Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Neue Bücher Neue Bücher Heinrich Friedjung, Das Zeitalter des Imperialismus 1814--1914. Erster Band. Berlin. Verlag Neufeld K Henius, 1919. Dem bekannten und vielumstrittenen Werke des Grafen Reventlow, das So ist mit der kühlen Besonnenheit des reinen Forschers dem kaum erst Die nicht leichte Aufgabe des zweiten Bandes, dessen Erscheinen in nahe Neue Bücher Neue Bücher Heinrich Friedjung, Das Zeitalter des Imperialismus 1814—1914. Erster Band. Berlin. Verlag Neufeld K Henius, 1919. Dem bekannten und vielumstrittenen Werke des Grafen Reventlow, das So ist mit der kühlen Besonnenheit des reinen Forschers dem kaum erst Die nicht leichte Aufgabe des zweiten Bandes, dessen Erscheinen in nahe <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335284"/> <fw type="header" place="top"> Neue Bücher</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Neue Bücher</head><lb/> <div n="2"> <head> Heinrich Friedjung, Das Zeitalter des Imperialismus 1814—1914. Erster<lb/> Band. Berlin. Verlag Neufeld K Henius, 1919.</head><lb/> <p xml:id="ID_413"> Dem bekannten und vielumstrittenen Werke des Grafen Reventlow, das<lb/> Deutschlands Weltpolitik in den letzten Jahrzehnten vom bekannten alldeutschen<lb/> Standpunkte bevorzugter Qberseepolitik behandelt, stellt nunmehr der berühmte<lb/> österreichische Historiker, der namentlich durch seine Schriften über die preußisch¬<lb/> österreichische Rivalität einen unantastbaren wissenschaftlichen Ruf besitzt, ein auf<lb/> zwei Bände angelegtes Werk zur Seite, das vom Boden neutraler weltgeschicht¬<lb/> licher Betrachtungsweise die große Politik der letzten drei Jahrzehnte vor dem<lb/> Weltkriege entrollt. Wer nach dem Titel des Buches freilich darin eine irgend<lb/> wie begriffliche oder ideologische Besinnung auf das Wesen des Imperialismus,<lb/> auf seine tragenden Kräfte und aus seine Gegenmächte im politischen Leben der<lb/> jüngsten Vergangenheit suchte, wer sich auf eine BeHandlungsweise des Stoffes<lb/> einstellte, wie sie etwa Ernst Troeltsch ihm angedeihen lassen würde, der erlebte<lb/> bei der Lektüre des Buches eine gewisse Enttäuschung. Modern in diesem Sinne<lb/> ist seine Methode nicht, vielmehr kommt darin eine streng positivistisch sachhafte<lb/> BeHandlungsweise zum Ausdrucke, die in der schlichten Wiedergabe der welt¬<lb/> politischen Geschehnisse ihr Genüge findet, gelegentlich wohl hinter den hin- und<lb/> herschießcnden Webschiffchen politischer Motivationen diesen und jenen Werkmeister<lb/> als lose umrissene Gestalt sichtbar werden läßt, auf große ideelle Strömungen<lb/> aber, auf die Erklärungsgründe allgemein menschlicher Typik, auf das ganze<lb/> Problemgebiet von Motivationsverwandlungeu, in das die Marxistische Frage¬<lb/> stellung die historische Forschung hineingestoßen hat. grundsätzlich nicht zurückgreift.</p><lb/> <p xml:id="ID_414"> So ist mit der kühlen Besonnenheit des reinen Forschers dem kaum erst<lb/> geschichtlich gewordenen Stoffe eine Darstellung abgerungen worden, die jenseits<lb/> von Parteileidenschaften und eigenen politischen Zielen den Anspruch macht und<lb/> in weitem Maße erfüllt, im Ncmkeschen Sinne reine Wiedergabe dessen zu sein,<lb/> was geschehen ist. Der vorliegende erste Band nimmt von den Beziehungen<lb/> Deutschlands, Österreich-Ungarns und Rußlands vor dem deutsch-österreichischen<lb/> Bündnis von 1et79 seinen Ausgang und umreißt alsdann die Voraussetzungen<lb/> der modernen afrikanischen Kolonialpolitik. Dies führt dazu.- den englischen Im¬<lb/> perialismus aus seinen geschichtlichen Ursprüngen bis an den Ausgangspunkt der<lb/> Betrachtung heranzuführen. Die Darstellung springt weiterhin nach Europa<lb/> zurück und beschäftigt sich anschließend an die Balkanpolitik und die Dreibund¬<lb/> frage in den achtziger Jahren mit der russisch-französischen Annäherung. Damit<lb/> rückt das Problem des nahen und fernen Ostens in die Betrachtung und die<lb/> allmähliche Zuspitzung des europäischen Konfliktes führt den Verfasser dazu, an<lb/> Hand der ägyptischen Frage das Verhältnis Deutschlands, Englands und Frank¬<lb/> reichs in den neunziger Jahren zu entwickeln. Nachdem die deutsche Ftotlen-<lb/> politit in die Betrachtung eingeführt worden ist, wendet sich diese den Ursprüngen<lb/> des amerikanischen Imperialismus und der um die Jahrhundertwende einsetzenden<lb/> Friedensbewegung zu. DaS kolonialpolitische Motiv wird wieder in der Dar-<lb/> stellung des Burenkriegcs und des Verhaltens der Großmächte zu ihm ange¬<lb/> schlagen, der russisch-japanische Krieg durch eine zusammenfassende Behandlung<lb/> der russischen Politik im fernen Osten und ihrer Reibungen mit Österreich in<lb/> den Balkankriegen vorbereitet. Nachdem auch Italien in den Kreis der imperi¬<lb/> alistischen Matadore eingeführt worden ist und die neue Entwicklungsstufe der<lb/> werdenden Weltkoalition, die englisch-französische Verständigung von 1904, die<lb/> gebührende Beachtung gefunden hat, schließt der vorliegende' Band mit einer aus¬<lb/> führlichen Darstellung des russisch-japanischen Krieges.</p><lb/> <p xml:id="ID_415" next="#ID_416"> Die nicht leichte Aufgabe des zweiten Bandes, dessen Erscheinen in nahe<lb/> Aussicht gestellt ist. wird es sein, die Entwicklung bis an den großen Konflikt<lb/> von 1914 heranzuführen. Vermutlich dürfte auch dieser Teil bereits so weit<lb/> vollendet sein, dasz noch kein Schatten der furchtbaren Katastrophe die ruhige</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Neue Bücher
Neue Bücher
Heinrich Friedjung, Das Zeitalter des Imperialismus 1814—1914. Erster
Band. Berlin. Verlag Neufeld K Henius, 1919.
