scheinen, den Ausbruch<lb/> neuer Kämpfe verhindern und einen freien Donauverkehr sicherstellen. Andererseits<lb/> war ebenso unverkennbar, daß derartig vage Bestimmungen eine dauernde Ein¬<lb/> mischung der Großmächte in rumänische Hoheitsrechte, sowie weitgehende Ein¬<lb/> mischung in rumänische Wirtschaftspolitik ermöglicht hätten. Wie diese letztere<lb/> beschaffen sein würde, davon hatte man bereits bei den Verhandlungen über die<lb/> Wiederinstandsetzung der Ölquellen eine Probe erhalten: die Alliierten erklärten<lb/> sich zwar bereit, bei der Wiederherstellung der seinerzeit im gemeinsamen<lb/> militärischen Interesse zerstörten Werke technische und finanzielle Hilfe zu leisten,<lb/> wollten dies aber, da Rumäniens Finanzquellen natürlich erschöpft sind, nur<lb/> gegen Einräumung bestimmter und sehr weitgehender Handels- und Ausbeutungs¬<lb/> vorrechte tun. Die Folge war, daß Braticmu sich ebenso wie die Vertreter der<lb/> Südslawen, denen ähnliche Bestimmungen auferlegt werden sollten, weigerte, den<lb/> Vertrag zu unterschreiben und demissionierte, ohne indessen die tatsächliche außen¬<lb/> politische Leitung aus der Hand zu geben. Den zweiten Anlaß boten die<lb/> Meinungsverschiedenheiten über das Vanat, das durch einen 1916 mit England,<lb/> Frankreich, Italien und Rußland geschlossenen Vertrag Rumänien zugesprochen<lb/> war, aber auch von den Serben, die völkische Gründe geltend machen — ein Teil<lb/> des Bcmats ist stark von Serben bewohnt — beansprucht wurde, die von dem<lb/> Vertrag keine Kenntnis bekommen hatten. Jetzt hat man in Paris beschlossen,<lb/> das Banat zwischen Rumänien und Serbien auszuteilen, womit die Rumänen<lb/> aus militärischen Gründen nicht zufrieden sind. Den schwersten Stein des Anstoßes<lb/> bildet jedoch Rumäniens Ungarnpolitik. Man kann der Politik der Pariser<lb/> Konferenz eine gewisse Weitsichtigkeit nicht absprechen, wenn sie den Rumänen<lb/> verbot in Budapest einzurücken, nur hätte sie auch die Mittel haben müssen, diese</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0222]
Rumänien
Rumänien
WWNlumänien steht heute mächtiger da als je, es ist ihm trotz der
^Nachbarschaft Rußlands und Ungarns und trotzdem das Land schwer
junter dem Krieg und der Besetzung zu leiden gehabt hat, gelungen,
die besonders im Frühjahr lebhast ausbrechenden bolschewistischen
Unruhen zu unterdrücken, es sieht fast alle seine nationalen Ambitionen
befriedigt und hat als einziger Nachbarstaat und gegen den Willen
der Entente den großen Enderfolg über die ungarische Volschewistenmacht
errungen. Militärisch mag dieser keineswegs den des zweiten Valkankriegcs über¬
ragen (obgleich nach Braticmus Behauptung die Opfer nicht unbeträchtlich gewesen
sind), moralisch und politisch ist er um so bedeutender gewesen. Moralisch weil
er gegenüber der unentschlossenen Ratlosigkeit der Pariser Konferenz das Ergebnis
tatkräftigen Handelns war, politisch weil er Rumänien als die einzige schlagfertige
und energische Macht Osteuropas erscheinen ließ, es als eine Art neuer Großmacht
stabilisierte. Rumänien ist jetzt nach dem Ausscheiden Osterreich Ungarns und
Rußlands der einzige wirklich ausschlaggebende Faktor des Ostens und die einzige,
die es wagt, der Entente fast offen Trotz zu bieten. Anlaß dazu ist genug vor¬
handen. Die ersten Verstimmungen entstanden wegen des österreichischen Friedens-
vertrages. Dieser bestimmt in Artikel 6t): „Rumänien erklärt sich damit einver¬
standen, daß in einen Vertrag mit den alliierten und assoziierten Hauptmächten
Bestimmungen aufgenommen werden, welche diese Mächte für notwendig halten
werden, um die Interessen derjenigen Bevölkerung Rumäniens zu schützen, die
sich von der Mehrheit durch Abstammung, Sprache oder Religion unterscheidet.
Rumänien erklärt sich gleichfalls damit einverstanden, daß in einen Vertrag mit
den alliierten und assoziierten Hauptmächten Bestimmungen aufgenommen werden,
welche diese Mächte für notwendig halten, um die Freiheit des Transitverkehrs
und ein ausgleichendes Regime (reZime sculitable) für den Handel anderer
Nationen zu gewährleisten." Der Zweck dieser Bestimmungen lag auf der Hand: sie
sollten „durch Schutz der Minderheiten wie Bulgaren, Ungarn, Deutsche, aber auch
der Juden, von denen letztere ebenso wie ihre polnischen Stammesgenossen mächtige
Fürsprecher in amerikanischen Finanzkreisen zu besitzen scheinen, den Ausbruch
neuer Kämpfe verhindern und einen freien Donauverkehr sicherstellen. Andererseits
war ebenso unverkennbar, daß derartig vage Bestimmungen eine dauernde Ein¬
mischung der Großmächte in rumänische Hoheitsrechte, sowie weitgehende Ein¬
mischung in rumänische Wirtschaftspolitik ermöglicht hätten. Wie diese letztere
beschaffen sein würde, davon hatte man bereits bei den Verhandlungen über die
Wiederinstandsetzung der Ölquellen eine Probe erhalten: die Alliierten erklärten
sich zwar bereit, bei der Wiederherstellung der seinerzeit im gemeinsamen
militärischen Interesse zerstörten Werke technische und finanzielle Hilfe zu leisten,
wollten dies aber, da Rumäniens Finanzquellen natürlich erschöpft sind, nur
gegen Einräumung bestimmter und sehr weitgehender Handels- und Ausbeutungs¬
vorrechte tun. Die Folge war, daß Braticmu sich ebenso wie die Vertreter der
Südslawen, denen ähnliche Bestimmungen auferlegt werden sollten, weigerte, den
Vertrag zu unterschreiben und demissionierte, ohne indessen die tatsächliche außen¬
politische Leitung aus der Hand zu geben. Den zweiten Anlaß boten die
Meinungsverschiedenheiten über das Vanat, das durch einen 1916 mit England,
Frankreich, Italien und Rußland geschlossenen Vertrag Rumänien zugesprochen
war, aber auch von den Serben, die völkische Gründe geltend machen — ein Teil
des Bcmats ist stark von Serben bewohnt — beansprucht wurde, die von dem
Vertrag keine Kenntnis bekommen hatten. Jetzt hat man in Paris beschlossen,
das Banat zwischen Rumänien und Serbien auszuteilen, womit die Rumänen
aus militärischen Gründen nicht zufrieden sind. Den schwersten Stein des Anstoßes
bildet jedoch Rumäniens Ungarnpolitik. Man kann der Politik der Pariser
Konferenz eine gewisse Weitsichtigkeit nicht absprechen, wenn sie den Rumänen
verbot in Budapest einzurücken, nur hätte sie auch die Mittel haben müssen, diese
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