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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Trennung von Airche und Staat
Lie. Martin Peters von

Die Bedeutung des Problems der Trennung von Kirche und
Staat veranlaßt uns nach den Ausführungen des Pfarrers Albrecht Kaiser
in Heft 52 des letzten Jahres, auch folgende Betrachtung unseren Lesern
Die Schriflleitung. vorzulegen.

MWmeer allen Problemen, die durch die geschehene Umgestaltung in
unserem Balle hochgekommen sind, hat die Frage nach der Trennung
von Kirche und Staat die stärkste Bewegung der Geister hervor¬
gerufen. Das mag der Freund der Kirche nicht ohne Pein cap.
finden, dem die Würde der Kirche gefährdet erscheint, wenn sie in
den Mittelpunkt des politischen Kampfes gezogen wird, anderer¬
seits ist es doch ein erfreuliches Zeichen, wenn die kirchlich-religiösen Dinge selbst
in der gegenwärtigen Lage so starke Resonanz in den Gemütern finden. Daß
sie bei einer so gewaltigen Umwälzung, wie eine Revolution sie bedeutet, un-
berührt werden würden, war ja von vornherein anzunehmen, und man hat nicht
nötig, das noch an dem Beispiel der französischen Revolution zu erkennen. Dafür
hängen Staat und Kirche zu eng zusammen und ist im besonderen die Sozial-
demokratie zu stark kirchlich, vielmehr antikirchlich festgelegt. Was die bisherige
Negierung angebahnt hat, ist nur die Buchführung der bekannten sozialistischen
Forderungen aus dem Erfurter Programm Punkt 6: "Erklärung der Religion
zur Privcusache. Abschaffung aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu
kirchlichen und religiösen Zwecken. Die kirchlichen und religiösen Gemeinschaften
sind als private Vereinigungen zu betrachten, welche ihre Angelegenheiten völlig
selbständig ordnen." Das yemdsärmlige Draufgängertum, in dem der mittler-
weile schon verflossene Kultusgewaltige in-Preußen diese Ordnung durch einfache
Verfügung durchzusetzen suchte, hat ihn erwiesen als einen Teil jener Kraft, die
stets das Böse will und stets das Gute schafft; die Kirchen hätten Grund, ihm
dankbar zu sein, durch nichts ist wirksamer für sie Stimmung gemacht worden.
Der Sturmangriff ist vor dem energischen Widerstand, in dem Katholiken und
Protestanten sich zusammengefunden, aufgegeben worden. Also wird die preu¬
ßische Nationalversammlung die Sache in gesetzmäßiger Weise anzugreifen haben;
daß aber das Verhältnis nicht bleiben wird, wie bisher, daran ist nicht wohl ein
Zweifel möglich.

Der Umstand, daß die Trennungsfrage von sozialistischer Seite aufgerollt
ist, der man keine günstige Meinung für Kirche und Religion zuzutrauen geneigt
ist, darf doch nicht verdunkeln, daß die gleiche Forderung längst schon auch von
ganz anderer Seite und in ganz anderem Interesse ernstlich erhoben worden ist.
Durch den gesamten neueren Protestantismus geht sie, von dem "lakonischer
Spruch" eines Schleiermacher, den er nicht müde ward, zu wiederholen, bis zu


Grenzboten I 191S "



Trennung von Airche und Staat
Lie. Martin Peters von

Die Bedeutung des Problems der Trennung von Kirche und
Staat veranlaßt uns nach den Ausführungen des Pfarrers Albrecht Kaiser
in Heft 52 des letzten Jahres, auch folgende Betrachtung unseren Lesern
Die Schriflleitung. vorzulegen.

MWmeer allen Problemen, die durch die geschehene Umgestaltung in
unserem Balle hochgekommen sind, hat die Frage nach der Trennung
von Kirche und Staat die stärkste Bewegung der Geister hervor¬
gerufen. Das mag der Freund der Kirche nicht ohne Pein cap.
finden, dem die Würde der Kirche gefährdet erscheint, wenn sie in
den Mittelpunkt des politischen Kampfes gezogen wird, anderer¬
seits ist es doch ein erfreuliches Zeichen, wenn die kirchlich-religiösen Dinge selbst
in der gegenwärtigen Lage so starke Resonanz in den Gemütern finden. Daß
sie bei einer so gewaltigen Umwälzung, wie eine Revolution sie bedeutet, un-
berührt werden würden, war ja von vornherein anzunehmen, und man hat nicht
nötig, das noch an dem Beispiel der französischen Revolution zu erkennen. Dafür
hängen Staat und Kirche zu eng zusammen und ist im besonderen die Sozial-
demokratie zu stark kirchlich, vielmehr antikirchlich festgelegt. Was die bisherige
Negierung angebahnt hat, ist nur die Buchführung der bekannten sozialistischen
Forderungen aus dem Erfurter Programm Punkt 6: „Erklärung der Religion
zur Privcusache. Abschaffung aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu
kirchlichen und religiösen Zwecken. Die kirchlichen und religiösen Gemeinschaften
sind als private Vereinigungen zu betrachten, welche ihre Angelegenheiten völlig
selbständig ordnen." Das yemdsärmlige Draufgängertum, in dem der mittler-
weile schon verflossene Kultusgewaltige in-Preußen diese Ordnung durch einfache
Verfügung durchzusetzen suchte, hat ihn erwiesen als einen Teil jener Kraft, die
stets das Böse will und stets das Gute schafft; die Kirchen hätten Grund, ihm
dankbar zu sein, durch nichts ist wirksamer für sie Stimmung gemacht worden.
Der Sturmangriff ist vor dem energischen Widerstand, in dem Katholiken und
Protestanten sich zusammengefunden, aufgegeben worden. Also wird die preu¬
ßische Nationalversammlung die Sache in gesetzmäßiger Weise anzugreifen haben;
daß aber das Verhältnis nicht bleiben wird, wie bisher, daran ist nicht wohl ein
Zweifel möglich.

Der Umstand, daß die Trennungsfrage von sozialistischer Seite aufgerollt
ist, der man keine günstige Meinung für Kirche und Religion zuzutrauen geneigt
ist, darf doch nicht verdunkeln, daß die gleiche Forderung längst schon auch von
ganz anderer Seite und in ganz anderem Interesse ernstlich erhoben worden ist.
Durch den gesamten neueren Protestantismus geht sie, von dem „lakonischer
Spruch" eines Schleiermacher, den er nicht müde ward, zu wiederholen, bis zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/41>, abgerufen am 05.02.2025.