Dem bekannten und vielumstrittenen Werke des Grafen Reventlow, das
Deutschlands Weltpolitik in den letzten Jahrzehnten vom bekannten alldeutschen
Standpunkte bevorzugter Qberseepolitik behandelt, stellt nunmehr der berühmte
österreichische Historiker, der namentlich durch seine Schriften über die preußisch¬
österreichische Rivalität einen unantastbaren wissenschaftlichen Ruf besitzt, ein auf
zwei Bände angelegtes Werk zur Seite, das vom Boden neutraler weltgeschicht¬
licher Betrachtungsweise die große Politik der letzten drei Jahrzehnte vor dem
Weltkriege entrollt. Wer nach dem Titel des Buches freilich darin eine irgend
wie begriffliche oder ideologische Besinnung auf das Wesen des Imperialismus,
auf seine tragenden Kräfte und aus seine Gegenmächte im politischen Leben der
jüngsten Vergangenheit suchte, wer sich auf eine BeHandlungsweise des Stoffes
einstellte, wie sie etwa Ernst Troeltsch ihm angedeihen lassen würde, der erlebte
bei der Lektüre des Buches eine gewisse Enttäuschung. Modern in diesem Sinne
ist seine Methode nicht, vielmehr kommt darin eine streng positivistisch sachhafte
BeHandlungsweise zum Ausdrucke, die in der schlichten Wiedergabe der welt¬
politischen Geschehnisse ihr Genüge findet, gelegentlich wohl hinter den hin- und
herschießcnden Webschiffchen politischer Motivationen diesen und jenen Werkmeister
als lose umrissene Gestalt sichtbar werden läßt, auf große ideelle Strömungen
aber, auf die Erklärungsgründe allgemein menschlicher Typik, auf das ganze
Problemgebiet von Motivationsverwandlungeu, in das die Marxistische Frage¬
stellung die historische Forschung hineingestoßen hat. grundsätzlich nicht zurückgreift.
So ist mit der kühlen Besonnenheit des reinen Forschers dem kaum erst
geschichtlich gewordenen Stoffe eine Darstellung abgerungen worden, die jenseits
von Parteileidenschaften und eigenen politischen Zielen den Anspruch macht und
in weitem Maße erfüllt, im Ncmkeschen Sinne reine Wiedergabe dessen zu sein,
was geschehen ist. Der vorliegende erste Band nimmt von den Beziehungen
Deutschlands, Österreich-Ungarns und Rußlands vor dem deutsch-österreichischen
Bündnis von 1et79 seinen Ausgang und umreißt alsdann die Voraussetzungen
der modernen afrikanischen Kolonialpolitik. Dies führt dazu.- den englischen Im¬
perialismus aus seinen geschichtlichen Ursprüngen bis an den Ausgangspunkt der
Betrachtung heranzuführen. Die Darstellung springt weiterhin nach Europa
zurück und beschäftigt sich anschließend an die Balkanpolitik und die Dreibund¬
frage in den achtziger Jahren mit der russisch-französischen Annäherung. Damit
rückt das Problem des nahen und fernen Ostens in die Betrachtung und die
allmähliche Zuspitzung des europäischen Konfliktes führt den Verfasser dazu, an
Hand der ägyptischen Frage das Verhältnis Deutschlands, Englands und Frank¬
reichs in den neunziger Jahren zu entwickeln. Nachdem die deutsche Ftotlen-
politit in die Betrachtung eingeführt worden ist, wendet sich diese den Ursprüngen
des amerikanischen Imperialismus und der um die Jahrhundertwende einsetzenden
Friedensbewegung zu. DaS kolonialpolitische Motiv wird wieder in der Dar-
stellung des Burenkriegcs und des Verhaltens der Großmächte zu ihm ange¬
schlagen, der russisch-japanische Krieg durch eine zusammenfassende Behandlung
der russischen Politik im fernen Osten und ihrer Reibungen mit Österreich in
den Balkankriegen vorbereitet. Nachdem auch Italien in den Kreis der imperi¬
alistischen Matadore eingeführt worden ist und die neue Entwicklungsstufe der
werdenden Weltkoalition, die englisch-französische Verständigung von 1904, die
gebührende Beachtung gefunden hat, schließt der vorliegende' Band mit einer aus¬
führlichen Darstellung des russisch-japanischen Krieges.
Die nicht leichte Aufgabe des zweiten Bandes, dessen Erscheinen in nahe
Aussicht gestellt ist. wird es sein, die Entwicklung bis an den großen Konflikt
von 1914 heranzuführen. Vermutlich dürfte auch dieser Teil bereits so weit
vollendet sein, dasz noch kein Schatten der furchtbaren Katastrophe die ruhige
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