Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? N Georg (Lleinow, ach einer Rede des Geheimen Regierungsrath gehalten anläßlich der Gründung eines Volksrates zu Ratel am Meine hochverehrten Damen und Herren! Der Wahlkampf ist vorüber. Sie haben zweimal Gelegenheit gehabt, Grenzboten I 1919 13
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? N Georg (Lleinow, ach einer Rede des Geheimen Regierungsrath gehalten anläßlich der Gründung eines Volksrates zu Ratel am Meine hochverehrten Damen und Herren! Der Wahlkampf ist vorüber. Sie haben zweimal Gelegenheit gehabt, Grenzboten I 1919 13
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[Abbildung]
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?
N Georg (Lleinow, ach einer Rede des Geheimen Regierungsrath gehalten
anläßlich der Gründung eines Volksrates zu Ratel am
Meine hochverehrten Damen und Herren!
Der Wahlkampf ist vorüber. Sie haben zweimal Gelegenheit gehabt,
derjenigen Partei, die Ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten soll. Ihren
Stimmzettel zu geben und Männer in die Nationalversammlung und in d'e
Preußische konstituierende Versammlung zu entsenden, von denen Sie glauben,
daß sie Ihren Wünschen für die Weitergestaltung des verfassungsmäßigen Lebens
am besten Rechnung tragen würden. Durch Ihre Wahl haben Sie bereits
Bausteine sür die Neugestaltung des Reichsbaues ebenso wie für die Neu¬
gestaltung des Preußenstaates zusammengetragen. Wenigstens die formellen
Grundlagen sind neu begründet durch den Ausfall Ihrer Wahlen. Ich bitte
nun heute, lassen Sie den Gedanken an die Parteien, denen Sie zugehören,
lassen Sie den Gedanken an Ihre Wirtschaftsinteressen und an Ihre privaten Lieb¬
habereien auf kulturellen Gebiet einmal zurücktreten vor dem einen großen sie
alle miteinander verbindenden Gedanken, vor dem deutschen Gedanken, vor
Ihrer Zusammengehörigkeit zum großen deutschen, jetzt ach so tief nieder¬
geschmetterten, so schwer geprüften deutschen Volke. Wir alle, Männer, die
wir den Krieg mitgemacht haben (und mancher von uns hat 4^/2 Jahre und
länger draußen zugebracht), haben sicher eine andere Rückkehr in die Heimat
und einen andern Empfang in ihr erwartet, als er uns zuteil geworden ist.
Und gerade wir Posener und Ostmarkenleure, wir haben geglaubt, daß wir
nach dem Kriege hier in Frieden mit unseren polnischen Landsleuten leben
würden, die bis zu einem gewissen Zeitpunkte mit uns auf allen Kriegsschau¬
plätzen brüderlich und tapfer gegen die Well der Feinde gerampft haben. Ein
grausames Geichick hat es anders gewollt. Wir sind heimgekehrt als eine arme,
geschlagene, niedergebeugte Armee. Wenn man die Leiden hört, die unsere
Kameraden jetzt auf ihrem Rückzüge durch Rußland erleben, wenn man hört,
welche Ungeheuerlichkeiten auf dem Rückzüge einzelner Divisionen durch Belgien
und durch Luxemburg vorgekommen sind, so g'de es nur noch einen Vergleich:
das grausige Bild des Rückzuges der großen Armee Napoleons, die vor hundert
Jahren den Weg von Moskau wieder in die Heimat zurückgefunden hat. jene
Armee, die auch zu ihrem größten Teil aus deutschen Soldaten bestand, die
damals dem fremden Herrscher dienten. In solcher tiefen Not packt uns der meuch¬
lerische Angriff, den unsere Landsleute hier, die Polen, gegen uns angesetzt haben.
Grenzboten I 1919 13
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