Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Die deutschen Volksräte in der Ostmark Georg Llcinow, von z. Z le unglückselige Politik dreier Regierungen: der alten kaiserlichen Weitblickende Männer haben das Unheil bereits, wenn auch nicht in diesen Grenzboten I 1919 11
Die deutschen Volksräte in der Ostmark Georg Llcinow, von z. Z le unglückselige Politik dreier Regierungen: der alten kaiserlichen Weitblickende Männer haben das Unheil bereits, wenn auch nicht in diesen Grenzboten I 1919 11
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0169" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335351"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341909_335181/figures/grenzboten_341909_335181_335351_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die deutschen Volksräte in der Ostmark<lb/><note type="byline"> Georg Llcinow,</note> von z. Z</head><lb/> <p xml:id="ID_790"> le unglückselige Politik dreier Regierungen: der alten kaiserlichen<lb/> mit ihrem Zickzackburs, der kurzlebigen bürgerlich-demokratischen<lb/> des Herbstes von 1913 und der eben am Ruder befindlichen<lb/> socialistischen, hat dam geführt, daß das DemiHe Reich<lb/> dicht an den Rand des materiellen, das deutsche Volk an<lb/> den des moralischen Zusammenbruchs herangeführt ist. Die<lb/> Lage ist so, daß in Ost und West, in Süd und Nord offene und<lb/> heimliche Feinde ihre Zeit für gekommen halten, dem Deutschen Reiche<lb/> Gebietsteile zu entreißen. Auch die politische Gedankenwelt mancher Kreise<lb/> unseres Volkes ist derart verwildert, daß Männer, deren Namen bisher einen<lb/> guten Klang im deutschen Volke hatten, glauben, ihre Stimme für Sonderorgani¬<lb/> sationen und Sonderbestrebungen erheben zu müssen. Eine wütende Agitation<lb/> hatte obendrein dazu geführt, die historischen Grundlagen, und mit ihnen die ge¬<lb/> sunden Kräfte, die in einer tausendjährigen Vergangenheit aufwuchsen, gering<lb/> zu achten, ja zu verachten. Nicht nur Elsaß-Lothringen und Schleswig sollen<lb/> vom Reus losgerissen werden und werden auch von manchem leichtherzig preis¬<lb/> gegeben. Im Osten find es besonders die Polen, die gierig nach tausendjährigem<lb/> deutschen Kulturbesttz die Hände ausstrecken und zum Teil rein deutsche Gebiete,<lb/> ore Westpreußen mit Danzig und den Netzedistrikt, zusammen mit anderen<lb/> Deckn der Ostmark vom Reiche abzureißen streben, um ihn mit dem bisher doch<lb/> mehr theoretischen Gebilde eines polnischen Staates zu vereinigen. Die von der<lb/> gegenwärtigen Negierung angenommenen Waffenstillstandsbedingungen, die Fest-<lb/> setzung der Demarkationslinie gegen Polen mitten durch den deutschen Netze¬<lb/> distrikt und ebenso die neuen Bedingungen sür den Frieden machen es zusammen<lb/> mit der neuen Revolution kaum noch wahrscheinlich, daß die Negierung genügend<lb/> Kraft aufzubringen vermag, um die gewaltsame Lostrennung ganzer' Provinzen<lb/> vom Reich zu verhindern.</p><lb/> <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Weitblickende Männer haben das Unheil bereits, wenn auch nicht in diesen<lb/> furchtbaren Ausmaßen, -wie es vor uns steht, feit Monaten herankommen fehen<lb/> und daraus ihre Folgerungen sür die notwendige politische Arbeit gezogen. Sie<lb/> haben schon vor Beginn des Weltkrieges eine Revision der deutsch-polnischen Be¬<lb/> ziehungen angestrebt und amtlichen Stellen entsprechende Vorschläge unterbreitet.<lb/> Die Gründe, weshalb es nicht gelang, das Problem rechtzeitig zu lösen, sind so<lb/> mannigfaltig, daß es unmöglich erscheint, für die Katastrophe .eine Person oder<lb/> eine Partei allein verantwortlich zu machen. Sie liegen ebenso in der inneren<lb/> wie in der auswärtigen Politik und in den Gründen, die zu dem allgemeinen Zu¬<lb/> sammenbruch überhaupt führten. Wir würden auch unsere derzeitige Lage um<lb/> nichts verbessern, wollten wir versuchen, die Schuldfrage jetzt schon zu entscheiden.<lb/> Das mögen unsere hoffentlich glücklicheren Nachfahren besorgen! Wir müssen tat¬<lb/> kräftig Hand anlegen, um ans dem Gröbsten zunächst herauszukommen. Wir<lb/> sind einfach gezwungen, aus eigener Kraft eine Revision der alten Verhältnisse</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1919 11</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
[Abbildung]
Die deutschen Volksräte in der Ostmark
Georg Llcinow, von z. Z
le unglückselige Politik dreier Regierungen: der alten kaiserlichen
mit ihrem Zickzackburs, der kurzlebigen bürgerlich-demokratischen
des Herbstes von 1913 und der eben am Ruder befindlichen
socialistischen, hat dam geführt, daß das DemiHe Reich
dicht an den Rand des materiellen, das deutsche Volk an
den des moralischen Zusammenbruchs herangeführt ist. Die
Lage ist so, daß in Ost und West, in Süd und Nord offene und
heimliche Feinde ihre Zeit für gekommen halten, dem Deutschen Reiche
Gebietsteile zu entreißen. Auch die politische Gedankenwelt mancher Kreise
unseres Volkes ist derart verwildert, daß Männer, deren Namen bisher einen
guten Klang im deutschen Volke hatten, glauben, ihre Stimme für Sonderorgani¬
sationen und Sonderbestrebungen erheben zu müssen. Eine wütende Agitation
hatte obendrein dazu geführt, die historischen Grundlagen, und mit ihnen die ge¬
sunden Kräfte, die in einer tausendjährigen Vergangenheit aufwuchsen, gering
zu achten, ja zu verachten. Nicht nur Elsaß-Lothringen und Schleswig sollen
vom Reus losgerissen werden und werden auch von manchem leichtherzig preis¬
gegeben. Im Osten find es besonders die Polen, die gierig nach tausendjährigem
deutschen Kulturbesttz die Hände ausstrecken und zum Teil rein deutsche Gebiete,
ore Westpreußen mit Danzig und den Netzedistrikt, zusammen mit anderen
Deckn der Ostmark vom Reiche abzureißen streben, um ihn mit dem bisher doch
mehr theoretischen Gebilde eines polnischen Staates zu vereinigen. Die von der
gegenwärtigen Negierung angenommenen Waffenstillstandsbedingungen, die Fest-
setzung der Demarkationslinie gegen Polen mitten durch den deutschen Netze¬
distrikt und ebenso die neuen Bedingungen sür den Frieden machen es zusammen
mit der neuen Revolution kaum noch wahrscheinlich, daß die Negierung genügend
Kraft aufzubringen vermag, um die gewaltsame Lostrennung ganzer' Provinzen
vom Reich zu verhindern.
Weitblickende Männer haben das Unheil bereits, wenn auch nicht in diesen
furchtbaren Ausmaßen, -wie es vor uns steht, feit Monaten herankommen fehen
und daraus ihre Folgerungen sür die notwendige politische Arbeit gezogen. Sie
haben schon vor Beginn des Weltkrieges eine Revision der deutsch-polnischen Be¬
ziehungen angestrebt und amtlichen Stellen entsprechende Vorschläge unterbreitet.
Die Gründe, weshalb es nicht gelang, das Problem rechtzeitig zu lösen, sind so
mannigfaltig, daß es unmöglich erscheint, für die Katastrophe .eine Person oder
eine Partei allein verantwortlich zu machen. Sie liegen ebenso in der inneren
wie in der auswärtigen Politik und in den Gründen, die zu dem allgemeinen Zu¬
sammenbruch überhaupt führten. Wir würden auch unsere derzeitige Lage um
nichts verbessern, wollten wir versuchen, die Schuldfrage jetzt schon zu entscheiden.
Das mögen unsere hoffentlich glücklicheren Nachfahren besorgen! Wir müssen tat¬
kräftig Hand anlegen, um ans dem Gröbsten zunächst herauszukommen. Wir
sind einfach gezwungen, aus eigener Kraft eine Revision der alten Verhältnisse
Grenzboten I 1919 11
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |